Eritrea-Veranstaltung
Politik fordert harte Konsequenzen nach Ausschreitungen in Stuttgart

Die Polizei hat die Verdächtigen nach den Stuttgarter Ausschreitungen eingekesselt und festgenommen. Nur einer sitzt jetzt im Gefängnis. Die Politik fordert ein hartes Vorgehen gegen die Krawallmacher.
Nach den massiven Ausschreitungen am Rande einer Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart sind 227 der 228 zwischenzeitlich festgenommenen mutmaßlichen Krawallmacher wieder frei. Das teilte der Stuttgarter Polizeivizepräsident Carsten Höfler am Sonntag mit. Die Polizei hatte die Männer eingekesselt und bis in den späten Samstagabend die Personalien aufgenommen. Ein mutmaßlicher Täter sollte am Sonntag dem Haftrichter vorgeführt werden. Er sei bereits bei einer ähnlichen Auseinandersetzung im hessischen Gießen auffällig gewesen. Höfler sprach von einem "Gewaltexzess". Bundes- und Landespolitiker verurteilten die Gewalt und forderten Konsequenzen.
Am Rande einer Veranstaltung von Eritrea-Vereinen in Stuttgart war es am Samstag zu heftigen Ausschreitungen gekommen. Die rund 80 bis 90 Teilnehmer der Veranstaltung stünden der Diktatur in Afrika nahe, teilte die Polizei mit. Mehrere Hundert Gegner der dortigen Regierung hatten sich zum Protest in der Stadt versammelt. Am Veranstaltungsort, dem Römerkastell, kam es zu Krawall. Gegner der Veranstaltung griffen Teilnehmer und vor allem Polizeibeamte an. Dazu setzten sie teils mit Nägeln bestückte Holzlatten, Metallstangen, Flaschen und Steinen ein.
Gegen die 228 Verdächtigen wird nun wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs, schweren Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffs, wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung sowie gefährlicher Körperverletzung und Diebstahl ermittelt, wie die Polizei mitteilte.
Die Polizei wehrte sich mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen Angriffe. Die Beamten zeigten sich überrascht vom Ausmaß der Gewalt. Zusätzliche Kräfte wurden aus umliegenden Polizeipräsidien sowie von der Bundespolizei angefordert. Auch mit dem Hubschrauber wurden Beamte eingeflogen. 27 Polizeibeamte wurden verletzt. Höfler berichtete von Prellungen, auch am Kopf, sowie von Schürf- und Fleischwunden. Sechs Beamte wurden den Angaben zufolge im Krankenhaus behandelt. Fünf Polizisten konnten ihren Dienst den Angaben zufolge nicht weiter ausführen. Zudem seien 21 der mutmaßlichen Straftäter verletzt worden.
300 Beamte seien insgesamt am Samstag im Einsatz gewesen, berichtete die Polizei. Die Teilnehmer des Eritrea-Treffens seien unter Polizeischutz nach dem Ende der Veranstaltung vom Ort des Geschehens eskortiert worden. Höfler berichtete, es gebe häufiger derartige Veranstaltungen in Stuttgart, allein fünf im Jahr 2022. Diese seien im Wesentlichen völlig störungsfrei verlaufen. Deshalb habe man die Veranstaltung zu Beginn nur mit 20 Beamten abgesichert. Man habe sich dann polizeitaktisch und personell neu ordnen müssen. Es sei aber gelungen, die Teilnehmer der Veranstaltung zu jeder Zeit zu schützen. Nun habe man eine 15-köpfige Ermittlungsgruppe mit dem Namen Asmara eingerichtet. Asmara ist die Hauptstadt von Eritrea.
Eritrea mit seinen rund drei Millionen Einwohnern liegt im Nordosten Afrikas am Roten Meer und ist international weitgehend abgeschottet. Seit einer in einem jahrzehntelangem Krieg erkämpften Unabhängigkeit von Äthiopien vor 30 Jahren regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Parteien sind verboten, die Meinungs- und Pressefreiheit stark eingeschränkt. Es gibt weder ein Parlament noch unabhängige Gerichte oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Zudem herrscht ein strenges Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem, vor dem viele Menschen ins Ausland fliehen.
Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl will sich am Montag beim Polizeipräsidium Stuttgart über den Einsatz informieren. Zudem bot der CDU-Politiker an, am Mittwoch dem Innenausschuss des Landtags über die Ereignisse zu berichten. "Es geht hier um Landfriedensbruch - deshalb müssen die Gewalttäter jetzt auch die volle Härte des Strafrechts und des Ausländerrechts zu spüren bekommen", sagte Strobl.
