Hochsprung

Als Hochspringerin muss Marie-Laurence Jungfleisch auf ihr Gewicht achten – und Süßes meiden

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FREIBURG. Gewissensbisse sind angebracht: War es wirklich eine gute Idee, sich ausgerechnet in einer Konditorei mit einer Hochspringerin zum Gespräch zu verabreden? Die Sportlerin vorbei zu führen an den einladenden Auslagen von süßen Verführungen? Um sie dann auf der Terrasse an der verkehrsberuhigten Rückseite des Gebäudes Platz nehmen zu lassen – in Reich- und Sichtweise anderer Gäste, die sich genüsslich am Kuchen laben?

Als Marie-Laurence Jungfleisch mit der Pünktlichkeit eines Maurers zum Termin erscheint, macht sie schnell klar, dass ihr das Ambiente nicht so ganz geheuer ist. Nur gut, dass der Zeitpunkt des Treffens so früh am Tag gewählt wurde, dass selbst in der Innenstadtnähe von Freiburg noch nicht viel los ist. Den Keks, den sie als Beilage zum Cappuccino erhält, bietet sie denn auch gleich an mit den Worten: "Den können Sie haben." Dann ergänzt sie: "Seit einigen Tagen arbeite ich mit einer Ernährungsberaterin zusammen." Die verlangt von der 26-jährigen Leichtathletin, die vor einigen Jahren der besseren Trainingsbedingungen wegen von Freiburg nach Stuttgart zog: morgens und mittags keine Kohlenhydrate. Im Herbst, nach der Freiluftsaison, da wird der Sportlerin dann für ein, zwei Monate niemand Essensvorgaben machen. "Man muss ja auch Spaß am Leben haben", sagt Deutschlands beste Hochspringerin, während sie den Keks jetzt dezent, aber doch bestimmt in Richtung des Gesprächspartners schiebt.

Aus ihrem Gewicht, das auf 1,82 Metern Lebensgröße verteilt ist, macht die Olympiasiebte von Rio 2016 ein großes Geheimnis. Nur so viel: Die Welt des Hochsprungs lässt sich mit der von Models vergleichen. Dass Marie-Laurence Jungfleisch eher an der oberen als an der unteren Grenze des Erlaubten liegt, darauf deutet ja bereits die Ernährungsberaterin hin. Die Leichtathletin selbst sagt: "Ich kann meine Leistung nur erbringen, wenn ich auch über die nötige Kraft verfüge."

Vielleicht ist der Satz eine Art Selbstschutz. Denn wer im Hochsprung in der Weltspitze landen will, der macht sich unwillkürlich seine Gedanken darüber, ob man sich noch zwei, drei, vier Kilogramm von den Rippen schwitzt oder nicht. Die Sprungkraft behalten, aber noch das eine oder andere Kilo verlieren und damit federleicht sein – das gilt in der Szene als Zauberformel für noch höhere Sprünge. Nichtsdestotrotz sieht die junge Frau, die im vergangenen Jahr die bei Hochspringerinnen immer noch magische Zwei-Meter-Marke überwand, im Wettkampf oft sehr dünne Athletinnen: ihre deutsche Konkurrentin Ariane Friedrich, die russische Weltmeisterin von 2011, Anna Tschitscherowa, neuerdings die erst 19-jährige Hallen-Weltmeisterin Vashti Cunningham aus den USA. Sie alle sollen – bei ähnlicher Größe wie Jungfleisch – in der Wettkampfphase nicht mehr als zwischen 55 und 57 Kilogramm auf die Waage bringen.

Außer über ihr Gewicht will Marie-Laurence Jungfleisch auch nicht über Politik reden: "Dazu habe ich schon genug gesagt." Im vergangenen Jahr hat sie mehrfach Stellung bezogen für eine offene Multikulti-Gesellschaft. Damals hat sie auch gesagt, dass sie mit zehn Jahren von Klassenkameraden an einer Freiburger Schule wegen ihrer Hautfarbe gemobbt worden sei – was so weit ging, dass sie die Schule wechselte. Letztlich sei es der Sport gewesen, der die ausgebildete Erzieherin, die inzwischen bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr ist, dann selbstbewusster machte.

So selbstbewusst, dass sie sich die Ziele immer höher stecken konnte: Bei der WM 2015 in Peking wurde sie mit übersprungenen 1,99 Metern Sechste. Eine Leistung, die im vergangenen Jahr in Brasilien locker zum Olympiasieg gereicht hätte. Nach ihrem ersten geglückten Zwei-Meter-Sprung vom 16. Juli in Eberstadt flog Marie-Laurence Jungfleisch als Zweite der Weltjahresbestenliste nach Rio. Mit übersprungenen 1,93 Metern wurde sie Siebte. Zum Sieg reichten der Spanierin Ruth Beitia 1,97 Meter.

2016 war sie einen Monat zu früh in Bestform

"Ich habe mich noch nie so krass geärgert wie über diesen Wettkampf", sagt Jungfleisch, die inzwischen in Bad Cannstatt lebt und für den VfB Stuttgart startet. "Ich weiß bis heute nicht, woran es gelegen hat." Sie hat natürlich registriert, dass es schon lange nicht mehr so einfach gewesen ist wie 2016, eine Olympia-Medaille im Hochsprung zu gewinnen. Jungfleisch war einen Monat zu früh in Bestform gewesen. Sehr ärgerlich. Besonders wenn man weiß, dass sie im Jahr 2012 das Ticket für die Olympischen Spiele in London um neun Tage verpasst hatte. Der Deutsche Leichtathletik-Verband hatte bereits am 8. Juli 2012 sein Aufgebot nominiert, Jungfleisch schaffte die geforderte Norm von 1,95 Metern jedoch erst am 17. Juli 2012 beim schnuckligen Sportfest in Luzern.

Ein Umstand, der sich in diesem Jahr beim Saisonhöhepunkt für die 26-Jährige nicht wiederholen soll, wenn vom 5. bis 13. August die Leichtathletik-Weltmeisterschaft stattfindet – in London. Bis dahin, davon ist auszugehen, wird Deutschlands beste Hochspringerin noch das eine oder andere Gespräch mit Medienvertretern haben. Und der eine oder andere Keks wird über den Tisch wandern.
 

Alle Serienbeiträge finden Sie unter: http://mehr.bz/badeninbewegung

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