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Bielefeld / Bonn

Museum zeigt, was Menschen verschluckt haben

  • dpa

  • Do, 27. Oktober 2016, 00:00 Uhr
    Panorama

Von Fünfmarkstücken über Rasierklingen bis hin zu Löffelteilen: Alles, was er aus den Mägen seiner Patienten geholt hat, zeigt ein ehemaliger Arzt in seiner Sammlung.

Mediziner Siegfried Ernst Miederer kan... in einem Museum ausgestellt werden.    | Foto: dpa
Mediziner Siegfried Ernst Miederer kann viel zu den Fundstücken erzählen, die auch in einem Museum ausgestellt werden. Foto: dpa
"Die vielen Löffelstiele hat ein Mann verschluckt. Er war Insasse einer Justizvollzugsanstalt bei Bonn und erhoffte sich dadurch Abwechslung vom Gefängnis-Alltag." Der Bielefelder Mediziner Siegfried Ernst Miederer zeigt auf eine ganze Reihe von Metall-Stielen. Den Löffel hatte der "arme Schlucker", wie der 74-jährige Mediziner im Ruhestand ihn lächelnd nennt, abgebrochen, um den gut zehn Zentimeter langen Rest vom Besteck besser durch die Speiseröhre zu bekommen. Zwei Wochen konnte er im Krankenhaus verbringen.

Die Löffelstiele hat Miederer behalten und gesammelt. Fast wirken sie wie eine Trophäensammlung, wenn er sie, aufgereiht neben Rollmopsspießen, Knöpfen und Schlüsseln, auf einem Tablett präsentiert. Miederer arbeitete an der Medizinischen Poliklinik der Universität Bonn mit an der Entwicklung des ersten Desinfektionsgerätes für flexible Endoskope, mit denen man seit 1958 verschluckte Gegenstände ohne Operation zutage fördern kann. Heute ist es ausgestellt in der Bonner Zweigstelle des Deutschen Museums – neben einer Reihe von "Magen-Funden" aus der Sammlung von Miederer. Den Sensationscharakter zwischen Ekel und Staunen nutzt das Museum, um die Aufmerksamkeit auf die Geschichte der Endoskopie zu lenken.

Zu jedem seiner kuriosen Fundstücke kann der Ex-Chefarzt einer Bielefelder Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie eine Geschichte erzählen: etwa zu dem Fünfmarkstück, das ein Lehrersohn beim Raufen mit dem älteren Bruder aus Versehen verschluckt hatte – und das der Vater sofort in die eigne Hosentasche steckte, nachdem der Arzt es aus dem Magen geholt hatte. "Ich musste ihm erst einen Fünfer aus meinem eigenen Portemonnaie geben, bevor er mir die Münze für meine Sammlung überließ", erzählt Miederer, der ein Buch rund um die Fundstücke geschrieben hat. Darin berichtet er auch über die Batterie, die ein Junge bei einem Rennen mit Spielzeugautos verschluckt hat. Er hatte die Batterie aus dem Wagen seines sechsjährigen Konkurrenten heimlich im Mund versteckt, um seine Gewinnchancen zu verbessern – und sie nach einem freundschaftlichen Stupser vom Rennstall-Kollegen aus Versehen geschluckt.

Nicht immer gehen solche Zwischenfälle glimpflich aus. "Problematisch wird es, wenn sich runde Gegenstände auf den Kehlkopf legen. Dann besteht Erstickungsgefahr", sagt Miederer. Im Zweifelsfall sollte deshalb ein Arzt aufgesucht werden. So mancher kleine Gegenstand findet jedoch von ganz allein den Weg zurück ans Tageslicht und benötigt dabei keine Unterstützung – außer vielleicht eine ordentliche Portion Kartoffelbrei und einige Gläser Wasser.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 27. Oktober 2016: PDF-Version herunterladen

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