Pionier an der Theke

Supermarkt in Bad Krozingen verkauft Frischware ohne Folie

Käse oder Wurst ohne Folie einkaufen? Dass es geht, zeigt ein Beispiel aus Bad Krozingen. Dort hat ein Lebensmittelhändler ein Mehrwegsystem an den Frischetheken eingeführt – und tüftelt bereits an weiteren umweltfreundlichen Verpackungslösungen.  

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Wie kommt der Käse ohne Folie zum Kunden? Foto: dpa
Es gibt Kunden, die fragen bei jedem Einkauf nach einer Plastiktüte. Und es gibt die Umweltbewussten, die einen Korb oder einen Beutel mitbringen. Die Frischware, die sie mit nach Hause nehmen, ist trotzdem sorgsam in Folie verpackt. Doch es geht auch anders.

Mehrwegbox statt Plastiktüte

Morgens an der Kasse im Hieber-Markt in der Tulpenbaumallee in Bad Krozingen: Eine Kundin stapelt ihre Einkäufe aufs Band. Die Tomaten legte sie lose drauf. Die Kassiererin wiegt sie ab und die Kundin verstaut das Gemüse in ihrem Rucksack, lose. So viel Umweltbewusstsein lege nicht jeder an den Tag, wenngleich die Tendenz steige, stellt Dieter Hieber fest. Um künftig mehr Verpackungsmüll zu vermeiden, hat der Lebensmittelhändler ein eigenes Konzept entwickelt.

In seinem Markt in Bad Krozingen hat er an den Frischetheken mit Fleisch, Wurst, Fisch, Geflügel und Feinkost ein Mehrwegsystem eingeführt. Kunden können ihre Einkäufe hier in wiederverwendbare Behältnisse einpacken lassen. Entweder bringen sie selbst eine Dose von Zuhause mit oder sie kaufen im Supermarkt eine eigens konzipierte Box, die dann befüllt werden kann. Das klingt einfach, doch bis zur Umsetzung des Verfahrens war es ein langer Weg. Stichwort: Hygiene.

Hygienevorschriften als Hemmnis

Als Dieter Hieber sich entschloss, dem Verpackungsmüll – allen voran den Plastiktüten – den Kampf anzusagen, lautete die erste Frage: Wie bekommen wir eine Lösung, die lebensmittelrechtlich auch genehmigungsfähig ist? Klar war, dass der Hygienebereich an den Frischetheken, der mittels einer Luftschleuse gewährleistet wird, gewahrt bleiben muss.

Und so entwickelte Hieber ein Konzept mit einer Hygiene-Schleuse, die auch bei den für die Lebensmittelsicherheit zuständigen Behörden des Landratsamts Zustimmung fand. Dabei handelt es sich um ein Gerät, in dem die Dosen der Kunden mittels UV-Licht entkeimt werden können. Rund 10.000 Euro investierte Hieber nach eigenen Angaben, wobei er nicht verhehlt, dass es noch teurer geworden wäre, hätte der Ladenbauer nicht mitgespielt.

Doch mittlerweile ist dieses Verfahren schon wieder passé, denn es hat sich Hieber zufolge in der Praxis nicht bewährt: Manchmal blieben Boxen stecken, außerdem sei die Wartezeit – rund 45 Sekunden – hinderlich gewesen, und das Gerät ein Stromfresser. Mittlerweile gibt es eine bessere Lösung. Hieber ist überzeugt, dass sie sich durchsetzt, und dann, sagt er, sei es die Investition auch Wert gewesen.

Manchmal reicht schon ein Tablett

Eine bessere Lösung als die Hygiene-Schleuse fand Hieber in Abstimmung mit seinen Mitarbeitern. "Die Idee kam von Susanne Scherer aus unserer Fleischabteilung", schildert Hieber und betont, dass für ihn ohnehin nur ein Verfahren tragfähig sei, das auch sein Team akzeptieren könne. Das neue Verfahren basiert darauf, dass Kunden ihre Dosen jetzt einfach über die Theke reichen können.

Damit der Hygienekreislauf gewährleistet bleibt, stellt der Kunde seine offene Box einfach auf ein Tablett, das der Mitarbeiter ihm über die Theke reicht. Der Mitarbeiter ermittelt die Tara und stellt das Tablett dann neben der Waage ab. Nun füllt er die gewünschten Produkte ein. Beim Wiegen zieht er die Tara für Tablett und Box ab und reicht dem Kunden die Box wieder auf dem Tablett über die Theke.

"Der Mitarbeiter muss die Dose also nicht berühren, das bietet einen weiteren Vorteil, denn damit entfällt auch das Desinfizieren der Hände", sagt Hieber. Mittlerweile hat er für die Tablett-Lösung das Okay des Landratsamts bekommen, nachdem sich ein Sachverständigenteam vor Ort von der Tauglichkeit dieses Mehrwegsystems überzeugt hatte. Hieber will das System nun in allen seinen zwölf Supermärkten in Südbaden einführen. "Es wird Mitarbeiterschulungen und auch Kundeninformationsveranstaltungen geben", kündigt er an.

Prototypen für weitere Bereiche

Kürzlich war Hieber in Vevey am Genfer See, um sich mit Design-Studenten der Hochschule für Angewandte Künste auszutauschen, die für ihn an modernen Mehrwegverpackungen arbeiten. Denn Hieber will auch bei Obst und Gemüse sowie Backwaren auf umweltschonende Verpackungen umsteigen. Dazu hat er sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: "Bis Ende des Jahres wollen wir weg von der Plastiktüte", sagt Hieber, wohl wissend, "dass nie alle Kunden mitmachen".

Aber "jede Tüte, die wir einsparen, ist ein Erfolg." Möglich machen sollen es Netze und Beutel aus umwelt- und ressourcenschonenden, ja kompostierbaren Materialien wie Baumwolle, Hanf oder aus recycelten PET-Flaschen. "Es ist ein weites Feld, wir arbeiten gerade an Prototypen", meint Hieber, "da ist noch eine Menge Entwicklungspotenzial drin, aber es ist ein interessantes Feld."

Besonderen Wert legt er nach eigener Aussage auch darauf, dass die alternativen Verpackungen aus deutscher Produktion kommen und nicht unter fragwürdigen Bedingungen hergestellt werden, etwa in Ostasien. Nicht zuletzt müsse das Ganze für die Mitarbeiter praktikabel wie effektiv sein.

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