Tierschutz
Wie umgehen mit den vielen Straßenkatzen in Baden-Württemberg?
Straßenkatzen vermehren sich rasant in Baden-Württemberg. Einige Gemeinden in Südbaden haben reagiert. Viele aber zögern, eine Kastrationspflicht einzuführen. Tierschützer haben klare Forderungen.
Anika von Greve-Dierfeld (dpa)
Mo, 15. Sep 2025, 8:00 Uhr
Südwest
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen

St. Peter hat es in diesem Jahr getan, Stuttgart will es tun, in Titisee-Neustadt ist es schon eine ganze Weile her – und Experten halten es unisono für sinnvoll: Eine Katzenschutzverordnung mit Kastrationspflicht für Katzen. Aber was bringt das? Und warum machen im Südwesten nicht alle Kommunen mit?
Warum sollen Katzen sich denn nicht fortpflanzen dürfen?
Weil es viel zu viele Katzen gibt, die Tierheime überfüllt sind und die massenhafte Vermehrung zu großem Elend bei den Tieren führt. Im August erst schrieb der Deutsche Tierschutzbund mal wieder einen Brandbrief – unterzeichnet von zehn Tierschutzvereinen und Tierheimen aus Baden-Württemberg und Bayern. Tierheime und Pflegestellen platzten aus allen Nähten, die Konten seien leer und die Helferinnen und Helfer am Rand der Erschöpfung, hieß es darin. Jedes Jahr landeten teils tausende Katzen pro Einzugsgebiet bei den Aufnahmestellen: "abgemagert, voller Parasiten, verletzt, teils infiziert mit tödlichen Krankheiten". Im vergangenen Jahr fing der Tierschutzverein "Mensch und Tier Schwäbische Alb" auf einem Bauernhof 580 frei lebende Katzen ein. Der Landwirt selbst war von 15 Katzen auf seinem Hof ausgegangen, berichtete die Vereinsvorsitzende Svenja Große-Kleffmann.
Was bringt eine Kastrationspflicht?
Das Leid Tausender Straßenkatzen würde langfristig gestoppt, Tierheime und Tierschutzvereine entlastet, so der Deutsche Tierschutzbund. Streunende Katzen bedrohen zudem die Artenvielfalt. "Des Menschen liebstes Haustier ist ein erfolgreicher Jäger, zum Leidwesen vieler Wildtiere", schrieb dazu jüngst der Nabu Baden-Württemberg. Denn Katzen fangen nicht nur Mäuse, sondern auch Libellen, Blindschleichen, Zauneidechsen und leider auch Vögel aller Art. "Setzen Sie sich in Ihrer Kommune für eine Katzenschutzverordnung ein – dadurch streunen weniger Katzen umher", heißt es von dort. Experten wie Dominic Hahn vom BUND-Landesverband befürchten zudem eine Bedrohung der streng geschützten Wildkatzen. Denn wenn Freigängerkatzen sich mit ihnen paaren, entstehen sogenannte hybride Arten, also Mischarten.
Wie viele Gemeinden sind im Südwesten bisher dabei?
Eine Katzenschutzverordnung, die meistens neben der Registrierung von Katzen auch eine Kastrationspflicht vorsieht, gilt nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums in lediglich 172 von rund 1100 Städten und Gemeinden im Südwesten. Dazu gehören auch Kirchzarten, Stegen, Ihringen, Staufen und Badenweiler. Größere südbadische Städte wie Emmendingen, Offenburg und Freiburg haben laut Tierschutzbund bisher keine entsprechende Verordnung erlassen. In solchen Verordnungen wird festgeschrieben, dass Freigänger-Katzen, die einen Besitzer haben, gekennzeichnet und zumeist auch kastriert werden müssen. Streunende Katzen dürfen auf dieser Grundlage eingefangen und kastriert werden.
Eine Katzenschutzverordnung – wie wird diese in der Praxis umgesetzt?
In Mannheim hat man es erst mit einer Registrierungspflicht probiert, doch seit Frühjahr 2024 gilt auch dort die Pflicht zur Kastration. Kennzeichnung der Katzen und Appelle zur Kastration hätten nicht ausgereicht, um die Populationen einzudämmen, sagt eine Stadtsprecherin. Eine aufgefundene Katze wird seither gekennzeichnet, registriert und kastriert, wenn der Halter nicht binnen 48 Stunden ermittelt werden kann.
Warum gibt es solche Verordnungen nicht flächendeckend?
Ob eine Kommune diese Verordnung einführen will, müsse vor Ort lokal geprüft werden, sagt das Stuttgarter Landwirtschaftsministerium. Katzenpopulationen und die Feststellung sogenannter "Katzen-Hotspots" könnten nur lokal sinnvoll ermittelt werden.
"Unsinn", sagt Svenja Große-Kleffmann. Das Tierschutzgesetz sei völlig überholt und müsse überarbeitet werden. Der BUND Baden-Württemberg nennt es zudem eine politische Entscheidung im Südwesten, Katzenschutzverordnungen an die Gemeinden zu delegieren. Es wäre durchaus möglich, eine landesweite Verordnung zu erlassen – in Schleswig-Holstein sei dies schon der Fall, sagt Wildkatzen-Experte Hahn.
Wie viele Straßenkatzen im Südwesten leben, ist nicht bekannt. Laut einer Erhebung des Tierschutzbundes verzeichneten jedoch 2024 fast 80 Prozent der Tierschutzvereine steigende Straßenkatzenpopulationen. Bundesweit wird die Zahl herrenloser Katzen auf rund zwei Millionen geschätzt, und die der als Haustier gehaltenen Katzen, von denen viele Freigänger sind, auf fast 16 Millionen.
dpa