Stuttgart

Prozess um deutschlandweite Bombendrohungen: Die große Frage nach dem Warum

Bombendrohungen gegen Schulen, Behörden und Unternehmen sorgten 2023 für Unruhe und Polizeieinsätze. Nun hat der Prozess gegen zwei Männer begonnen, der auch die Frage nach dem Warum klären muss.  

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Nach einer Bombendrohung im Jahr 2023 ...gentur für Arbeit in Mannheim geräumt.  | Foto: Rene Priebe (dpa)
Nach einer Bombendrohung im Jahr 2023 hatte die Polizei die Bundesagentur für Arbeit in Mannheim geräumt. Foto: Rene Priebe (dpa)

Das Sicherheitsgefühl der Menschen wollte er mit seinen Bombendrohungen wohl erschüttern, im Gerichtssaal wirkt er nun selbst unsicher. Nervös trommelt der 20-Jährige mit seinen Fingern auf der Anklagebank in Saal 4 des Landgerichts Stuttgart herum. Während die Staatsanwältin die lange Liste der Drohmails vorliest, kämpft er mit seiner Mimik, scheint kurz davor, in Tränen auszubrechen.

Deutschlandweit 51 Droh-Mails verschickt

Der junge Mann aus dem Hohenlohekreis sitzt auf der Anklagebank, weil er im Herbst 2023 insgesamt 51 Droh-Mails verfasst und deutschlandweit an Schulen, Behörden und Religionsgemeinschaften verschickt haben soll. Einige Plätze neben ihm sitzt sein 21 Jahre alter mutmaßlicher Komplize aus Hamburg. Die beiden kennen sich laut Staatsanwaltschaft nur aus dem Internet, der Ältere soll den Jüngeren darin bestärkt und ihn auch technisch unterstützt haben. Zudem sollen beide während der Versendung der Mails über den Messengerdienst Discord kommuniziert haben.

Einen terroristischen Hintergrund sieht die Staatsanwaltschaft nicht, beide Männer müssen sich wegen des Vorwurfs der Störung des öffentlichen Friedens durch angedrohte Straftaten verantworten.

Bei den Drohungen als Hamas ausgegeben

In den Mails soll von hochexplosivem Sprengstoff mit Zeitzünder die Rede gewesen sein, der bei den Empfängern platziert worden sei. Zudem sollen die Täter vorgegeben haben, Säuglinge, Kinder und Menschen mit Behinderung umbringen zu wollen. Laut Anklage sollen die Angeklagten den Eindruck erweckt haben, dass die Schreiben von der Terrororganisation Hamas stammen. Dafür habe der jüngere Angeklagte Formulierungen wie "Allahu Akbar" verwendet und behauptet, man wolle mit den Taten die "Brüder im Mittleren Osten" rächen.

Die E-Mails gingen an Empfänger in Baden-Württemberg und sieben weiteren Bundesländern - und lösten teils große Polizeieinsätze aus. In Baden-Württemberg waren mehrere Schulen und die Universität Stuttgart, das KIT in Karlsruhe, die Polizei-Hochschule in Villingen-Schwenningen und die israelitische Gemeinschaft in Ulm betroffen. In Mannheim wurde zudem die Hochschule der Bundesagentur für Arbeit geräumt.

Der 20-jährige Verfasser der Drohbriefe will sich zu den Vorwürfen äußern

Offen bleibt beim Prozessauftakt die Frage nach dem Sinn der Taten. Die Staatsanwältin geht davon aus, die beiden Angeklagten wollten eine möglichst große mediale Aufmerksamkeit erreichen und das Sicherheitsgefühl der Menschen beeinträchtigen. Weil zunächst nur die Anklage verlesen wird, können sich die jungen Männer erst beim nächsten Termin erklären. Der 20-jährige Verfasser der Drohbriefe kündigte an, sich zu den Vorwürfen und zu seiner Person äußern zu wollen. Sein Mitangeklagter will seiner Verteidigerin zufolge zunächst schweigen.

Mitglieder einer kriminellen Cyber-Gruppierung

Beide sollen laut Anklage zur Gruppierung "New World Order" gehören – eine als kriminelle Vereinigung eingestufte Online-Community, deren Kürzel für "Neue Weltordnung" oder auch "Nie wieder online" steht. Die Gruppe existiert nur online, die Mitglieder nutzen Pseudonyme. Sie sollen im digitalen Raum zahlreiche Straftaten begangen haben, sagte die Staatsanwältin. So sollen sie etwa Notrufe missbraucht und Cybermobbing betrieben haben. Dafür bestellte die Gruppe etwa massenhaft Pizzas an Adressen Unbeteiligter.

Dem älteren Angeklagten wirft die Anklage neben den Bombendrohungen auch versuchte Anstiftung zum Mord vor. Er soll im Juli vor zwei Jahren bei zwei anderen Personen einen Mord in Auftrag gegeben und dafür 3.000 Euro bezahlt haben. Der Auftrag, eine Person aus Offenbach zu töten, wurde jedoch nicht ausgeführt - auch weil einer der Männer, die der 21-Jährige beauftragt hatte, zu viele Drogen genommen hatte und kaum noch ansprechbar war, sagte die Staatsanwältin.

Auch Motiv für Mordauftrag nicht klar

Auch das Motiv für den Mordauftrag muss der Verlauf des Prozesses zeigen. Die Staatsanwältin sprach von einer Tat ohne greifbares Motiv, möglich seien Reibereien innerhalb der Internet-Gruppierung. Auch sei möglich, dass der junge Mann die Grenzen des Machbaren austesten wollte.

Der Prozess wird am 10. Juni fortgesetzt. Dann könnte die erwartete Aussage des jüngeren Angeklagten dabei helfen, die Frage nach dem Warum zu beantworten.

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