Lesetipp

Sensibel und knallhart

Sigrun Rehm aus der Politikredaktion empfiehlt "Trauriger Tiger" von Neige Sinno.  

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Sigrun Rehm  | Foto: Carlotta Huber
Sigrun Rehm Foto: Carlotta Huber

Dieses Buch ist kein leichtes Sommerlesevergnügen, sondern eine Zumutung. Neige Sinno, 1977 in den französischen Alpen geboren, berichtet in ihrem Memoir "Trauriger Tiger" von der sexuellen Gewalt, die sie als Mädchen erlebte und von ihrem Stiefvater, der der Täter war. Sie tut es in einem ruhigen Ton, sensibel und knallhart. Präzise Erinnerungen an das, was in den sieben quälenden Jahren geschehen ist, wechseln sich ab mit literarisch und psychologisch geschulten Reflexionen über Missbrauch und Schuld, Scham und Begehren. Obwohl die Autorin dabei ständig ihre eigenen Empfindungen und Gedanken seziert und hinterfragt, folgt man ihrer Erzählung mit großer Spannung. Und plötzlich versteht man: den ungeheuren Energieschub, den die Tat beim Täter auslöst, das mal dumpfe, mal verzweifelte Schweigen der Mitwisser und den Todesmut, den es kostet, Anzeige zu erstatten. Denn was kann schwerer sein, als diejenige zu sein, die vermeintlich Schande über einen Mann, eine Familie, ein ganzes Dorf bringt. Wer nur einen Text über sexuelle Gewalt liest, sollte diesen wählen. Neige Sinno lotet Abgründe aus und zeigt zugleich die vielen Grautöne, die zur Wahrheit gehören.

Neige Sinno: Trauriger Tiger. Aus dem Französischen von Michaela Meßner. dtv, München 2024. 304 Seiten, 24 Euro.

Schlagworte: Michaela Meßner, Sigrun Rehm
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