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Gemeinschaftskunde

Abiprüfung führt zu Zoff zwischen Lehrern und Kultusministerium

Jens Schmitz
  • Do, 16. Mai 2019, 20:59 Uhr
    Südwest

"Wir machen alle Fehler, und auch Lehrer können das einmal zugeben" – das sagt Kultusministerin Eisenmann im Streit ums Gemeinschaftskunde-Abi. Den Schülern bringen Schuldzuweisungen freilich nichts.

Ordner mit Abiturklausuren. Die für da... Gymnasien wieder hervorgeholt werden.  | Foto: Franziska Kraufmann
Ordner mit Abiturklausuren. Die für das Fach Gemeinschaftskunde mussten nun an einigen Gymnasien wieder hervorgeholt werden. Foto: Franziska Kraufmann
Nach Bayern hat nun auch Baden-Württemberg seinen Abiturstreit: Die Mehrheit der Gymnasien, die das Fach Gemeinschaftskunde schriftlich geprüft haben, musste sich wegen einer problematischen Aufgabe für eine Wiederholung am Freitag bereithalten, die Prüflinge mussten innerhalb von 24 Stunden entscheiden, ob sie daran teilnehmen. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) sieht die Schuld bei den Lehrern – doch daran gibt es lautstarke Zweifel.

Am "Kategorienmodell" scheiden sich die Geister

Bei der Abiturprüfung am 6. Mai hatten die Schüler die Wahl zwischen zwei Aufgaben. Die erste drehte sich um das Thema Integration, die zweite um Friedenssicherung. Bei Aufgabe zwei bestand eine Teilaufgabe darin, die Bedeutung der Nato "anhand eines Kategorienmodells" zu erklären. Das Problem: Dieser Begriff ist offenbar an der Mehrheit der Schulen nie unterrichtet worden. "Eine Abfrage unter den rund 200 Gymnasien, die eine schriftliche Abiturprüfung im Fach Gemeinschaftskunde durchgeführt haben, ergab, dass circa 130 Gymnasien diesen Begriff nicht behandelt haben", erklärte das Kultusministerium am Donnerstag.

Das Kultusministerium hat für die betreffenden Schulen einen Ausweg ersonnen: Zunächst mussten die jeweiligen Lehrkräfte gegenüber ihrer Schulleitung schriftlich bestätigen, dass sie den Begriff "Kategorienmodell" nicht in ihrem Kurs eingeführt haben. Innerhalb von 24 Stunden konnten die Schüler danach entscheiden, ob sie ihre bereits erbrachte Leistung ohne Kenntnis der Note akzeptieren oder die Prüfung am heutigen Freitag wiederholen – unabhängig davon, welche Aufgabe sie ursprünglich gewählt hatten. Nach Angaben des Ministeriums hatten sich bis Donnerstagabend von insgesamt 2078 Schülerinnen und Schülern 109 für den Nachholtermin entschieden, das entspricht einem Anteil von 5,2 Prozent.

"Wir machen alle Fehler, und auch Lehrer können das einmal zugeben." Susanne Eisenmann
Trotzdem hagelt es Kritik. "Die Schuldzuweisungen an die Lehrer/innen und die 24-Stunden-Frist für die Schüler/innen sind eine Frechheit", erklärte die Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Doro Moritz. Erste Berichte hatten Eisenmanns Sprecherin mit der Drohung zitiert, Lehrer müssten sich auf Gespräche mit der Schulaufsicht einstellen. Moritz zufolge will das Ministerium Schuld abwälzen: "Bei der GEW melden sich Lehrkräfte, die übereinstimmend berichten: Die Abi-Aufgabe war falsch formuliert, und die Schulverwaltung war darüber schon vor Beginn der Prüfung am 6. Mai informiert worden."

Eisenmann bezeichnete die Vorwürfe gegenüber der BZ als absurd: "Wir machen alle Fehler, und auch Lehrer können das einmal zugeben." Die CDU-Frau verwies auf den hier relevanten Bildungsplan von 2004, in dem als Ziel definiert ist: "Die Schülerinnen und Schüler können die Struktur der internationalen Staatenwelt mithilfe eines Kategorienmodells beschreiben." Die Aufgabe im Abitur lautete: "Erklären Sie die Bedeutung der Nato für die Friedenssicherung anhand eines Kategorienmodells." Dem Ministerium zufolge entspricht das "eins zu eins" den Vorgaben des Bildungsplans.

Philologenverband: Strittiges Wort kommt in keinem Schulbuch vor

Andere haben daran Zweifel: Der Bildungsplan schreibe nicht vor, dass Schüler das Wort "Kategorienmodell" kennen müssten. Der GEW zufolge haben viele Gemeinschaftskundelehrer den Begriff im Unterricht vermieden, weil er nicht gebräuchlich sei. Der Philologenverband Baden-Württemberg erklärte, das Wort komme in keinem Schulbuch vor und sei in Lehrerfortbildungen durch Formulierungen wie "Theorien", "Deutungsmodelle" und "Deutungsansätze" ersetzt worden. Statt "plattes Lehrerbashing" zu betreiben müsse geklärt werden, wie der Begriff in den Bildungsplan und dann in eine Abituraufgabe geraten sei. Im Bildungsplan 2016 taucht er nicht mehr auf.

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Stefan Fulst-Blei, erklärte, es sei "äußerst ungewöhnlich", dass 65 Prozent der Schulen dasselbe Problem meldeten. "Da verstehe ich Frau Eisenmann wirklich nicht, warum sie erneut die Keule gegenüber den Lehrkräften rausholt." In einer Pressemitteilung am Mittag schien die Ministerin teilweise zurückzurudern: Es gehe nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, den betroffenen Schülern ein möglichst faires Verfahren zu ermöglichen.

In Bayern erwartet unterdessen die Staatsregierung im Mathe-Abitur zwar ein schlechteres Ergebnis als sonst, will aber vorerst nicht die Benotung ändern. Nach Auswertung erster Korrekturen lägen die Noten leicht unter dem Niveau der "letzten drei, vier, fünf Jahre", sagte der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) . Nach den Prüfungen hatten viele Schüler kritisiert, einige Fragen seien zu kompliziert gewesen.

Ressort: Südwest

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 17. Mai 2019: PDF-Version herunterladen

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