"Viele hatten ein Trauma"

ZISCHUP-INTERVIEW mit einer Frau, die den Kosovo-Krieg erlebte.  

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Ein Mann hält  vor Gräbern im sogenann...mee getötet wurden, eine Frau im Arm.   | Foto: Visar Kryeziu
Ein Mann hält vor Gräbern im sogenannten „Tal der Trauer“, wo vor 21 Jahren 376 albanische Zivilisten von der serbischen Armee getötet wurden, eine Frau im Arm. Foto: Visar Kryeziu

Über die vielen Grausamkeiten des Kosovo-Krieges spricht die heute 37-jährige Valdete Xhoxhaj. Ihre Tochter Naile Xhoxhaj, Schülerin der Klasse R9a des Geroldsecker Bildungszentrums in Seelbach, hat sie dazu im Rahmen von Zischup interviewt. Als die Auseinandersetzungen in Kosovo im Jahr 1998 in einen Krieg mündeten, war Valdete Xhoxhaj noch ein Kind.

Zischup: Können Sie uns zuerst etwas über das Geschehen erzählen?
Xhoxhaj: Im März 1998 begann der Krieg in Kosovo. Vor 22 Jahren war ich 15 Jahre alt und lebte in Kosovo. In der Stadt Nashec. In unserem Land war alles besetzt von unzähligen Menschen. In der Nacht, als der Krieg ausbrach, flüchteten meine Familie und ich – erst für zwei Tage in den Wald. Nach zwei Tagen sind wir nach Pristina, der Hauptstadt des Kosovos, geflohen. Kein Ort war sicher genug, um zu überleben. Angst und Furcht waren unser ständiger Begleiter. Daran erinnere ich mich noch unheimlich gut. Die Serben, vor allem die serbischen Polizisten, richteten sich gegen die Albaner und Kosovaren, sodass wir einen Grund hatten zu fliehen. Wir hielten uns mit mangelhaftem Lebensmitteln am Leben. Sie schossen, misshandelten und töteten unzählige Menschen vor den Augen anderer. Mein Vater hat damals bei der UÇK gekämpft, das war natürlich gefährlich, aber er tat es um sein eigenes Land zu unterstützen.

Zischup: Was ist die UÇK?
Xhoxhaj: Die UÇK war eine albanische paramilitärische Organisation, die für die Unabhängigkeit des Kosovo kämpfe.

Zischup: Welche Ängste hatten die Menschen auf dem Land?
Xhoxhaj: Sie hatten Angst vor dem Verlust der Familie, vor Hunger und vor der Zukunft.


Zischup:
Habt ihr Hilfe oder Unterstützung von jemandem bekommen?
Xhoxhaj: Ja, die Hilfe war auf jeden Fall da, unsere Klamotten kamen zum Beispiel aus Amerika.


Zischup: Wurde von Ihrer Familie jemand getötet?
Xhoxhaj: Nein, zum Glück nicht. Das liegt wahrscheinlich auch daran, weil wir eine etwas kleinere Gruppe waren, dennoch hätte es uns auch erwischen können.

Zischup: Wie waren die Lebensumstände nach dem Krieg ?
Xhoxhaj: Es kam zu Zerstörungen von Dörfern. Wir fanden die Häuser teilweise angezündet, aber mit der Hilfe Europas haben wir wenigstens ein Dach über den Kopf bekommen. Und nach einem Jahr waren unsere Häuser so gut wie möglich wieder aufgebaut.

Zischup: Welche Waffen wurden eingesetzt?
Xhoxhaj: Ich kann mich an die gepanzerten Kettenfahrzeuge erinnern, Schlacht der Kanonen.

Zischup: Wie viele Menschen fielen im Krieg zum Opfer ?
Xhoxhaj: Das kann ich leider nicht beantworten.

Zischup: Gingen Sie aus dem Krieg mit viel Angst oder anderen psychischen Symptomen heraus?
Xhoxhaj: Viele von uns hatten ein Trauma, weil die Serben uns verängstigt haben.

Zischup: Gab es Verluste in Ihrem Land?
Xhoxhaj: Es gab viele albanische Todesopfer, Kinder, Frauen und Männer.

Zischup: Für welche Rechte hatte Kosovo gekämpft ?
Xhoxhaj: Für die Mitsprache im eigenen Land.

Zischup: Waren Sie auch einmal bei einem Schusswechsel dabei?
Xhoxhaj: Ja.


Zischup: Hatten die Albaner und Kosovaren technische Waffen?
Xhoxhaj: Dadurch, dass Kosovo zu den ärmsten Ländern gehört, würde ich sagen, dass sie nicht auf alles Zugriff hatten.


Zischup: Als Ihr zurück nach Kosovo gegangen seid, seid ihr zusammen mit der Nato zurückgekehrt?
Xhoxhaj: Ja.

Zischup: Hat euch die Nato damals unterstützt?
Xhoxhaj: Ja, sehr. Wir hatten wenigstens ein kleines bisschen Hoffnung, da die Nato an unserer Seite war.

Zischup: Fällt es Ihnen schwer, über das, was Sie damals erlebt haben, zu sprechen?
Xhoxhaj: Nein, ich kann heute darüber sprechen. Dennoch werde ich die Menschen, die vor meinen Augen getötet wurden, die Folter und den Schmerz, den sie unschuldigen Kindern angetan haben, niemals vergessen. Mit diesem Kapitel habe ich abgeschlossen. Ich bin dankbar für die Menschen, die uns in dieser schwierigen Zeit geholfen haben und dass meine Familie immer noch am Leben ist. Ich hoffe, dass Kosovo die Unabhängigkeit nicht verliert und dass die Menschen in diesem Land in Zukunft sicher sind.
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