Schnulzen im Freien
7000 bei Xavier Naidoo und 12 000 bei Sunrise Avenue: Das Open Air auf Freiburgs Neuer Messe lockt trotz Hitze die Massen.
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Xavier Naidoo machte am Freitag den Anfang. 7000 Zuschauer lud der 14. der Söhne Mannheims zum etwas ruhigen Konzert ein. Von Liebe getränkt und von Leid geziert, besingt er zwei Stunden das Publikum auf dem großen Open-Air-Gelände. "Ich kenne nichts (das so schön ist wie du)" oder "Ich brauch dich" flötet er dabei still ins Mikrofon. Die Band begleitet ihn, deutlich mit einem Keyboard, dessen Akkordabfolgen stetig laut zu hören sind: rauf und runter. Und Naidoo steht noch immer konzentriert auf der Bühne. Dabei auch: seine bekannte schwarze Sonnenbrille und die unverkennbare beigefarbene Schildmütze. Auch seine Soulstimme ist präsent, jedoch schmachtet diese nur die bekannten Schnulzen – in softer Ausführung. Selbst "Frei sein", der Song, den er 1997 mit Rapperin Sabrina Setlur aufnahm, ist plötzlich auffallend poppig und zart. Das Raue, das Groovige fehlt. Auch die eher melodischen und energiereichen Songs wie "Bevor du gehst" oder "Wo willst du hin" fehlen. Ob das an Setlur liegt, die bei "Frei sein" deutlich auf der Bühne fehlt? Oder an der zu heißen Sommernacht? Schwung und Bewegung kommen erst so richtig in die Show, als Naidoo den Hamburger Rapper Nico Suave auf die Bühne bittet und sie "Danke" performen.
Zwar ist Suave eher der "anständige" Sprechkünstler, auch eher einer der ruhigeren – anders als bei Xavier Naidoo und Kool Savas, die sich 2012 zum Projekt Xavas zusammentaten – doch Suave schafft es dennoch, das Publikum ein wenig zum Tanzen und zum Grölen zu bringen. Etwas, das Naidoo erst beim letzten Song schafft: "Zeilen aus Gold" wird klatschend begrüßt, und Naidoo schwingt erstmals die Hüften dazu.
Ganz anders geht es bei Sunrise Avenue am Samstag zu: Die Band ist laut, die Lieder laden trotz heißen Temperaturen zum Bewegen oder zumindest zum Nicken ein. Wenn auch die Songs bei der finnischen Band um Frontmann Samu Haber wie aus einem Guss klingen. "Hollywood Hills" hat denselben Aufbau wie "Fairytale gone bad", und auch "Lifesaver" sowie die restlichen 15 performten Songs klingen musikalisch einfach zu ähnlich: Dieselben vier Akkorde werden immer wieder aus einer Zusammenstellung von Gitarre, Bass, Keyboard und Schlagzeug gespielt. Zwar versuchen Sunrise Avenue im Laufe des Abends ein wenig rockiger zu werden und bauen auch mal ein anspruchsvolles E-Gitarrensolo ein oder eine kurze Pianoeinlage, doch reicht das nicht ganz. Ihre gleich klingenden Hits funktionieren nicht hintereinander. Auch einige von den 12 000 Zuschauern scheinen dies begriffen zu haben. So tanzen sie irgendwann nicht mehr ganz so begeistert.
Haber steht wie Naidoo am Vortag meist nur am Mikrofonständer, gibt sich als harten Rocker und singt Liebesschnulzen. Seine blonde Haarmähne schwingt dabei im Takt, und es wird konzentriert in die Gitarrensaiten gegriffen. Die vorderen Reihen, überwiegend von Frauen besetzt, schreien begeistert. Die Show wird durchgezogen. Erst nach einer Weile nimmt Haber den Kontakt zum Publikum auf, geht mal an den Bühnenrand und sagt "Hallo" oder fordert bei "Letters in the Sand" zum Singen auf. Mal auf Deutsch, mal auf Englisch. So ganz einig ist sich der deutsche Juror dann wohl doch nicht. Am Rande packt er aber noch über seine Musik und die Castingshow aus: "Er mache sie, um anderen zu helfen, er mache Musik, um zu helfen." Zuvor scherzt er, dass es wegen des Geldes sei. Was jetzt wohl stimmt?
Die Lasershow, die die Band den Abend über begleitet, scheint jedenfalls das Aufwendigste und Kostspieligste zu sein. In verschiedenen Farben und Formen umrahmt sie das Programm, zeigt die finnischen Kuschelrocker in anderen Lichtern und passt sich den Songs an. Das Open-Air-Gelände, das gegen Abend noch 30 Grad aufweist, bekommt so ein wenig Festivalflair. Und bei "Little bit Love" noch mehr Liebe: In Rot und Rosa wird alles beleuchtet, und einige Zuschauer halten Herzchenluftballons in den Händen. Eine gute Metapher für das Open-Air-Wochenende, das von Künstlern bespielt wurde, die sich der "Schnulzenmusik" bedienen.
Für die nächste Runde müssen sich die Starjuroren Haber und Naidoo jedoch mit mehr musikalischer Abwechslung und mit mehr Bühnenpräsenz zeigen. Das fehlt ihnen noch und ist doch eigentlich essenziell für gute Musik und das Open Air.
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