Die Grünen-Fraktion im Landtag forderte eine polizeiliche, juristische und politische Aufarbeitung. "Warum gingen bei den Verantwortlichen bei der Anmeldung einer Eritrea-Veranstaltung nicht alle Alarmlampen an - gerade im Lichte der Ereignisse vom Juli in Gießen?", fragten Fraktionschef Andreas Schwarz und der innenpolitische Sprecher Oliver Hildenbrand in einer Mitteilung.
Die Personalien fast aller Tatverdächtigen sind nach Polizeiangaben zwischenzeitlich abgeklärt worden. Überwiegend kämen die Verdächtigen aus um dem Umland von Stuttgart, sagte Polizeivizepräsident Höfler. Nur wenige seien aus Stuttgart selbst. 63 mutmaßliche Gegner des Regimes in Eritrea seien aus der Schweiz angereist. "Das hat uns überrascht", sagte Höfler. Teils seien auch Personen aus dem hessischen Gießen angereist. 212 der Verdächtigen hätten die eritreische Staatsbürgerschaft, sieben Verdächtige seien deutsch mit eritreischen Wurzeln. Bei den Festgenommenen handele es sich um 219 Männer und eine Frau. Bei acht Personen müssten noch die Personalien festgestellt werden.
Im Juli war es bereits in Gießen zu Ausschreitungen bei einem Eritrea-Festival gekommen. Mindestens 26 Polizisten waren damals verletzt worden, als Gegner der Veranstaltung Sicherheitskräfte mit Stein- und Flaschenwürfen attackierten und Rauchbomben zündeten. In Stockholm kam es im August bei einem Eritrea-Festival zu gewalttätigen Ausschreitungen mit mehr als 50 Verletzten.
Die Polizei geriet aus eigener Sicht bei den Ausschreitungen in Stuttgart zwischen die Fronten von Anhängern und Gegnern des eritreischen Regimes. "Wir standen als Prellbock dazwischen. Die pure Gewalt hat sich gegen uns gerichtet, gegen den Staat", sagte Höfler.
Der Einsatz verdeutlicht aus Sicht der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) die personellen Probleme der Polizei. "Gut, dass wir dort Hilfe aus anderen Polizeipräsidien und der Bundespolizei bekommen haben", teilte Landeschef Ralf Kusterer mit. Aber das dauere oft sehr lange. Er kritisierte, der Staat sei schwach. "Das müssen wir ändern. Auch weil ein demokratischer Staat durch diesen schwachen Staat gefährdet ist." Der öffentliche Dienst und die Polizei müssten endlich gestärkt werden.
Kusterer kritisierte, dass die unangemeldete Gegendemonstration zu dem Eritrea-Treffen eine Demonstrationsfläche zugewiesen bekommen habe, sich aber nicht daran gehalten habe. "Wir machen uns hier zum Affen. Dabei müssten wir unser Demonstrations- und Versammlungsrecht schützen und stärken. Dazu müssen wir konsequent durchgreifen. Wer sich nicht daran hält, verwirkt sein Recht darauf."
Die Stadt Stuttgart will zeitnah mit den betroffenen Gruppen Kontakt aufnehmen. "Wir werden nächste Woche sofort mit den in Stuttgart ansässigen Vereinen das Gespräch suchen", teilte der städtische Integrationsbeauftragte Gari Pavkovic mit. "Unsere Linie in den regelmäßigen Gesprächen mit den verschiedenen Migrantenorganisationen ist, dass wir in Stuttgart keine Auseinandersetzungen und Ausschreitungen zu den Konflikten in den Herkunftsländern dulden."
Die Stadt selbst hatte den Veranstaltungsraum an die Eritrea-Vereine vermietet. "Es lagen keine Gründe für ein Verbot der heutigen Eritrea-Veranstaltung vor", teilte die Stadt mit. "Versammlungen im geschlossenen Raum sind nicht anmeldepflichtig." Die Stadt werde aber Konsequenzen aus den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft ziehen.
Zu Zusammenstößen zwischen Eritreern verschiedener politischer Ausrichtung wie nun in Stuttgart kam es jüngst in einigen Städten weltweit. In Tel Aviv ging es vor zwei Wochen besonders gewalttätig zu. Dort wurden mehr als 170 Menschen verletzt, darunter fast 50 Polizisten; 15 Verletzte mussten mit Schussverletzungen in Kliniken, nachdem Sicherheitskräfte das Feuer eröffnet hatten.
