Warm, praktisch, vielseitig – und kaum genutzt

Heimische Schafwolle ist ein wirklich nachhaltiger Rohstoff. Er könnte allerdings viel besser verwertet werden.  

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Wolle von Schafen aus Deutschland hat es am Markt sehr schwer.  | Foto: Tinka von Kutzschenbach
Wolle von Schafen aus Deutschland hat es am Markt sehr schwer. Foto: Tinka von Kutzschenbach
Seit Jahrhunderten leben in Europa Menschen mit ihren Schafen, um Wolle, Milch und Fleisch von ihnen zu bekommen. Doch die Hochzeiten des Schaffelles sind vorüber. Welche Zukunft hat also das Fell unserer heimischen Schafe?

Schafe sind alte Begleiter der Menschen. Seit Jahrhunderten hat ihre Wolle unsere Vorfahren gewärmt und sogar in den Ritzen der Wikingerhäuser vor pfeifendem Wind geschützt. Doch nun verschwindet der großartige Rohstoff aus den Läden und Fabriken. In Deutschland gibt es rund 1,5 Millionen Schafe, die jährlich mindestens einmal – das hängt von der Rasse ab – geschoren werden müssen. Somit fallen pro Schaf im Jahr durchschnittlich drei bis sechs Kilogramm Wolle an. Das ist sehr viel und würde auch für größere Produktionen von Kleidung ausreichen.

"Ich schere meine Schafe zwar selbst, aber ich würde für die geringe Anzahl Schafe auch niemanden finden", sagt Christoph Borgschulte aus Anröchte in Nordrhein-Westfalen, der Hobbyschäfer ist. Doch günstige Synthetikfasern und Baumwolle aus anderen Ländern machen der Allrounder-Wollfaser Konkurrenz. Die Wollfaser ist eigentlich eine Traumfaser, denn sie ist vielseitig einsetzbar, sie kann bei kaltem Wetter wärmen, die Hautatmung bei Outdooraktivitäten unterstützen, Feuchtigkeit aufnehmen und eine geruchshemmende oder schmutzabweisende Funktion einnehmen.

So müsste man meinen, dass die Wolle unserer Schafe gefragt ist, besonders die von den deutschen Merinoschafen. Dies war auch so im 19. Jahrhundert, bis Importware, wie zum Beispiel Wolle von neuseeländischen Schafen, billig in die Fabriken in Europa und China geliefert werden konnte. Die Wolle aus Neuseeland ist billiger und hat eine bessere Faserqualität, denn darauf wurde in Deutschland meist bei der Züchtung kein Wert gelegt.

Hinzu kam immer mehr die Produktion von Kleidung aus Synthetik-Fasern und Baumwolle, die angenehmer auf der Haut zu tragen sind. "Mit der Wolle hat man früher halt noch Geld verdienen können, heutzutage kann man das nicht mehr", sagt Christoph Borgschulte, der eine Herde von elf Schafen hütet. Mit der Zeit haben sich trotzdem viele Möglichkeiten entwickelt, unsere "zu dicke" und "zu raue" Wolle einzusetzen: Von Teppichen über Einlagen für Decken bis zu ökologischen Dünger-Pellets, von Baudämmung über Akustikpaneele bis hin zu Bewuchs-Hilfen, "kann man vieles machen und das hat alles seine Berechtigung, aber der Königsweg wäre einfach in die Bekleidung", sagte der Vorsitzende der bayrischen Wollerzeugergemeinschaft, Martin Brickel, in einem Interview des öffentlichen Rundfunks. Aber auch so steigt der Preis für deutsche Wolle nicht.

Denn es gibt auch hier versteckte Probleme in der Umsetzung. Für Dünger-Pellets gibt es hohe Hygieneauflagen wegen Krankheiten, die sich sonst viel schneller ausbreiten könnten. So ist ein aufwendiges und vor allem teures Sterilisieren notwendig, was nicht rentabel ist. Zudem müssen die wenigen deutschen Unternehmen auch auf internationaler Ebene konkurrenzfähig sein und können einen höheren Wollpreis deutscher Schäfer nicht durchsetzen.

Ein weiteres Problem, weswegen unsere Wolle nicht so häufig in der Kleidungsindustrie benutzt wird, ist, dass die Faserdicke bei deutschen Schafen variiert. Grund dafür kann unter anderem sein, dass in den bisherigen Zuchten kein Schwerpunkt auf die Wolle gelegt wurde. Doch grundsätzlich gilt für die meiste deutsche Wolle, dass sie viel dicker ist als Wolle aus Neuseeland und Australien, wo in der Zucht auch Acht auf die Woll-Faser-Struktur gelegt wurde.

Da diese Probleme nun viele Leute in ganz Europa beschäftigen, gibt es einige Forschungsansätze, wie zum Beispiel den der Universität Edinburgh, bei dem Wolle im Nachgang mit Enzymen bearbeitet werden soll, um die Faserstruktur zu optimieren. Oder die Doktorarbeit von Natascha Zimmermann von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, in der sie an der Verbesserung der Wollfeinheit arbeitet, indem sie Wollproben von Schafshöfen aus ganz Süddeutschland auswertet, um langfristig den Zuchtwert von Merinolandschafen um das Kriterium Wollfeinheit zu erweitern.

Zudem gibt es auch Lösungsansätze wie zum Beispiel, dass mehr Produktionsindustrie für Wolle in Deutschland und Europa aufgebaut werden sollte. Denn es gibt nicht einmal eine Wollwäscherei in Deutschland, in der man noch Schafswolle waschen könnte. "Als Verbraucher kann man eigentlich nur aufhören, Synthetikfasern zu tragen", sagt Schäfer Borgschulte.

So stellt sich doch die Frage: Gibt es noch eine Zukunft für unsere tolle Wolle aus Deutschland? Dazu sagt Borgschulte: "Was ich bisher mitbekommen habe, glaube ich nicht, dass sie eine gute Zukunft hat. Denn es gab auch schon ein paar Fehlversuche." So ist es eine traurige Bilanz, dass in Zeiten von Nachhaltigkeit und Ressourcenbewusstsein das Potenzial heimischer Schafswolle nicht genug wertgeschätzt wird.
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