Artenschutz

Käfer oder Parkplatz? Im Landkreis Karlsruhe muss sich eine Gemeinde entscheiden

Für Naturfreunde ist klar: Seltene Arten müssen geschützt werden. Doch was ist, wenn damit hohe Kosten und Einschränkungen verbunden sind?  

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Peter Pramann, kommunaler Umweltbeauft...kt auf eine vom Käfer befallene Eiche.  | Foto: Uli Deck (dpa)
Peter Pramann, kommunaler Umweltbeauftragter, blickt auf eine vom Käfer befallene Eiche. Foto: Uli Deck (dpa)

Die Rinde am unteren Teil des Stammes ist abgeblättert. Ins freiliegende Holz führen Gänge, in deren Öffnungen gut ein bis zwei Finger passen. Aus manchen Löchern rieselt Bohrmehl. An dieser Eiche an einem Baggersee im Landkreis Karlsruhe wird ein Dilemma deutlich, vor dem viele Kommunen, aber auch Unternehmen und Privatleute stehen: Sollte der Artenschutz Grenzen haben? Überwiegen irgendwann öffentliche Interessen, finanzielle und soziale Belange?

Dass die mehr als 100 Jahre alte Eiche derart zugerichtet aussieht, liegt am Heldbock. Einem Käfer, der zwar laut Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg in der nördlichen Oberrheinebene von Mannheim bis Rastatt verbreitet, nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz deutschlandweit aber vom Aussterben bedroht ist. Deshalb ist er streng geschützt.

Die mehr als fünf Zentimeter langen Tiere mit auffallend langen Fühlern legen ihre Eier in Rindenspalten von Stieleichen. Die Larven bohren sich im Verlauf von meist vier Jahren bis ins Kernholz. Sie nehmen dem Baum die Stabilität. Genau das ist das Problem, vor dem Linkenheim-Hochstetten beispielhaft steht. Etwa zehn von rund 30 Eichen am Baggersee-Parkplatz sind von den Käfern befallen, wie der Umweltbeauftragte der Gemeinde, Peter Pramann, sagt. Der am stärksten betroffene Baum droht nach Einschätzung eines Baumsachverständigen umzustürzen, wenn nichts unternommen wird.

Schützt man das Gelände um die Eiche herum, gehen 30 Parkplätze verloren

Weil die Käfer streng geschützt sind, darf man den Baum aber nicht einfach fällen. "Dafür bräuchte man eine Ausnahmegenehmigung der oberen Naturschutzbehörde", erklärt Pramann. Ohne diese blieben nur zwei Möglichkeiten: Entweder das Gelände rund um die Eiche sperren, dann wären rund 30 bis 40 Parkplätze nicht mehr nutzbar. Oder den Baum stützen – auch dann fehlten zehn bis 15 Parkplätze.

Das trifft Baggersee-Besucher. Und die Kommune, die mit den Parkplätzen Geld verdient, um den See instand zu halten. Wie in Linkenheim-Hochstetten müssen vielerorts Kommunen, Behörden oder Unternehmen abwägen: Naturschutz oder andere Interessen. In Walldorf zum Beispiel machte die Haubenlerche vor einigen Jahren Schlagzeilen, wegen derer das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises ein zeitweises Ausgangsverbot für Hauskatzen verhängte.

Die Liste geschützter Tier- und Pflanzenarten ist lang. Und mit einer Lösung zum Heldbock ist es im Zweifel nicht getan, wie Pramann deutlich macht. "Die Käfer bereiten den Baum für andere Arten vor", sagt der Umweltbeauftragte. Daher müsse im Zweifel ein Fledermaus-Experte mit einem Endoskop prüfen, ob sich in den Eichen nicht auch noch Zwergfledermäuse eingenistet haben.

Artensterben findet vor der Haustür statt

Das kostet: Der Fledermaus-Experte, der Baumsachverständige – sie alle bekommen Geld für ihre Expertisen. Aber auch Stützen kosten je Baum nach Pramanns Einschätzung rund 15.000 Euro, es müssen Maßanfertigungen sein. Geld, das viele Kommunen dieser Tage nicht im Überfluss haben.

Die Sicht des Naturschutzbunds (Nabu) Baden-Württemberg ist freilich klar: "Leider müssen wir viel zu oft feststellen, dass geschützte und/oder bereits stark gefährdete Arten häufig nur als Hindernis oder Problem für verschiedenste menschliche Belange angesehen werden", sagt Artenschutzreferentin Alexandra Ickes. "Die besten Gesetze nützen eben leider nichts, wenn in der Praxis meist gegen den Artenschutz abgewogen wird."

Das globale Artensterben finde nicht nur im Regenwald, sondern eben auch direkt vor unserer Haustür statt. Der Heldbock könne nur in alten Eichen existieren, die wiederum ein Biodiversitäts-Hotspot seien, erklärt Ickes. Werde er geschützt, profitierten auch zahlreiche andere Arten.

Da der Heldbock nur alte und kranke Eichen befällt, schadet er nach Auskunft des Naturkundemuseums Karlsruhe nicht der Forstwirtschaft oder behindert die Gestaltung von Parks. Wenn die Gefahr für Mensch und Umwelt zu hoch ist, könne man die Käfer als Notlösung umsiedeln. "Dafür werden große Stücke des gefällten Stammes neben neue potenzielle Brutbäume gelegt", heißt es von den Fachleuten. Auch potenzielle Brutbäume in der Nähe bestehender Populationen sollten den Angaben zufolge geschützt werden, "da die Käfer aufgrund ihrer Ortstreue keine weiten Strecken zurücklegen, um neue Habitate zu finden".

Schlagworte: Peter Pramann, Alexandra Ickes
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