Der Hintergrund: Eritreas Botschaften organisieren derzeit überall in der Welt Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag des zweitjüngsten Staats in Afrika. Dort gab es noch nie eine Wahl und nur einen Präsidenten, den heute 77-jährigen Isaias Afwerki. Deshalb ist vielen Eritreern nicht zum Feiern zumute, was vor allem auf die 600.000 aus dem Armutsstaat Geflohenen zutrifft. Die meisten von ihnen zog es nach Europa, wo sie auf Landsleute treffen, die bereits während des 30-jährigen Bürgerkriegs geflohen waren: Zwischen 1961 und 1991 hatte ein Drittel der Eritreer Zuflucht im Ausland gesucht.
Weil sie die eritreischen Zustände nicht am eigenen Leib erfuhren, sind die Exilanten der ersten Generation ihrer alten Heimat gegenüber oft weniger kritisch eingestellt. Sie müssen außerdem befürchten, dass sie selbst oder ihre Kinder keinen Pass und kein Visum für einen Besuch in Eritrea erhalten, falls sie sich im Exil nicht loyal verhalten.
Die Diktatur am Horn von Afrika wird oft als "Afrikas Nordkorea" bezeichnet. Asylsuchende in Europa berichten, durch ihre Botschaft eingeschüchtert zu werden. Zu Hause gebliebene Eritreer werden zur Rechenschaft gezogen, wenn ein Familienangehöriger illegal das Land verlässt. Von den politischen Verhältnissen redet kein Eritreer gern, weil es zu gefährlich ist: Dass die Wehrpflicht für Männer etwa kein Enddatum hat, dass – wer sich ihr entzieht – in einem der angeblichen unterirdischen Gefängnisse eingesperrt wird.
Gegen Kritik aus dem Ausland ist der isolierte Staat praktisch immun. Eritrea erhält kaum Entwicklungshilfe, Afwerkis Ziel ist es, autark zu sein, auch wenn das bitterste Armut bedeutet. Nur in einer Hinsicht arbeitet die EU mit dem Alleinherrscher zusammen: Wenn es um die Kontrolle der Migrationsbewegungen geht. (Johannes Dieterich)
Attacken auf Polizeibeamte
Am Rande einer Veranstaltung von Eritrea-Vereinen in Stuttgart war es am Samstag zu heftigen Ausschreitungen gekommen. Die rund 80 bis 90 Teilnehmer der Veranstaltung stünden der Diktatur in Afrika nahe, teilte die Polizei mit. Mehrere Hundert Gegner der dortigen Regierung hatten sich zum Protest in der Stadt versammelt. Am Veranstaltungsort, dem Römerkastell, kam es zu Krawall. Gegner der Veranstaltung griffen Teilnehmer und vor allem Polizeibeamte an. Dazu setzten sie teils mit Nägeln bestückte Holzlatten, Metallstangen, Flaschen und Steinen ein.
Gegen die 228 Verdächtigen wird nun wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs, schweren Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffs, wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung sowie gefährlicher Körperverletzung und Diebstahl ermittelt, wie die Polizei mitteilte.
300 Beamte im Einsatz
Die Polizei wehrte sich mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen Angriffe. Die Beamten zeigten sich überrascht vom Ausmaß der Gewalt. Zusätzliche Kräfte wurden aus umliegenden Polizeipräsidien sowie von der Bundespolizei angefordert. Auch mit dem Hubschrauber wurden Beamte eingeflogen. 27 Polizeibeamte wurden verletzt. Höfler berichtete von Prellungen, auch am Kopf, sowie von Schürf- und Fleischwunden. Sechs Beamte wurden den Angaben zufolge im Krankenhaus behandelt. Fünf Polizisten konnten ihren Dienst den Angaben zufolge nicht weiter ausführen. Zudem seien 21 der mutmaßlichen Straftäter verletzt worden.
