Interessenausgleich

Oberkirch will bei Konflikten um geplante Windkraftanlagen auf dem Schwend neue Wege gehen

In Oberkirch startet ein dialogisches Beteiligungsverfahren. Ein Bürgerforum soll helfen, Bedürfnisse zu klären und den Konflikt um den Bau zweier Windkraftanlagen zu entschärfen.  

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Grafische Aufarbeitung der dialogischen Bürgerbeteiligung  | Foto: BZ
Grafische Aufarbeitung der dialogischen Bürgerbeteiligung Foto: BZ

Bevor am 20. Juli der Bürgerentscheid über zwei mögliche Windräder auf den Höhen zwischen Oberkirch und Kappelrodeck ansteht, wagt die Stadt einen ungewöhnlichen Schritt: Per Los ausgewählte Bürgerinnen und Bürger sollen helfen der hitzigen Debatte den Wind aus den Rotorblättern zu nehmen. Das Verfahren nennt sich "Dialogische Bürgerbeteiligung" – und hat zum Ziel, so Ulrich Arndt von der dafür zuständigen Servicestelle des Landes Baden-Württemberg, "die eher leise Mehrheit hör- und sichtbar machen". Die Fragestellung des Bürgerentscheids lautet: "Sind Sie gegen die Verpachtung kommunaler Flächen im Waldgebiet auf der Schwend zur Errichtung von Windenergieanlagen?"

"Durch das Internet gelingt es oft kleinen, lauten Gruppen, den Diskurs für sich zu vereinnahmen", erklärte Ulrich Arndt bei der Auftakt-Veranstaltung in der Mediathek in Oberkirch. Die Folge seien Schwarz-Weiß-Denken, wenig Verständnis für die Argumente der Gegenseite. Oberbürgermeister Gregor Bühler (CDU) möchte, dass sich die Oberkircher auch nach dem Bürgerentscheid noch in die Augen sehen können, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt. Mit Zustimmung des Gemeinderats bat er deshalb die Servicestelle Dialogische Bürgerbeteiligung, die Stadt durch ein mediatives Verfahren zu unterstützen. Kritische Stimmen sollen dabei zu Wort kommen. Im Vorfeld gehe es, so Arndt, darum, die verschiedenen Konflikttypen zu erkennen.

Alle Tische im Saal der Mediathek waren besetzt. Alle kamen zu Wort. Die Servicestelle hatte eine Themenlandkarte vorbereitet, ein breites Spektrum an Aspekten rund um die Überschrift "Windkraft in Oberkirch/Schwend". Diese Karte galt es für das anstehende Bürgerforum zu ergänzen. Die geplanten Windräder sollen an der Gemarkungsgrenze Oberkirchs stehen. Die unmittelbar betroffenen Ortschaften und Höfe auf den Höhen der Schwend sind daher vom Bürgerentscheid ausgeschlossen. Sie können ihre Stimme aber während des Mediationsverfahrens erheben.

Es kamen Hinweise zu den harten Konsequenzen eines Verzichts auf die Windräder. Das Stichwort "Transparenz" spielte bei vielen Beiträgen eine große Rolle. Für die Experten des Kompetenzzentrums für die Bürgerbeteiligung wurde schnell klar: In Oberkirch geht um einen Verteilungskonflikt. Die Stadt hat den Nutzen, die Anrainer die Lasten. Die Oberkircher wollen sich nun Rat holen bei vergleichbaren Windkraftprojekten.

"Alle Seiten haben recht – und genau das müssen wir in einer Demokratie aushalten lernen", betont Arndt. "Zufallsbürger" könnten hier bei der Meinungsfindung helfen. Ihre Zahl sei zwar nicht repräsentativ, doch weil sie keiner Lobby angehörten, spiegelten sie ein vielfältiges Bild der sonst schweigenden Mehrheitsmeinung wider.

Die Landesgesetzgebung erlaubt Bürgerforen seit 2021 ausdrücklich als drittes Beteiligungsformat neben direkter Demokratie und formeller Öffentlichkeitsbeteiligung. Ulrich Arndt verweist auf die guten Erfahrungen anderer Kommunen: Wo vor einem Bürgerentscheid ein dialogisches Forum stattfand, seien die gesellschaftlichen Gräben nachher spürbar kleiner gewesen. In der zweiten Phase der Dialogischen Bürgerbeteiligung können von 4. bis 25. Juni erst einmal alle Interessierten aus Oberkirch und den umliegenden Gemeinden die nun aktualisierte Themenkarte online kommentieren. Parallel dazu werden aktuell etwa 30 bis 40 "Zufallsbürger" nach Geschlecht, Alter und Bildung möglichst ausbalanciert ausgewählt. Sie treffen sich ab Ende Juni in moderierten Sitzungen und erhalten dort Informationen von ganz unterschiedlichen Sachverständigen. Deren Statements werden per Video aufgezeichnet und sind ebenfalls öffentlich abrufbar. Wer gelost ist, darf die Teilnahme auch ablehnen; es werden mehr als 1000 Menschen angeschrieben.

Um dem Bürgerforum einen geschützten Raum zu geben, bleibt die Beratung vertraulich. Es gehe darum, ein Ranking der vordringlichsten Pro- und Contra-Argumente zu erstellen, betont Arndt: "Zufallsbürger entscheiden nicht, ob das Windrad kommt, sie sagen, welches Bedürfnis mehr wiegt." Eine gut abgewogene Entscheidung gelingt dann, so Arndt, wenn Bürgerinnen und Bürger die Informationsangebote auch nutzen. Das Ergebnis wird spätestens zehn Tage vor dem Bürgerbescheid am 10. Juli bekannt gegeben. Ob die "Dialogische Bürgerbeteiligung" den Diskurs versachlicht, zeigt sich erst nach dem Bürgerentscheid am 20. Juli. Arndt ist optimistisch: "Wir stärken damit nicht nur das Verständnis für unterschiedliche Argumente, sondern letztlich auch unsere repräsentative Demokratie."

Link zur Online-Beteiligung ab Mittwoch, 4. Juni: https://mehr.bz/windkraftdialog

Schlagworte: Ulrich Arndt, Gregor Bühler
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