BZ-Interview
"Wir sind ein Pionier im Schokoladensektor"
Fairafric produziert Schokolade in Ghana mit örtlichen Mitarbeitern. Was sie von anderen Fairtrade-Schokoladen unterscheidet, erzählt Mitbegründer Marc Schiff-Francois im BZ-Interview.
So, 22. Apr 2018, 20:30 Uhr
Wirtschaft
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BERLIN. Weltweit werden jährlich etwa 4,7 Millionen Tonnen Kakaobohnen geerntet, davon 73 Prozent in Afrika. Die Verarbeitung zur Schokolade findet jedoch meist nicht vor Ort statt. Eine Ausnahme ist das Unternehmen Fairafric, das in Ghana Schokolade produziert. Bernhard Walker sprach vor der Weltkakaokonferenz, die am Sonntag in Berlin begonnen hat, mit dem Co-Gründer Marc Schiff-Francois.
Schiff-Francois: Der Anstoß kam vom Firmengründer Hendrik Reimers, der mit dem Rucksack durch Afrika reiste und in Uganda beobachten konnte, wie sehr es den Menschen hilft, wenn sie den Rohstoff selbst weiterverarbeiten – wenn also der Rohstoff nicht nur in große Säcke gepackt und zur Weiterverarbeitung nach Europa verschifft wird. Dies hat er auf die Kakaobohne übertragen und ein Start-up gegründet, das in Ghana mit örtlichen Fachkräften Schokolade herstellt.
BZ: Und das macht nur Fairafric?
Schiff-Francois: Was Westafrika anbelangt, ja. Es gibt sogenannte Herkunftsschokolade aus Südamerika. Aber in Westafrika sind wir der Pionier, der seine Herkunftsschokolade online über Welt- und Bioläden sowie seine Website verkauft.
BZ: Warum gerade Ghana?
Schiff-Francois: Dort gibt es Strukturen, auf die wir aufbauen konnten. Die EU erhebt Zölle auf Fertigwaren aus Afrika. In Ghana allerdings gibt es eine Freihandelszone, das heißt: Was dort erzeugt wird, kommt zollfrei nach Europa. Auch ist von Ghana aus die Kühlkette gesichert.
BZ: Wie das?
Schiff-Francois: Die EU führt ja verrückterweise viel Gekühltes nach Westafrika aus, zum Beispiel die Teile vom Huhn, die in Europa niemand essen mag. Diese Schiffe fahren meist leer zurück. Wir packen unsere Schokolade also in Accra in einen Container, der auf ein solches Schiff kommt. Der Container wird dann natürlich gekühlt, was Strom braucht. Aber den bräuchte auch die Herstellung in Europa. Wir handeln also ökologisch nachhaltig und wollen das weiter vorantreiben, in dem wir künftig CO2-neutral arbeiten und somit keinen Kohlendioxidausstoß mehr verursachen.
BZ: In vielen Läden gibt es längst Schokolade mit Fairtrade- oder Nachhaltigkeitssiegeln. Was machen Sie anders?
Schiff-Francois: Eigentlich alles. Denn die Schokolade wird wie gesagt vor Ort erzeugt. Wir bezahlen je Tonne Kakaobohne eine Prämie von 600 US-Dollar, was weit über den Prämien der Siegel liegt. Aber unser Ansatz ist nötig, um einen wirklich nachhaltigen Prozess verwirklichen zu können – also eine Produktion, die keinen Raubbau an der Natur betreibt oder zu Kinderarbeit führt. Eine aktuelle Studie zeigt, wie dringend das ist. Danach verdienen Kakaobauern in Ghana täglich im Schnitt 78 US-Cent – nötig wären aber 2,51 Dollar, um ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen.
BZ: Damit wird Ihre Ware aber deutlich teurer.
Schiff-Francois: Sie wird deutlich nachhaltiger und gerechter. Mir kommen schon Fragen, wenn ich sehe, dass es im Supermarkt Fairtrade-Schokolade für 55 Cent gibt. Wir wollen den Verbrauchern ein Angebot machen, damit sie ihre Marktmacht ausspielen und sich entscheiden können, was sie mit ihrem Geld erreichen wollen. Neulich las ich den Spruch: Jeder Geldschein ist auch ein Wahlschein. Das trifft die Sache ganz gut – auch wenn klar ist, dass der Verbraucher erst dann handeln kann, wenn er überhaupt Alternativen hat. Die bieten wir als Pionier im Schokoladensektor.
BZ: In Berlin tagt derzeit die Weltkakaokonferenz. Wie schätzen Sie die internationale Branchenlage ein?
Schiff-Francois: Kakao und Schokolade sind ein Riesen-Markt. Den etablierten Akteuren geht es darum, den Nachschub an Bohnen zu sichern oder eine bessere Marktdurchdringung zu erreichen. Dabei spielt zunehmend eine Rolle, dass sich viele Kunden nachhaltig erzeugte Ware wünschen. Dass das aber nicht wirklich gelingt, zeigen die Zahlen für das bäuerliche Einkommen, die ich ansprach.
BZ: Liegt das auch am Weltmarktpreis für Kakaobohnen?
Schiff-Francois: Auf jeden Fall. Bis etwa 1990 lag der Preis für eine Tonne über viele Jahre hinweg bei 4000 Dollar, wobei es Ausschläge bis zu 9000 Dollar gab. Heute liegt der Preis im Durchschnitt bei 2000 Dollar. Vielerorts wird Regenwald abgeholzt, um zu versuchen, den niedrigen Preis durch erhöhte Erntemengen auszugleichen. Oder es kommt zu Kinderarbeit. Das ist weder sozial noch ökologisch noch ökonomisch akzeptabel. Und genau das wollen wir deshalb ändern.
Alle zwei Jahre trifft sich die internationale Kakaobranche zu einer Konferenz, dieses Mal in Berlin. Bis Mittwoch tagen dort Regierungsvertreter, Entwicklungsorganisationen und die großen Akteure der Süßwarenindustrie wie Mars Wrigley (Snickers), Mondelez (Milka, Oreo), Barry Callebaut oder Ritter Sport. Allein in Deutschland lag der Pro-Kopf-Schokoladenkonsum vergangenes Jahr bei 9,7 Kilogramm.
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