Planschen auf Rädern
Ein Schwimmbad auf Rädern? Gibt es tatsächlich. Die "Wundine" wird dahin gebracht, wo sie gebraucht wird. Eigentlich müsste sie überall stehen.
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Als Sattelauflieger steht das fahrbare Bad mit Namen "Wundine" derzeit auf einem Parkplatz hinter dem Marbacher Hermann-Zanker-Bad, dem einzigen Schwimmbad in der Stadt am Neckar. Ein Ort, wie er symbolischer nicht sein könnte. Seit dem Sommer können Schwimmer dort nicht mehr ihre Bahnen ziehen. Ein Gutachten hatte eine lange Mängelliste zusammengestellt – vom Brandschutz bis zum Personalmangel. Die Stadt zog die Reißleine und schloss das weit mehr als 50 Jahre alte Hallenbad. Kein Bad, keine Kurse. Schulen müssen jetzt Umwege in Kauf nehmen.
Das Zanker-Bad ist kein Einzelfall. Von den bundesweit mehr als 6000 Hallen- und Freibädern machen nach Rechnung der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) etwa 80 jährlich dicht. Eine Folge des Bädersterbens: Immer weniger Kinder können sich über Wasser halten. Nach DLRG-Angaben haben von den Zehnjährigen 59 Prozent nicht gelernt, sicher zu schwimmen. Das liege vor allem daran, dass immer mehr Schwimmunterricht ausfällt, heißt es bei der DLRG. Es drohe eine Gesellschaft von Nichtschwimmern.
Hier setzt die "Wundine" ein, in der Norman gerade mit den anderen fünf Jungen und Mädchen seines Kurses zum Kinderlied-Klassiker "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad" durchs Wasser tollt. "Wir wollen eine Lücke füllen", sagt der Geschäftsführer der Stiftung, Christoph Palm. Grundschulen und Kindertageseinrichtungen sollen beim Schwimmunterricht unterstützt werden, sofern sie keinen Zugang zu einem Schwimmbad haben. In den ausrangierten und umgebauten Anhänger passt nicht nur das sechs Meter lange und zwei Meter breite Schwimmbecken, auch eine Umkleide, zwei Duschen und eine Toilette gibt es. Der Unterricht ist für die Kinder und Eltern kostenlos, die Städte müssen für Strom und Wasser aufkommen. Dazu sind sie – wie es scheint – nur allzu gerne bereit. Denn die "Wundine"-Warteliste ist lang. Die Namen von 70 Kommunen finden sich darauf, bis ins Jahr 2025 hinein ist das Becken ausgebucht. Deshalb soll nun ein zweites "Bonsai-Bad" ab Januar für etwas Entlastung sorgen. Mit zwei bislang nur geplanten weiteren "Wundinen", die das Land Baden-Württemberg in Auftrag gegeben hat, wären dann absehbar schon vier mobile Bäder im Südwesten Deutschlands und darüber hinaus unterwegs. "Das Wasser muss dahin kommen, wo es die Kinder brauchen", sagt Andreas Schaffer, Mitarbeiter des "Wundine"-Projekts.
Im Becken des Bads sammeln viele Kinder überhaupt das erste Mal auf eigene Faust eigene Erfahrungen mit tieferem Wasser. "Hier geht es um Wassergewöhnung und Wasserbewältigung", erklärt Stephanie Spohner von der Deutschen Kinder Sport Akademie, dem Projektpartner der Josef Wund Stiftung. "Sie sollen hier lernen zu schwimmen, zu gleiten, oben zu bleiben." Denn keines der Kinder in den Fünf-Tages-Kursen, die die Stiftung anbietet, kann bereits schwimmen, wenn es zum ersten Mal den ungewöhnlichen Lkw-Anhänger betritt.
In Marbach steht das rollende Mini-Schwimmbad noch bis Ende Oktober, dann zieht es weiter. Nolans Mutter Sarah-Lee Geier wartet vor der "Wundine" geduldig auf ihre beiden Kinder. Die junge Frau aus dem Marbacher Ortsteil Rielingshausen ist dankbar für das Bad auf Rädern. "Wir hätten sonst nach Steinbach ins Freibad fahren müssen", sagt sie. "Das ist immer eine Viertelstunde und es hat seit Mitte September zu."
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