Migration

Kritik aus Südbaden an Grenzkontrollen

Seit gut einer Woche wird an den deutschen Grenzen strenger kontrolliert. Auch Asylsuchende sollen nun ins Nachbarland zurückgeschickt werden. Dafür gibt es Zustimmung – aber auch Kritik aus Südbaden.  

Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
Auch in der Tram aus Straßburg wurde z... sich über die Folgen für die Pendler.  | Foto: Stadt Kehl
Auch in der Tram aus Straßburg wurde zuletzt intensiv kontrolliert - die Stadt Kehl ärgert sich über die Folgen für die Pendler. Foto: Stadt Kehl

Deutschland hat eine neue Bundesregierung – und Südbaden spürt es sehr konkret: Die seit rund einer Woche verschärften Grenzkontrollen machen sich im Südwesten bemerkbar. Der neue Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) will die illegale Migration weiter eindämmen und hat zusätzliche Bundespolizisten an die Grenzen geschickt. Sie sollen dafür sorgen, dass nun auch Menschen, die einen Asylantrag stellen wollen, direkt ins Nachbarland zurückgewiesen werden. Bisher wurden sie aufgenommen und ihre Identität geprüft. Erst dann versuchte man, sie ins zuständige EU-Land zu überstellen – ein oft schwieriges Verfahren.

Bereitschaftspolizei wurde an die Grenze beordert

Ob in Weil am Rhein am Übergang zur Schweiz oder an der deutsch-französischen Grenze in Neuenburg, Breisach und Kehl – überall waren die strengeren Kontrollen zuletzt sichtbar. Eine Sprecherin der Bundespolizei warb bei Pendlerinnen und Pendlern um Verständnis; Staus zu Stoßzeiten seien nicht auszuschließen. Man bemühe sich aber, die Auswirkungen auf den Grenz- und Pendlerverkehr so gering wie möglich zu halten. Wer nach Deutschland will, sollte am besten seinen Pass bereithalten, heißt es.

Neu sind intensivere Kontrollen und die Präsenz von Bundespolizisten an der Grenze nicht: Nach Jahren, in denen sie gerade in Südbaden kaum noch wahrnehmbar waren, wird die Grenze zur Schweiz schon seit Oktober 2023 wieder kontrolliert, aus Richtung Frankreich seit September 2024.

Oberbürgermeister von Straßburg und Kehl sind verärgert

Scharfe Kritik an dem neuen Vorgehen kommt von Kehls Oberbürgermeister Wolfram Britz und seiner Straßburger Amtskollegin Jeanne Barseghian. Die Kontrollen erschwerten das Leben von tausenden Pendlern, Schülerinnen und Schülern auf beiden Seiten, schreiben sie in einer gemeinsamen Erklärung. Auch die Bahngesellschaft SWEG rechnet momentan mit einer verlängerten Fahrzeit von 15 Minuten für jede Ortenau-S-Bahn – weil die Züge in Kehl während der Passkontrolle warten müssen.

"Seit mehr als drei Jahrzehnten haben uns unsere beiden Staaten aufgefordert, gemeinsame Infrastruktur und Synergien zu schaffen. Dem sind wir hier in Straßburg und Kehl in besonderer Weise nachgekommen und dadurch zu einem gemeinsamen Lebensraum zusammengewachsen, der nur noch als Einheit funktioniert", so Barseghian und Britz. Ihren Unmut richten sie direkt nach Berlin. Die neue Regierung müsse die Kontrollen so gestalten, "dass unser rheinüberschreitendes Zusammenleben weiterhin ermöglicht wird", fordern die beiden Rathauschefs.

Merz verteidigt strengere Regeln

Die Adressaten des Appells – Dobrindt und Kanzler Friedrich Merz (CDU) – geben sich dagegen wenig beeindruckt von Kritik aus unterschiedlichen Ecken des Landes: "Wir haben zu viel ungesteuerte Einwanderung zugelassen und zu viel gering qualifizierte Migration in unseren Arbeitsmarkt und vor allem in unsere sozialen Sicherungssysteme ermöglicht", sagte Merz am Mittwoch in seiner ersten Regierungserklärung im Bundestag. Mit den intensivierten Grenzkontrollen und mehr Zurückweisungen werde man nun für mehr Ordnung in der Migrationspolitik sorgen.

Nach Ansicht des Freiburger Migrationsexperten Constantin Hruschka sind die Zurückweisungen von Asylsuchenden dagegen unzulässig. "Das ist klar europarechtswidrig. Man darf diese Menschen nicht zurückweisen", sagt der Professor von der Evangelischen Hochschule. "Selbst wenn ich an der Grenze feststelle, dass jemand zum Beispiel schon in Griechenland Asyl beantragt hat, heißt das nicht, dass ich die Person nach Polen, Österreich oder die Schweiz zurückschicken darf. Denn die sind ja auch nicht zuständig." Auch in der Schweiz sieht man es so. Noch bevor die strengeren Kontrollen begannen, protestierte schon das Schweizer Justizministerium. Kernbotschaft: "Systematische Zurückweisungen an der Grenze verstoßen aus Sicht der Schweiz gegen geltendes Recht".

Polizeigewerkschafter: Kollegen arbeiten in Zwölf-Stunden-Schichten

Für die Bundespolizei bedeutet die neue Weisung aus Berlin vor allem eines: viel Arbeit. "Viele hundert Kolleginnen und Kollegen der Bereitschaftspolizei sind jetzt zusätzlich in den Grenzregionen im Einsatz", sagt Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei für den Bereich Bundespolizei. Das Stammpersonal vor Ort habe seine Dienstpläne umgestellt, arbeite nun teils in Zwölf-Stunden-Schichten, verzichte auf Fortbildungen und den Abbau von Überstunden. "Damit können wir für einige Wochen umgehen", sagt Roßkopf. Danach müsse die Politik sagen, wie es dauerhaft weitergehen soll.

Durch die neuen Regeln würden seine Kolleginnen und Kollegen aber auch mehr "Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit erkennen", sagt Roßkopf. "Jetzt sehen die Kollegen, dass sie aktiv handeln können." Eben weil ein Asylgesuch nicht mehr automatisch bedeute, dass jemand ins Land gelassen werden müsse. Auf Dauer wünscht sich der Gewerkschaftsvertreter mehr technische Unterstützung, um das Personal zu entlasten. Wichtig wären aus seiner Sicht Drohnen zum Überfliegen der grünen Grenze oder Geräte zur Kennzeichenerkennung. "Wir versuchen gerade, das Fehlen von moderner Technik durch ganz viel Personal auszugleichen", sagt Roßkopf.

Mehrheit der Deutschen stimmt Merz und Dobrindt zu

Rechtliche Unsicherheiten und knappes Personal – Dobrindt und Merz werden wohl noch Fragen beantwortet werden müssen. Erst einmal haben sie für ihren Schritt laut einer Umfrage aber eine Mehrheit der Deutschen hinter sich. 50 Prozent befürworten das neue Vorgehen "voll und ganz", 25 Prozent "eher", wie eine YouGov-Umfrage für die Deutsche Presse-Agentur ergab. Nur 16 Prozent lehnen die neue Regelung ab (neun Prozent machten keine Angabe).

Schlagworte: Friedrich Merz, Alexander Dobrindt, Andreas Roßkopf
Zeitungsartikel herunterladen Fehler melden

Weitere Artikel