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Austria-Pop

Wanda in Freiburg - Eine Extradosis Euphorie

Peter Disch
  • Do, 18. Februar 2016, 16:21 Uhr
    Rock & Pop

Publikumslieblinge und Schmähobjekt: Die österreichische Beatband Wanda im Jazzhaus Freiburg.

Wanda live im Jazzhaus  | Foto: Florian Forsbach
Wanda live im Jazzhaus Foto: Florian Forsbach
Trends und Bands kommen und gehen. Doch eins bleibt immer gleich: die Fieberkurve des Pop und seiner öffentlichen Wahrnehmung. Phase I: der Geheimtipp. Das damit verbundene, zunächst exklusive, lobeshymnische Raunen meinungsbildender Trendsetter über das unbekannte, frische und daher bald ganz große Ding ist unabdingbar für Phase II: den Hype. Ist das Prädikat "Band der Stunde" in der Welt, ist Phase III nicht mehr weit: der Durchbruch. Je mehr überregionale Medien das nun nicht mehr ganz so neue, aber immer noch hippe Ding zuvor übersehen haben, desto größer die Publizität.

Während in Phase IV die Absatzzahlen von Platten, T-Shirts und Konzertkarten explodieren, setzt parallel Phase V ein: der Backlash. Das damit verbundene, zunächst exklusive, schmähende Raunen meinungsbildender Trendsetter über dieses bekannte, altbackene und daher ungerechtfertigt große Ding, ist unabdingbar für Phase VI: Die Wege der nun auf breiter Basis einstimmenden Pop-Intelligenzia und des Publikums trennen sich, die Haue des Feuilletons steht dabei im entgegengesetzten Verhältnis zur Popularität der Band. Wie lange diese ihren Status halten oder gar verbessern kann, hängt fürderhin von ihrer Kreativität und Inspiration ab. Manche Karrieren funktionieren sogar trotz des Versiegens beider Quellen noch jahrzehntelang, sehr zum Verdruss der Kritiker aus Phase VI.

Die österreichische Beatband Wanda ist gerade in Phase IV/V angelangt. Alle wichtigen Zeitungen haben sie im Herbst interviewt. Seit dem Konzert im November 2014 im Kellerklub Räng Teng Teng hat sich das Publikum in Freiburg verfünffacht. Das Jazzhaus war beim umjubelten Auftritt am Dienstag ausverkauft (Fotos), lange davor und wie viele weitere Tourtermine.

Derweil arbeiten sich Journalisten wie Sebastian Zabel an dem Quintett ab. Der Chef der Zeitschrift Rolling Stone moniert Wandas zur Schau gestellten "bräsig-besoffenen, dauergeilen Jungsalltag". Bertold Seliger, Buchautor und Agent von Musikern wie Patti Smith, nennt die Band "reaktionären Schmarrn".Eine Polemik der Zeitung Der Freitagerklärt sie zur "ästhetischen NoGo-Area", festgemacht am "grauenhaften Schunkelrock" und dem Reim "Da sind die Sterne, ein Licht brennt in der Kaserne."

Publikum und Band werden solche Einwände wahrscheinlich mit einer Zeile des Songs "Kein Herz im Hirn" kontern: "Is a wurscht". Ja, die brutto 80 Minuten im Jazzhaus waren wie immer eine alkoholselige Sause, daran beteiligt aber waren beide Seiten, Band und Publikum. Der gerne geäußerte Vorwurf, Wanda seien "Exzess-Stellvertreter" (Der Freitag) für strebsame Mittzwanziger, die am Tag danach fit und zeitig im Hörsaal oder bei der Arbeit aufkreuzen wollen, geht angesichts von kollektivem Jubel, Trubel, Heiterkeit an der Realität im Jazzhaus vorbei.

Zeilen wie "Da sind die Sterne, ein Licht brennt in der Kaserne" sind natürlich eher sinnfrei. Aber das war "Ob-La-Di, Ob-La-Da" von den Beatles auch – vielleicht covern Wanda deshalb auch lieber einen Song wie "A Hard Day’s Night". Schnaps und Nikotin? Sind auch in Freiburg wieder im Spiel. Auf der Bühne. Und hingebungsvoll in vielen der Instantgassenhauer besungen. Deren besondere Qualität ist es, sofort im Ohr zu bleiben. Beides verbindet Wanda übrigens mit den Britpop-Königen Oasis. Zu deren Klassikern zählen auch eskapistische Absturzhymnen wie "Cigarettes & Alcohol". Wandas Lieder mögen Lebensabschnitts-Pop sein. Gut möglich, dass sie nicht ewig überdauern. Aber für die Extradosis Euphorie sind sie wie geschaffen. Und wer sagt eigentlich, dass Pop nur gut ist, wenn er eine Metaebene und einen tieferen Sinn zu bieten hat?

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Ressort: Rock & Pop

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 18. Februar 2016: PDF-Version herunterladen

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