Trümmer, Jazz, Lebenswille: Tagebuchlesungen lassen im November die deutsche Nachkriegszeit aufleben

Das Deutsche Tagebucharchiv lässt Stimmen der Nachkriegszeit lebendig werden. Drei Zeitreise-Lesungen sind im November in Emmendingen und Freiburg geplant.  

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Der Kameramann emigriert 1952 mit sein...November mit Lesungen wieder lebendig.  | Foto: Deutsches Tagebucharchiv
Der Kameramann emigriert 1952 mit seiner Familie in die USA und lässt sich in New York nieder, wo 1965 auch dieses Foto entsteht. Seine Beobachtungen macht das Tagebucharchiv im November mit Lesungen wieder lebendig. Foto: Deutsches Tagebucharchiv

13 Stimmen lässt das Deutsche Tagebucharchiv auf seiner diesjährigen Zeitreise-Lesung von ihrem Alltag und ihrem Überlebenskampf in den vier Besatzungszonen erzählen. Sie alle, Männer und Frauen, jung und alt, eint ein unbedingter Überlebenswille, schreibt das Tagebucharchiv in einer Mitteilung.

Eine dieser Stimmen ist der Kameramann Heinz von Jaworsky, bekannt für seine Dreharbeiten mit Leni Riefenstahl und Heinz Rühmann, und nach Kriegsende für das US-Hauptquartier in Berlin tätig. Später emigriert er mit seiner Familie in die USA. Seine Tagebuch-Eindrücke sind Momentaufnahmen, Blitzlichter, kurze Filmsequenzen. Ein Auszug:

Sommer 1945

"Berlin! Über den Ruinen rote Fahnen! Panorama der Zerstörung. Die Schienen rosten – Bahnhöfe verschlossen, U-Bahnschächte eingestürzt. Zwischen Schutt und Trümmern wimmeln Menschen, leben weiter. Hunderttausende brechen Ziegelsteine aus Ruinen, mit rauen Händen. Andere vertrinken in lärmenden Bars mehr als jene im Monat aus den Trümmern schinden an einem kurzen Abend. Andere tanzen, betteln, verkaufen sich mit Haut und Haaren. Andere bringen sich um. Irgendwo sind die Stillen, von denen man nichts hört."

Winter 1945

"Schon wächst Neues aus den Ruinen, triumphiert Wiederaufbau, Lebenswille. Hier sind Erdteile Nachbarn geworden. Soldaten aus den Staaten promenieren mit deutschen Mädchen am Kurfürstendamm. Englische Soldaten bauen Brücken über die Spree. Russische Wagen­kolonnen fahren Berge Kartoffeln in die Stadt. Französische Polizei patrouilliert im Norden. Schwarze stehen vor den Kasernen, umringt von schokoladenhungrigen Kindern."

Neujahr 1946

"In einer Messe des amerikanischen Hauptquartiers Jazz-Lärm, Verrenkungstänze, Bier aus Tassen. Coca-Cola. Filmscheinwerfer. Und über die letzte Minute hinweg lief meine Filmkamera – fraß die unbekümmerte Heiterkeit derer in sich hinein, die gesiegt haben. Draußen, in der dunklen, kalten, zerbrochenen Stadt, im verbrannten Deutschland, zerrissenen Europa, flossen Millionen stiller Tränen. Spät in der Nacht fuhr ich durch die frosterstarrten Straßen. Schweigende Ruinen. Einsame Lichter. Betrunkene, die über Trümmer stolpern. Alliierte Soldaten, deutsche Mädchen umschlungen. Posten in Stahlhelmen, die sich an loderndem Feuer, rot umflackert, die Hände wärmen. Stumme Mauern, hinter denen Verzweifelte und Hoffende dem ersten Tag des neuen Jahres entgegenschlafen."

Frühjahr 1946

Rüttelnde Straßenbahnen, vollgestopft mit übelriechenden Menschen. Glänzend lackierte, rassige Limousinen. Kalkbestaubte Frauen schleppen rostig-verbogene Eisenträger. Mädchen, in hellbunten Sommerkleidern, Keilabsätzen, dauergewellt, promenieren am Kurfürstendamm. Krüppel an Leierkästen. Jazz aus hundert Cafés. Trabrennen. Unterernährung. Zirkus. Tuberkulose. Ein wüster Hexenkessel!"

Lesungen

Im Rahmen des Zeitreiseprojekts sind drei Lesungen geplant:

  • Freitag, 14. November, 19 Uhr, Altes Rathaus, Marktplatz 1, Emmendingen
  • Sonntag, 16. November, 15 Uhr, Altes Rathaus, Marktplatz 1, Emmendingen
  • Mittwoch, 19. November, 18 Uhr, Vortragssaal Universitätsbibliothek Freiburg

Der Eintritt ist frei, Spenden erbeten. Anmeldung unter Angabe des gewünschten Termins und der Personenanzahl per Mail an [email protected].

Schlagworte: Heinz Rühmann, Leni Riefenstahl, Heinz von Jaworsky
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