Corona-Nothaarschnitte
Schnipp, schnapp, Haare ab: Selber schneiden im Lockdown
Die Friseure sind geschlossen, doch die Haare wachsen trotzdem: Wer seine Corona-Matte satthat, greift selbst zur Schere oder lässt andere schneiden. Anleitungen gibt es genug.
Anja Sokolow
Mo, 21. Dez 2020, 17:15 Uhr
Panorama

Ganz klassisch zeigt zum Beispiel Friseur-Weltmeisterin Sonja Fischer, wie man Corona-Nothaarschnitte für Männer selbst meistert. Bloggerin und Haarschneide-Autodidaktin Patricia Wons veröffentlichte in der ersten Corona-Welle im März eine Anleitung für einen Jungen/Männer-Haarschnitt. "Ich bekomme viele Rückmeldungen. Bei vielen klappt es, bei manchen auch nicht", so die Duisburgerin. Tipps, wie man Pony, Spliss oder Locken schneidet, gibt es seit Corona zum Beispiel auf den Seiten einer Drogeriekette. Tutorials bieten auch Hersteller von Haarschneidegeräten an.
"So bekommt man gut alle Haare auf eine Länge, nichts juckt oder kratzt" Joshua Otto
Äußerst kreativ ist die Anleitung vom sogenannten Heimwerker-King und Youtuber Fynn Kliemann: Bei ihm werden die Haare mit einem Staubsauger angesaugt und mit einer Schablone geschnitten. Joshua Otto aus Berlin hat es nachgemacht und ist begeistert: "So bekommt man gut alle Haare auf eine Länge, nichts juckt oder kratzt."Der 25-Jährige hat sich bereits mehrmals so die Haare geschnitten und will auch gar keinen Profi mehr ranlassen. Er habe absolut keine Lust, mit einer Maske beim Friseur zu sitzen, sagt er. Und außerdem lasse sich viel Geld sparen. Die neue Frisur sei zwar chaotisch, passe aber viel besser zu seinem Typ als die früher geschniegelten Haare, sagt der ehemalige BWL-Student, der jetzt Tischler lernt. Seine Freunde seien begeistert. Seine Mutter aber habe die Frisur nur mit "Oh Gott!" kommentiert, so Otto.
"Mal gelingt es, mal nicht. Ich sah schon aus wie ein Trottel. Aber Haare wachsen ja nach und es gibt Mützen" Beatrice Hübschmann
Die Berliner Friseur-Innung sieht Selfmade-Frisuren kritisch: "Das finden wir als Branche nicht toll. Es ist Umsatz, der Betrieben vorenthalten wird", sagt Geschäftsführer Markus Feix. "Und es ist auch die Frage, ob man hinterher so aussieht, wie man aussehen will", ergänzt er.Das hat auch Beatrice Hübschmann schon oft erlebt. "Mal gelingt es, mal nicht. Ich sah schon aus wie ein Trottel. Aber Haare wachsen ja nach und es gibt Mützen", sagt die Berlinerin, die Videos ihrer Versuche auf Instagram und Tiktok zeigt. In den vergangenen Monaten habe sie ihre Schnitt- und Färbetechnik aber verbessert. "Seit Corona bin ich mein eigener Friseur", erklärt Hübschmann jetzt.
Zum Haareschneiden braucht man Mut
Dass der Trend zum Selberschneiden Existenzen zerstöre, glaubt sie nicht. "Das Bäckerhandwerk stirbt ja auch nicht aus, nur weil einige Leute ihr eigenes Brot backen. Zum Haareschneiden braucht man Mut, und den bringen die meisten nicht auf", ist sie überzeugt.
In der ersten Corona-Welle, als die Friseure in Deutschland sechs Wochen zwangsweise geschlossen hatten, hat immerhin jeder siebte Bundesbürger sich selbst die Haare geschnitten (14 Prozent), wie damals eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab. Weitere elf Prozent suchten Hilfe und ließen sich die Haare von jemand anderem schneiden.
"Ich wäre da vorsichtig. Friseure haben ihren Beruf nicht umsonst gelernt. Allerdings gibt es ja nichts, was man nicht auch mit Youtube lernen kann", sagt Stilexperte und Buchautor Bernhard Roetzel ("Der Gentleman"). Ein einmonatiger Lockdown sei allerdings auch noch kein Zusammenbruch der Zivilisation. "Haare wachsen langsam, nur etwa zwölf Zentimeter im Jahr", erklärt er. Roetzel verweist auch auf Bartträger, die nun wieder Wildwuchs im Gesicht fürchten müssen, wenn sie es gewohnt waren, sich den Bart vom Barbier stutzen zu lassen.
Allerdings scheint es auch hier zunehmend Männer zu geben, die nun selbst zu Schere und Rasierer greifen, zumindest stieg der Absatz für Geräte. "Mit Blick auf das Jahr 2020 lässt sich festhalten, dass das Haartrimmer- und (Bart-)Styling-Produktsegment einen Anstieg erfahren hat, was sich sicherlich auf die aktuelle Situation zurückführen lässt", berichtet etwa Nina Knecht von Procter & Gamble.