Sportpolitik
Israels Sportler und der Protest
Bei der WM-Qualifikation im Fußball, bei der Spanien-Rundfahrt im Radsport: Wegen des Gaza-Kriegs wird der propalästinensische Protest auch im Sport immer größer. Was heißt das für Israels Sportler?
dpa
Di, 9. Sep 2025, 20:00 Uhr
Fussball International
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen

Diese Aufregung hatte ausnahmsweise nichts mit Krieg, Protest oder Boykottforderungen zu tun. Israels Fußball-Nationalmannschaft verlor eines der wildesten Spiele der WM-Qualifikation mit 4:5 (1:1) gegen Italien. In der 87. und 89. Minute holte der Außenseiter gegen den viermaligen Weltmeister zunächst einen 2:4-Rückstand auf – kassierte dann aber in der Nachspielzeit doch noch das neunte Tor dieses außergewöhnlichen Abends.
Israels Trainer Ran Ben-Shimon war danach trotzdem stolz: "Wir haben zwar keine drei Punkte geholt", sagte er. "Aber wir haben uns das Vertrauen der Zuschauer zu Hause verdient und gezeigt, dass wir nicht zu brechen sind."
Unzerbrechlich sein – das war dann doch noch eine Anspielung darauf, was israelische Sportler in den vergangenen Wochen rund um dieses Fußballspiel, aber auch bei anderen Sport-Ereignissen erlebt haben: Aus Protest gegen den Krieg in Gaza drehten die italienischen Fans dem Spielfeld beim Erklingen der israelischen Hymne den Rücken zu und hielten "Stop"-Plakate hoch.
Unmut über den israelischen Militäreinsatz zur Einnahme der Stadt Gaza
Aus Angst vor anti-israelischen Demonstrationen verlangte der Bürgermeister von Udine, das Rückspiel am 14. Oktober in seiner Stadt zu verschieben. Italiens Trainervereinigung AIAC hatte im August sogar gefordert, Israels Nationalteam komplett von internationalen Wettbewerben zu suspendieren. Hintergrund dafür ist auch der Unmut über den von Israels Regierung geplanten Militäreinsatz zur Einnahme der Stadt Gaza, in der die Zivilbevölkerung laut Hilfsorganisationen schon jetzt in einer katastrophalen Lage ist.
Für einen Ausschluss Israels gibt es im internationalen Sport noch keinerlei Anzeichen. Doch die propalästinensischen Proteste bei immer mehr Sport-Ereignissen zielen in letzter Konsequenz auf etwas ganz Ähnliches ab: einen "De-facto-Boykott des israelischen Sports", wie es die Frankfurter Allgemeine Zeitung beschrieb. Heißt: dass israelische Fußballer aus Angst vor Fan-Protesten nicht mehr verpflichtet werden. Oder dass israelische Athleten aus Sicherheitsgründen nicht mehr antreten können.
Besonders gut zu beobachten war dies in der vergangenen Woche bei der Spanien-Rundfahrt im Radsport. Erst brach die Jury die elfte Vuelta-Etappe kurz vor dem Ende ab, weil Demonstranten im Zielbereich die Sicherheit der Fahrer gefährdet hätten. Danach berichtete der Sportdirektor des Rennstalls Israel-Premier Tech von Morddrohungen gegen sein Team.
Radteam soll zurückziehen, kommt der Bitte aber nicht nach
Was hinter den Kulissen passiert sein soll, beschrieb der kanadisch-israelische Teambesitzer Sylvan Adams zwei Tage nach dem Eklat. Demnach habe ihn der Chef des Vuelta-Organisators "Unipublic" gebeten, das israelische Team von der Rundfahrt zurückzuziehen. "Aber ich habe ihm mitgeteilt, dass ich das nicht tun werde", sagte Adams. "Wenn wir aufgeben, ist das nicht nur das Ende unseres Teams, sondern auch von allen anderen Teams." Dann werde morgen jemand "gegen Teams aus Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder gegen Astana demonstrieren".
Nur einen Tag später entfernte der Rennstall allerdings den Schriftzug "Israel" von allen Trikots und Teamfahrzeugen – und tat damit aus Sicherheitsgründen genau das, was Sylvan Adams zuvor kategorisch ausgeschlossen hatte: "Wir werden niemals ohne den Namen Israel fahren", sagte der Unternehmer. An dieser Stelle hatte der Protest augenscheinlich Erfolg.
Der Protest gegen israelische Sportler wird jedenfalls immer größer und vielfältiger. Im August gab es im kanadischen Halifax eine Demonstration gegen die Austragung des Tennis-Daviscup-Matches zwischen Kanada und Israel an diesem Wochenende.
Proteste gegen Israels Stürmerstar
Und als der wohl bekannteste israelische Fußballer Manor Solomon am letzten Tag der Transferfrist von Tottenham Hotspur zum FC Villarreal wechselte, kommentierte das eine Fanvereinigung des spanischen Clubs mit den Worten: "Manor Solomon ist nicht willkommen in Villarreal und verdient nicht die Zuneigung seiner Fans." Mehrfach hat der 26-jährige Offensivspieler in den sozialen Netzwerken die israelische Armee unterstützt und auch eine islamistische Terrororganisation für den verheerenden Raketentreffer auf das Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza verantwortlich gemacht. Aber anders als sein Nationalmannschaftskollege Shon Weissman hat Solomon keine Internet-Kommentare gelikt, die die Auslöschung des gesamten Gazastreifens fordern. Aus diesem Grund hatte der deutsche Zweitligist Fortuna Düsseldorf im August auf die Verpflichtung Weissmans verzichtet und dies auch mit einer Polarisierung erklärt.
Israels nächster Gegner in der WM-Qualifikation ist drei Tage vor dem Italien-Rückspiel der Tabellenführer Norwegen. Und Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness hatte bereits zwei Monate vor dem Spiel am 11. Oktober in Oslo eine Idee. Man werde das Spiel gegen Israel nicht boykottieren. Aber man werde die Einnahmen daraus an eine Hilfsorganisation spenden, die sich in Gaza engagiert.