300 Beamte seien insgesamt am Samstag im Einsatz gewesen, berichtete die Polizei. Die Teilnehmer des Eritrea-Treffens seien unter Polizeischutz nach dem Ende der Veranstaltung vom Ort des Geschehens eskortiert worden. Höfler berichtete, es gebe häufiger derartige Veranstaltungen in Stuttgart, allein fünf im Jahr 2022. Diese seien im Wesentlichen völlig störungsfrei verlaufen. Deshalb habe man die Veranstaltung zu Beginn nur mit 20 Beamten abgesichert. Man habe sich dann polizeitaktisch und personell neu ordnen müssen. Es sei aber gelungen, die Teilnehmer der Veranstaltung zu jeder Zeit zu schützen. Nun habe man eine 15-köpfige Ermittlungsgruppe mit dem Namen Asmara eingerichtet. Asmara ist die Hauptstadt von Eritrea.
Eritrea mit seinen rund drei Millionen Einwohnern liegt im Nordosten Afrikas am Roten Meer und ist international weitgehend abgeschottet. Seit einer in einem jahrzehntelangem Krieg erkämpften Unabhängigkeit von Äthiopien vor 30 Jahren regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Parteien sind verboten, die Meinungs- und Pressefreiheit stark eingeschränkt. Es gibt weder ein Parlament noch unabhängige Gerichte oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Zudem herrscht ein strenges Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem, vor dem viele Menschen ins Ausland fliehen.
"Die Bilder der brutalen Ausschreitungen mit gezielten Angriffen gegen die Polizei verstören und sind völlig inakzeptabel" Winfried Kretschmann
"Ausländische Konflikte dürfen nicht in unserem Land ausgetragen werden", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Die Gewalttäter müssten zur Verantwortung gezogen werden. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte sich schockiert. "Die Bilder der brutalen Ausschreitungen mit gezielten Angriffen gegen die Polizei verstören und sind völlig inakzeptabel", teilte der Grünen-Politiker mit. "Wir dulden nicht, dass Konflikte aus anderen Ländern gewaltsam bei uns ausgetragen werden und werden dem mit aller Härte entgegentreten." Wer Einsatzkräfte angreife, greife den Rechtsstaat an.Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl will sich am Montag beim Polizeipräsidium Stuttgart über den Einsatz informieren. Zudem bot der CDU-Politiker an, am Mittwoch dem Innenausschuss des Landtags über die Ereignisse zu berichten. "Es geht hier um Landfriedensbruch - deshalb müssen die Gewalttäter jetzt auch die volle Härte des Strafrechts und des Ausländerrechts zu spüren bekommen", sagte Strobl.
Die Grünen-Fraktion im Landtag forderte eine polizeiliche, juristische und politische Aufarbeitung. "Warum gingen bei den Verantwortlichen bei der Anmeldung einer Eritrea-Veranstaltung nicht alle Alarmlampen an - gerade im Lichte der Ereignisse vom Juli in Gießen?", fragten Fraktionschef Andreas Schwarz und der innenpolitische Sprecher Oliver Hildenbrand in einer Mitteilung.
Die Personalien fast aller Tatverdächtigen sind nach Polizeiangaben zwischenzeitlich abgeklärt worden. Überwiegend kämen die Verdächtigen aus um dem Umland von Stuttgart, sagte Polizeivizepräsident Höfler. Nur wenige seien aus Stuttgart selbst. 63 mutmaßliche Gegner des Regimes in Eritrea seien aus der Schweiz angereist. "Das hat uns überrascht", sagte Höfler. Teils seien auch Personen aus dem hessischen Gießen angereist. 212 der Verdächtigen hätten die eritreische Staatsbürgerschaft, sieben Verdächtige seien deutsch mit eritreischen Wurzeln. Bei den Festgenommenen handele es sich um 219 Männer und eine Frau. Bei acht Personen müssten noch die Personalien festgestellt werden.
Im Juli war es bereits in Gießen zu Ausschreitungen bei einem Eritrea-Festival gekommen. Mindestens 26 Polizisten waren damals verletzt worden, als Gegner der Veranstaltung Sicherheitskräfte mit Stein- und Flaschenwürfen attackierten und Rauchbomben zündeten. In Stockholm kam es im August bei einem Eritrea-Festival zu gewalttätigen Ausschreitungen mit mehr als 50 Verletzten.
Die Polizei geriet aus eigener Sicht bei den Ausschreitungen in Stuttgart zwischen die Fronten von Anhängern und Gegnern des eritreischen Regimes. "Wir standen als Prellbock dazwischen. Die pure Gewalt hat sich gegen uns gerichtet, gegen den Staat", sagte Höfler.
