Pleiten, Pech und viele Altlasten
Christine Lambrecht hat als Verteidigungsministerin mehrere Fehler gemacht. Vor allem vermittelte sie der Truppe den Eindruck, dass sie sich gar nicht so recht für die Bundeswehr interessiere.
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Dieser irritierende Auftritt war vielleicht der eine Fehler zu viel. Nun steht Christine Lambrecht vor dem Rücktritt. Doch auch in diesem Moment zeigt die SPD-Politikerin, dass sie eine Ministerin ist, mit der das Land Dinge erlebt, die es nicht geben sollte. Diesmal ist es ein Rücktritt in der Schwebe, der einerseits von den Beobachtern der Politik in Berlin als sicher angenommen wird, der aber andererseits auf Vollzug wartet.
Am Freitag hatte die Bild-Zeitung gemeldet, Lambrecht sei entschlossen zurückzutreten. Andere Medien zogen nach, darunter der Spiegel, der sich auf das Umfeld der Ministerin berief. Seitdem gab es weder eine Bestätigung noch ein Dementi, das nötig gewesen wäre, wenn Lambrecht weitermachen wollte.
Es ist viel zusammengekommen in ihrer nun mehr als einjährigen Amtszeit, was auch Unterstützung in den eigenen Reihen gekostet hat. Lambrecht nahm ihren Sohn im Helikopter mit, als sie zu einem Truppenbesuch flog – der auch noch verdächtig gut auf dem Weg zum eigenen Urlaubsort lag. Vor allem aber verfestigte sich nach und nach in der Truppe der Eindruck, dass die 57-Jährige sich gar nicht so recht für die Bundeswehr interessiert.
Der Weg Christine Lambrechts zur Verteidigungsministerin war ungewöhnlich. Im September 2020 hatte sie erklärt, dass sie nicht noch einmal für den Bundestag kandidieren wolle. Da war sie Bundesjustizministerin. Es sah danach aus, als würde die SPD in der kommenden Legislaturperiode in einer Regierung keine Rolle spielen. Dann aber folgte die unglaubliche Geschichte des Wahlsiegs von Olaf Scholz. Lambrecht ließ sich in der Zeit nach der Wahl viel auf Terminen blicken, sie signalisierte, dass sie doch gern Ministerin bliebe. Das Innenressort hätte ihr gefallen. Scholz, der angekündigt hatte, sein Kabinett paritätisch mit Frauen und Männern zu besetzen, schätzte Lambrecht. Er bot ihr aber nicht das Innen-, sondern das Verteidigungsministerium an. Sie griff zu, und die unglückselige Zeit Lambrechts im Verteidigungsministerium begann: mit Pleiten, Pech, aber auch vielen Altlasten der Vorgänger.
Doch warum schweigt Lambrecht nun zu ihrem erwarteten Rücktritt? Will sie sich den Zeitplan nicht von außen aufzwingen lassen? Soll der Kanzler die Chance haben, erst die Nachfolge zu regeln? Es gibt für Scholz eine Reihe Optionen. Dabei muss er die Grundsatzentscheidung treffen, ob er daran festhält, das Kabinett gleichermaßen mit Frauen und Männern zu besetzen. Tut er dies, spräche viel für die Wehrbeauftragte Eva Högl. Die Sozialdemokratin gehörte nie zum engeren Umfeld von Scholz. Und: Paradoxerweise warf man auch Högl, als sie im Jahr 2020 Wehrbeauftragte wurde, vor, sie sei nicht vom Fach. Nach allgemeiner Einschätzung ist die 54-Jährige heute bestens im Thema. Sie könnte die Interessen des Ministeriums selbstbewusst vertreten. Als Wehrbeauftragte hat sie am Wochenende die Frage aufgeworfen, ob es in Wahrheit nicht 300 Milliarden Euro für die Bundeswehr brauche – statt allein das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro.
Als Option gilt auch die parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller. Sie stünde nicht zwingend für einen Neuanfang. Bei den Männern gelten Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt, Arbeitsminister Hubertus Heil und SPD-Chef Lars Klingbeil als Kandidaten. Da das Kanzleramt die Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine eng an sich gezogen hat, kennt sich Schmidt in Verteidigungsfragen gut aus. Er wird aber auf seinem derzeitigen Posten gebraucht. Arbeitsminister Hubertus Heil ist der Job zuzutrauen – ein Verteidigungsexperte ist er aber nicht. Als solcher gilt der aus einer Soldatenfamilie stammende SPD-Chef Lars Klingbeil. Die CDU ruft den Kanzler zu einer schnellen Entscheidung auf. Scholz schweigt bislang.
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