"Zwicken" für gesunde Füße

BZ-SERIE: Markus Winschuh wird Orthopädieschuhmacher – die Berufsaussichten sind bestens, und das weltweit.  

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TITISEE-NEUSTADT/FREIBURG. In der Werkstatt riecht es nach Klebstoff, auf einer Arbeitsplatte liegen Hammer, Schere, Messer, Zangen und ein Maßband. Das tägliche Handwerkszeug eines Orthopädiemechanikers, erklärt Markus Winschuh, der eine grüne Schürze umgebunden hat. Der 18-Jährige lernt Orthopädieschuhmacher im Sanitätshaus Schaub.

Eigentlich hatte der Bad Krozinger nur eine Wunsch: Ein Job mit Zukunft, einer, in dem nicht Mensch durch Maschine ersetzt wird. Orthopädieschuhmacher klang interessant und krisensicher. Noch während seiner Zeit in der Werkrealschule ermöglichte ihm das Sanitätshaus Schaub gleich mehrere Praktika. Die liefen so rund, dass Markus 2012 nach dem Schulabschluss dort seine Ausbildung beginnen konnte.

In Aktion tritt Markus Winschuh auf Anweisung des Facharztes: Die enge Zusammenarbeit mit Medizinern und Patienten erfordert vom Orthopädieschuhmacher medinzisches Wissen. In der Berufsschule in Freiburg lernt Markus Winschuh die menschliche Anatomie kennen – in Deutsch und sogar in Latein. Mit Krankheitsbegriffen wie Hallux valgus (Schiefzehe) oder Hallux rigidus (steife Großzehe) kennt er sich aus. Auch Diabetes ist für ihn kein Fremdwort. Denn: "Zuckerkranke" brauchen passgenaue Schuhe. Ihre Füße werden unempfindlich gegenüber Druck, was Entzündungen oder sogar Amputationen nach sich ziehen kann. Zu den Lernfeldern des jungen Mannes gehören daher auch Biomechanik und Orthopädietechnik.

Seine fachliche Kompetenz ist vor allem gefragt, wenn es um das Anfertigen von Maß- und Innenschuhen, Einlagen, Bandagen oder Kompressionsstrümpfen geht. Etwa 4000 Patienten gehören zum Kundenstamm der Firma Schaub. Seit 1931 existiert das Familienunternehmen mit 25 Filialen. Eine Woche lang schnuppert Markus Winschuh in die Neustädter Filiale rein. Sonst ist sein Arbeitsplatz das Hauptgeschäft in Freiburg auf der Haid.

Sein Tag in der Werkstatt beginnt um acht Uhr. Auf den Regalen reihen sich etliche Leisten aneinander. Dabei handelt es sich um Formstücke aus Holz, die zum Bau eines Schuhs verwendet werden. Doch bevor so ein Schuh fertig ist, braucht es Zeit. Nachdem sich der Meister über die Erkrankung des Kunden informiert hat, nimmt er mit einer Art Stempelkissen den Fußabdruck, um die Verteilung der Druckbelastung an der Fußsohle sichtbar zu machen. "Blau-abdruck" nennt sich das in der Fachsprache. Dann folgt der Gipsabdruck. Dieser verschafft ein dreidimensionales Abbild des Fußes für die Herstellung der individuellen Schuhleisten. Eine Fremdfirma erstellt diese dann, nachgearbeitet werden die Modelle im Hause Schaub.

Markus Winschuh kümmert sich um das Fußbett, dessen Form an die Stellung des Fußes angepasst wird. Dann wird der obere Teil des Schuhs, der Schaft, eingearbeitet und faltenfrei über den Leinen gezogen und an der Sohle mit Nägeln und Tackerklammern befestigt. Das sogenannte Zwicken macht Markus Winschuh am liebsten. "Jeder Fuß ist anders", erklärt er. Daher sei reine Handarbeit gefragt und werde die Arbeit nie langweilig.

Ein Rahmen aus Leder, Kunststoff oder Gummi gibt dem Schuh schließlich Form und Aussehen. Da es zwischen Rahmen und Sohle noch an Bodenmaterial fehlt, muss dieser Zwischenraum mit Kork oder Kunststoff ausgefüllt werden, um Unebenheiten auszugleichen. Noch die Laufsohle und den Absatz dran, dann wird der Schuh poliert und imprägniert. Zuletzt bekommt er Schnürsenkel.

Drei bis vier Schuhe pro Woche, schätzt Markus Winschuh, stellen er und seine Kollegen her. Ab 1000 Euro aufwärts kostet so ein maßgefertigtes Exemplar. Geschickte Hände und Teamfähigkeit seien in dem Job ein Muss, sagt Ausbilder Maik Matt. Fehl am Platz seien hingegen Berührungsängste. Kunden bringen auch getragene Schuhe zur Reparatur vorbei. Ihm selbst mache das nichts aus, erklärt Markus Winschuh. Natürlich habe er auch schlucken müssen, als er seinem Meister assistierte und ein Kunde eine extreme Zehenfehlstellung gezeigt habe. Das schöne sei aber, Menschen helfen zu können, die vorübergehend oder dauerhaft nicht voll bewegungsfähig sind.

Teamfähigkeit und Einfühlungsvermögen

"Wir werden oft mit kranken Menschen konfrontiert", sagt Maik Matt. Dafür braucht es Einfühlungsvermögen. Seit 13 Jahren bildet der Orthopädieschuhmachermeister aus. Neben handwerklichem Geschick achtet er beim Probearbeiten besonders auf Teamfähigkeit und Kreativität. Mäßige Zeugnisnoten schrecken ihn hingegen nicht so sehr. "Mit der Lehre fängt ein neuer Lebensabschnitt an, vielen zeigen dann erst, was sie können."

In dieser Branche besteht großer Bedarf an Facharbeitern. Orthopädieschuhmacher haben beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt – weltweit. Übers Auslands denkt Markus Winschuh nicht nach, aber im Betrieb möchte er gerne bleiben und später vielleicht den Meister machen.

ORTHOPÄDIE- SCHUHMACHER/INNEN

Orthopädieschuhmacher fertigen orthopädisches Schuhwerk sowie fußmedizinische Heil- und Hilfsmittel an. Dabei handelt es sich um Einzelstücke, die sie der Kundschaft individuell anpassen und, falls erforderlich, auch reparieren. Die dreieinhalbjährige Ausbildung erfordert keinen bestimmten Schulabschluss und wird zwischen 490 und 613 Euro vergütet. Orthopädieschuhmacher haben am Arbeitsmarkt gute Chancen und können sich zum Meister, Techniker weiterbilden oder Technische Orthopädie studieren.

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