Der Einsatz verdeutlicht aus Sicht der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) die personellen Probleme der Polizei. "Gut, dass wir dort Hilfe aus anderen Polizeipräsidien und der Bundespolizei bekommen haben", teilte Landeschef Ralf Kusterer mit. Aber das dauere oft sehr lange. Er kritisierte, der Staat sei schwach. "Das müssen wir ändern. Auch weil ein demokratischer Staat durch diesen schwachen Staat gefährdet ist." Der öffentliche Dienst und die Polizei müssten endlich gestärkt werden.
Kusterer kritisierte, dass die unangemeldete Gegendemonstration zu dem Eritrea-Treffen eine Demonstrationsfläche zugewiesen bekommen habe, sich aber nicht daran gehalten habe. "Wir machen uns hier zum Affen. Dabei müssten wir unser Demonstrations- und Versammlungsrecht schützen und stärken. Dazu müssen wir konsequent durchgreifen. Wer sich nicht daran hält, verwirkt sein Recht darauf."
Die Stadt Stuttgart will zeitnah mit den betroffenen Gruppen Kontakt aufnehmen. "Wir werden nächste Woche sofort mit den in Stuttgart ansässigen Vereinen das Gespräch suchen", teilte der städtische Integrationsbeauftragte Gari Pavkovic mit. "Unsere Linie in den regelmäßigen Gesprächen mit den verschiedenen Migrantenorganisationen ist, dass wir in Stuttgart keine Auseinandersetzungen und Ausschreitungen zu den Konflikten in den Herkunftsländern dulden."
Die Stadt selbst hatte den Veranstaltungsraum an die Eritrea-Vereine vermietet. "Es lagen keine Gründe für ein Verbot der heutigen Eritrea-Veranstaltung vor", teilte die Stadt mit. "Versammlungen im geschlossenen Raum sind nicht anmeldepflichtig." Die Stadt werde aber Konsequenzen aus den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft ziehen.
Eritrea gilt als "Afrikas Nordkorea"
Zu Zusammenstößen zwischen Eritreern verschiedener politischer Ausrichtung wie nun in Stuttgart kam es jüngst in einigen Städten weltweit. In Tel Aviv ging es vor zwei Wochen besonders gewalttätig zu. Dort wurden mehr als 170 Menschen verletzt, darunter fast 50 Polizisten; 15 Verletzte mussten mit Schussverletzungen in Kliniken, nachdem Sicherheitskräfte das Feuer eröffnet hatten.
Der Hintergrund: Eritreas Botschaften organisieren derzeit überall in der Welt Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag des zweitjüngsten Staats in Afrika. Dort gab es noch nie eine Wahl und nur einen Präsidenten, den heute 77-jährigen Isaias Afwerki. Deshalb ist vielen Eritreern nicht zum Feiern zumute, was vor allem auf die 600.000 aus dem Armutsstaat Geflohenen zutrifft. Die meisten von ihnen zog es nach Europa, wo sie auf Landsleute treffen, die bereits während des 30-jährigen Bürgerkriegs geflohen waren: Zwischen 1961 und 1991 hatte ein Drittel der Eritreer Zuflucht im Ausland gesucht.
Weil sie die eritreischen Zustände nicht am eigenen Leib erfuhren, sind die Exilanten der ersten Generation ihrer alten Heimat gegenüber oft weniger kritisch eingestellt. Sie müssen außerdem befürchten, dass sie selbst oder ihre Kinder keinen Pass und kein Visum für einen Besuch in Eritrea erhalten, falls sie sich im Exil nicht loyal verhalten.
Die Diktatur am Horn von Afrika wird oft als "Afrikas Nordkorea" bezeichnet. Asylsuchende in Europa berichten, durch ihre Botschaft eingeschüchtert zu werden. Zu Hause gebliebene Eritreer werden zur Rechenschaft gezogen, wenn ein Familienangehöriger illegal das Land verlässt. Von den politischen Verhältnissen redet kein Eritreer gern, weil es zu gefährlich ist: Dass die Wehrpflicht für Männer etwa kein Enddatum hat, dass – wer sich ihr entzieht – in einem der angeblichen unterirdischen Gefängnisse eingesperrt wird.
Gegen Kritik aus dem Ausland ist der isolierte Staat praktisch immun. Eritrea erhält kaum Entwicklungshilfe, Afwerkis Ziel ist es, autark zu sein, auch wenn das bitterste Armut bedeutet. Nur in einer Hinsicht arbeitet die EU mit dem Alleinherrscher zusammen: Wenn es um die Kontrolle der Migrationsbewegungen geht. (Johannes Dieterich)