Bombenentschärfung
Köln als Geisterstadt: 20.000 Menschen mussten wegen Bombenentschärfung ihre Wohnungen räumen
Unwirkliche Szenen in der viertgrößten Stadt Deutschlands: Alle Bewohner mussten aus dem Zentrum raus - der Zweite Weltkrieg wirkt nach. Am Ende geht alles schneller als erwartet.
Christoph Driessen, Petra Albers und Frank Christiansen (dpa)
Mi, 4. Jun 2025, 21:54 Uhr
Panorama
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Leer gefegte Straßen, geschlossene Geschäfte und eine verlassene RTL-Sendezentrale: Die Kölner City hat sich durch die größte Evakuierung seit 1945 in eine Geisterstadt verwandelt. Mehr als 20.000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen. Am Abend wurden dann am Rheinufer im Stadtteil Deutz drei amerikanische Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft.
Gegen 19.19 Uhr hatten Spezialisten des Kampfmittel-Räumdienstes alle drei Bomben unschädlich gemacht - und damit schneller als erwartet: in nur rund einer statt der veranschlagten mindestens eineinhalb Stunden. Straßen und Brücken wurden nach und nach wieder freigegeben, die Anwohner konnten in ihre Wohnungen zurückkehren. Mit Verkehrsbehinderungen musste noch eine Weile gerechnet werden.
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker dankte allen Beteiligten, "die die größte Evakuierungsaktion in Köln seit 1945 so herausragend professionell durchgeführt haben".

In einem 1.000-Meter-Radius rund um die Fundstelle im Stadtteil Deutz hieß es zuvor: Alle müssen raus. Betroffen waren mehrere große Unternehmen, neun Schulen und 58 Hotels. In der Sperrzone lagen auch ein Krankenhaus, zwei Alten- und Pflegeheime, viele Museen und der Fernsehsender RTL. Auch der Bahnhof Köln-Messe/Deutz wurde gesperrt. Weil mit der Hohenzollernbrücke am Kölner Dom zudem die meistbefahrene deutsche Eisenbahnbrücke gesperrt wurde, kam der Bahnverkehr über den Rhein zum Kölner Hauptbahnhof zum Erliegen.
Ein Verweigerer
Lediglich ein Bewohner in der Kölner Altstadt hatte sich geweigert, seine Wohnung zu verlassen und damit den Beginn der Entschärfung verzögert. Schließlich musste auch noch eine Person in Deutz in Sicherheit gebracht werden.
Zuvor waren die Evakuierungsmaßnahmen nach Plan verlaufen. Auch drei zentrale Brücken wurden für den Verkehr gesperrt. Dann sollten sich in der gesamten Evakuierungszone nur noch zwei Experten der Kampfmittelbeseitigung aufhalten.
Die am dichtesten besiedelte Innenstadt Europas leert sich
Seit dem Morgen wurden Straßensperren rund um den Sperrbezirk errichtet. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamtes gingen umher und checkten, ob wirklich alles leer ist. Straße für Straße, Haus um Haus. Ein ganzes Stück Arbeit, denn die Kölner Innenstadt ist laut Ralf Mayer, Leiter des Ordnungsamtes, die am dichtesten besiedelte in ganz Europa.
Die Feuerwehr setzte erstmals testweise eine Drohne mit Kamera ein, um zu beobachten, ob sich Menschen in der Evakuierungszone aufhalten. Die Drohne sei auch mit Wärmebildkamera und einem Lautsprecher ausgestattet, sagte ein Sprecher.

Der Fernsehsender RTL sendete vorübergehend aus dem Außenbezirk Köln-Ossendorf und aus Berlin. Die Lanxess-Arena musste einen Auftritt des Komikers Tedros "Teddy" Teclebrhan auf Sonntag verlegen, ein Konzert des WDR-Sinfonieorchesters in der Philharmonie wurde abgesagt.
Paare, die im Historischen Rathaus heiraten wollten, mussten ihre Hochzeit immerhin nicht absagen - allerdings findet die Trauung nun im wenig glamourösen Porz statt. Standesbeamtin Manuela Beilmann weiß den Paaren den neuen Ort jedoch schmackhaft zu machen: "Hier ist der einzige Trauort, an dem sie direkt am Rhein heiraten können - mit Blick auf den Dom", schwärmt sie im WDR.
Endlich mal keine Parkplatznot
8 Uhr, Stadtteil Deutz: Ausnahmsweise herrscht in dem rechtsrheinischen Viertel mal keine Parkplatznot. Viele Bewohner sind zu Familien oder Freunden außerhalb der Sperrzone gefahren – oft mit Notfallgepäck im Kofferraum, denn wann sie wieder in ihre Wohnungen zurückdürfen, kann ihnen niemand sagen. "Mein Mann fährt zur Arbeit, unser Sohn geht nach der Schule zu Freunden, und ich fahre zu meinen Eltern", sagt eine Deutzerin, die gerade die Haustür hinter sich zuzieht. "Wenn es nicht anders geht, können wir da auch jeweils übernachten."
An Laternenpfosten weisen Schilder den Weg zu Sammelplätzen, von denen ein Shuttle Service Personen, die nicht anderswo unterkommen können, zu Sammelstellen bringt. In sozialen Medien werben einige Lokale in der Nähe speziell um Menschen, die nicht nach Hause können: "Kaffeemaschine ist an und Homeoffice könnt ihr auch bei uns machen", schreibt ein Café-Besitzer. Ein Kleingartenbesitzer bietet "einen Ort zum Verweilen, auch mit Hund" an.
Die Sperrung des Zentrums der viertgrößten Stadt Deutschlands mit insgesamt 1,1 Millionen Einwohnern strahlt weit ins Umland aus. Der Hauptbahnhof befindet sich zwar nicht im Evakuierungsbereich, wurde aber mit der Sperrung der Hohenzollernbrücke vorübergehend zum Kopfbahnhof. Auch die Schifffahrt auf dem Rhein musste vorübergehend pausieren.
In NRW werden jährlich 2.000 Bomben gefunden
So wirkt der Zweite Weltkrieg auch nach über 80 Jahren immer noch in den Alltag hinein. In ganz Nordrhein-Westfalen würden pro Jahr 1.500 bis 2.000 Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, von den großen Kalibern so wie jetzt in Köln etwa 200 pro Jahr, sagte Kai Kulschewski, Dezernent für Kampfmittelbeseitigung bei der Bezirksregierung Düsseldorf, im WDR-"Morgenecho".
Köln gehörte zu den am stärksten bombardierten Städten des Zweiten Weltkriegs. Der einsame schwarze Dom inmitten einer kompletten Trümmerwüste wurde weit über die Stadt hinaus zum Symbolbild für die Zerstörungen des Krieges. Und so ist es an diesem Tag vermutlich emotional nicht unwichtig für die Kölnerinnen und Kölner, dass ihr geliebter Dom ganz knapp außerhalb der Sperrzone liegt. Touristen und Einwohner konnten dort weiterhin ein Kerzchen anzünden.