Erinnerungskultur

Um wessen Erinnerungen geht es eigentlich?

Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
Zu: "Mein Vertrauen ist erschüttert", Beitrag von Jan Sternberg (Magazin, 3. Mai)

Der Historiker Wolfgang Benz wird im Artikel geschildert als erschüttert darüber, dass "Aufklärung, Erinnerung, Einsicht" – für ihn "die Grundlagen der Erinnerungskultur" – nicht ausgereicht hätten, die wachsende Popularität der AfD zu verhindern. Diese Aussage verwundert mich einmal mehr: Wie hätte das, was üblicherweise als "Erinnerungskultur" bezeichnet wird, ausreichen können? Die Verwunderung beginnt schon mit dem Begriff der "Erinnerung": Um wessen Erinnerungen geht es dabei eigentlich? Um die Erinnerungen der Ermordeten? Um die Erinnerungen der Wenigen, die der Hölle der NS-Vernichtung entkommen konnten? Dieser Menschen zu gedenken, ist grundlegend und unverzichtbar. Aber um die Frage zu beantworten, wie das "Dritte Reich" möglich war (und worin bis heute die Attraktivität rechter Parteien besteht) müssen wir die Erinnerungen Anderer untersuchen.

Schon 1966 hatte Adorno gefordert: "Die Wurzeln sind in den Verfolgern zu suchen, nicht in den Opfern." Dies macht es jedoch notwendig, die Erinnerungen der Millionen von Männern und Frauen zu untersuchen, die oft mit Begeisterung Hitler und den Nationalsozialismus bejaht und aktiv mitgetragen haben. Diese Erinnerungen sind jedoch unter der Überschrift "Erinnerungskultur" nicht gemeint. Eine der wenigen Ausnahmen: Im Rahmen des Forschungsprojekts Geschichte und Erinnerungen (1998 bis 2004) wurden Interviews mit NS-Anhängern geführt (die BZ berichtete). Uns interessierten die Motive der Befragten: "Warum folgten sie Hitler?"

Im Rahmen dieser Forschung diskutierte ich als Projektleiter mit Vertretern der Erinnerungskultur. Oft wurde die Fragestellung unserer Forschung nicht verstanden, die Erinnerungen der NS-Anhänger einfach ausgeblendet. All diese Erinnerungen werden bis in die Gegenwart weggetan. Zum Beispiel hatten wir dem kürzlich eröffneten Dokumentationszentrum Nationalsozialismus in Freiburg unsere Zusammenarbeit angeboten. Unser Angebot wurde nicht einmal beantwortet. Wie können wir hoffen, Rechtspopulismus zu verhindern, wenn uns die Beweggründe ihrer Anhänger/-innen nicht interessieren?Stephan Marks, Stegen
Schlagworte: Stephan Marks, Wolfgang Benz, Jan Sternberg

Weitere Artikel