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Zischup-Interview

"Mit den Fingern lesen"

Paula Kanziora, Klasse MRS 8, St. Ursula Schulen

Von Paula Kanziora, Klasse MRS 8, St. Ursula Schulen (Freiburg)

Mi, 23. Mai 2018 um 00:00 Uhr

Schülertexte

Was passiert an einer Schule, an der die Schüler nichts sehen können? Paula Kanziora aus der MRS 8 der St. Ursula Schulen in Freiburg hat das Anja Maier gefragt. Diese ist Sonderschullehrerin am Waldkircher SBBZ Förderschwerpunkt Sehen.

So sieht getippte Blindenschrift aus. Foto: Paula Kandziorra
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Zischup: Welche Kinder werden an Ihrer Schule unterrichtet?
Anja Maier: Wir sind eine Schule mit Förderschwerpunkt Sehen, das heißt es werden Kinder mit Sehbehinderung oder Blindheit unterrichtet. Die Schulart nannte sich früher Sonderschule, jetzt heißt es SBBZ, das steht für Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum.
Zischup: Aus welchen Wohnorten stammen die Schüler? Und wie kommen sie täglich zur Schule?
Maier: Das ist ganz unterschiedlich. Manche Schüler wohnen in Waldkirch und in der nahen Umgebung, andere Kinder müssen über eine Stunde zur Schule fahren. Alle Schüler werden mit einem Schulbus von Zuhause abgeholt. Es gibt bei uns auch ein Internat, in dem Schüler von Montag bis Freitag wohnen können.

Zischup: Welchen Schulabschluss können die Kinder an Ihrer Schule erwerben?
Maier: An unserer Schule gibt es verschiedene Bildungsgänge. Die Schüler werden entweder nach dem Bildungsplan der Werkrealschule, der Grundschule, der Förderschule oder der Schule für Geistigbehinderte unterrichtet. Dementsprechend gibt es auch unterschiedliche Schulabschlüsse, zum Beispiel den Werkrealschulabschluss. Außerdem gilt der Bildungsplan der Schule für Blinde und Sehbehinderte für alle Schüler, weil wir ja eine Schule mit Förderschwerpunkt Sehen sind.
Zischup: Wie groß sind die Klassen im Durchschnitt?
Maier: In unseren Klassen sind meistens zwischen fünf und zehn Schüler.

Zischup: Wie unterscheidet sich das Unterrichten von sehbehinderten und blinden Kindern im Vergleich zu Sehenden?
Maier: Viele Dinge sind genau wie bei allen Kindern. Je nach Bildungsgang haben die Schüler die üblichen Unterrichtsfächer, zum Beispiel Mathe, Deutsch oder Sachunterricht, die Schüler schreiben Klassenarbeiten, es gibt Hausaufgaben, Klassenregeln, Pausen. Vieles ist jedoch auch anders. Es ist zum Beispiel blind viel schwieriger, in Mathe ein Quadrat zu zeichnen und mit dem Geodreieck umzugehen. Deshalb gibt es dafür spezielle Materialien und es wird exemplarischer gearbeitet, das heißt die Schüler bekommen mehr Zeit oder müssen weniger Aufgaben machen. Manchmal muss man für den Unterricht auch andere Wege einschlagen: So ist es zum Beispiel in Sachunterricht beim Thema Bäume für manche schwierig, auf Schulbuch-Fotos die Unterschiede von Laubblättern zu erkennen. Deshalb wird mehr handlungsorientiert und mit echten Gegenständen gearbeitet, das heißt wir gehen in den Wald und entdecken, wie unterschiedlich die Baumrinde und die Blätter der einzelnen Bäume aussehen, riechen und sich anfühlen. Lesen und Schreiben lernen die Kinder ganz normal. Blinde Kinder lernen natürlich die tastbare Blindenschrift, die auch Punktschrift oder Brailleschrift genannt wird. Sehbehinderte Kinder bekommen Lesetexte teilweise vergrößert oder sie lesen mit Hilfsmitteln.

Zischup: Mit welchen Hilfsmitteln lesen sehbehinderte und blinde Kinder?
Maier: Sehbehinderte Kinder können unterschiedliche Hilfsmittel zum Lesen verwenden, zum Beispiel verschiedene Lupen oder Bildschirmlesegeräte, damit kann ein Text vergrößert auf einem Bildschirm dargestellt werden. Mittlerweile kann man zum Beispiel auch ein Tablett zur Vergrößerung verwenden. Blinde Kinder brauchen nur ihre Finger zum Lesen. Entweder wir drucken die Lesetexte in der tastbaren Punktschrift aus oder die Schüler lesen am Computer an einer Braillezeile. Das ist wie eine zusätzliche Zeile auf der Tastatur, auf der die tastbaren Punkte der Blindenschrift mit Hilfe einer Software erscheinen.
Zischup: Was machen die Kinder in Ihrer Klasse besonders gerne?
Maier: Die Schüler in meiner Klasse singen gerne, sie spielen in den Pausen viel mit Lego und sie machen besonders gerne und besonders viel Quatsch.

Zischup: Warum sind Sie Lehrerin für sehbehinderte und blinde Kinder geworden?
Maier: Mich hat schon immer fasziniert, wie blinde und sehbehinderte Menschen lesen, kochen oder selbstständig unterwegs sein können, und ich wollte gerne mit Kindern arbeiten, weshalb mir die Entscheidung für diesen Beruf leicht fiel.
Zischup: Was macht Ihnen an ihrer Arbeit besonders Spaß?
Maier: Mir macht es viel Freude, die Schüler beim Lernen zu begleiten, Fortschritte zu sehen, gemeinsam zu lachen und Spaß in der Schule zu haben. Jeder Tag ist eine Überraschung, denn es kann immer anders kommen, als man geplant hat und deshalb wird es nie langweilig.

Ressort: Schülertexte

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