Auch Trump brachte keine Rettung

Für die Kohlekumpel in West Virginia hagelt es schlechte Nachrichten, die Wahlversprechen des US-Präsidenten haben sich nicht erfüllt – trotzdem halten viele an ihm fest.  

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Selbstgebastelte Trump-Werbung in Chapmanville, West Virginia Foto: Frank Herrmann
Zwischen all die bunten Bilder im Flur seines Hauses hat Chris Hackney ein großes Schwarzweiß-Foto gehängt. Es zeigt Straßenzüge, in denen das Wasser so hoch steht, dass sie nur noch in Booten befahren werden können. Zu sehen ist das überflutete Williamson, eine Kleinstadt im Kohlerevier West Virginias, eigentlich idyllisch gelegen im Tal eines Flusses namens Tug Fork, der aber nach sintflutartigen Regenfällen über die Ufer trat und eine Seenlandschaft bildete.

"Es war der Tiefpunkt", sagt Hackney über die Katastrophe im April 1977, die sich tief eingegraben hat ins kollektive Gedächtnis der Region. Damals, erzählt der ehemalige Grubenarbeiter, hätten die meisten noch geglaubt, nach dem Desaster werde es schnell wieder bergauf gehen. Ging es aber nicht. Zählte der Ort vor vierzig Jahren noch siebentausend Einwohner, so sind es heute nur noch knapp dreitausend. "Das Herz der Milliarden-Dollar-Kohleflöze", steht auf einer verblichenen Tafel an einem Hang. Von den soliden Backsteingebäuden an der Hauptstraße, parallel zum Tug Fork River, in denen man nach Hackneys Worten einst alles kaufen konnte, was man zum Leben brauchte, stehen etliche leer. Make America Great Again?

Der Mann mit dem akkurat gestutzten Vollbart lächelt nur müde, wenn man ihn darauf anspricht, was Donald Trump im Herbst vor drei Jahren versprach. Im Mingo County, dem Landkreis, in dem Williamson liegt, erhielt der Kandidat Trump 83 Prozent der Stimmen. "Er ist eben ein exzellenter Verkäufer. Er kann dir verkaufen, was immer er möchte", sagt Hackney, der sich noch gut an den Wahlkampf erinnert. Da stand der Geschäftsmann aus New York auf einer Bühne in Charleston, der Hauptstadt West Virginias, und setzte sich demonstrativ den Helm eines Bergarbeiters aufs Haupt. "Ihr werdet stolz auf mich sein", rief er in die Arena. Auf Plakaten stand: "Trump digs coal", Trump gräbt nach Kohle.

Doch der große Aufschwung ist ausgeblieben. Kurz nach dem Machtwechsel im Oval Office hatte es noch danach ausgesehen. In den Bergen um Williamson wird metallurgische Kohle abgebaut. Das ist Kohle, die man nicht zur Energiegewinnung, sondern in Stahlschmelzen verwendet. Sie findet weltweit Abnehmer, vor allem in Asien. Da aber momentan nicht nur der amerikanische Markt gesättigt ist, sondern auch die Asien-Exporte schwächeln, hagelt es in West Virginia schlechte Nachrichten. Ein Unternehmen namens Blackhawk Mining hat angekündigt, es werde im Herzen des Reviers, im Mingo County und im Logan County, drei Gruben dichtmachen. 342 Kohlekumpel verlieren ihre Jobs, ungefähr ein Sechstel derer, die in beiden Kreisen noch in Schächte einfahren.

Selbst wenn sie in anderen Branchen Arbeit finden, ist es ein schwerer Schlag für die Gegend. Kein Kleinunternehmer zahlt die 38 Dollar Stundenlohn, die man für Schichten in einer Mine bekommt, und in aller Regel gibt es weder Krankenversicherung noch Betriebsrente. Nach Schätzungen der Energy Information Administration, einer Statistikbehörde, wird in diesem Jahr in den USA zehn Prozent weniger Steinkohle gefördert als im vergangenen. Für 2020 rechnen die Experten mit einem Minus von elf Prozent gegenüber 2019.

Der Hauptgrund: Kohlekraftwerke gehen vom Netz, weil sie gegen billiges, im Zuge des Fracking-Booms reichlich vorhandenes Erdgas nicht bestehen können. Hackney glaubt nicht mehr an den von Trump beschworenen Höhenflug. Aber er kann verstehen, warum sich viele an das Versprechen klammern. "Wenn jemand sagt, wir werden wieder groß, dann brennt im Fenster immer noch diese Kerze der Hoffnung. Du willst nicht, dass sie erlischt."

Er hat selber in einer Mine malocht, wie schon sein Vater, sein Großvater, sein Urgroßvater. Hackney war weggezogen aus Williamson, um im Nachbarstaat Kentucky Ingenieurwissenschaften zu studieren. An der Uni lernte er seine Frau Jessica kennen, ihr erstes Kind wurde geboren, das Netzwerk der Großfamilie daheim ersparte ihnen teure Nannys. Also ging es zurück, zurück auch in den Schacht. Bis 2015 fuhr Chris dort ein. Dann kauften er und Jessica ein altes Haus, eines der ältesten in Williamson, um es zu renovieren.

Nun werben sie damit, dass man bei ihnen wohnen könne wie im 19. Jahrhundert. Touristen kommen, um in Geländewagen über steile, oft schlammige Wege zu holpern, auf den Spuren eines blutigen Konflikts zwischen zwei hartnäckig verfeindeten Familienclans, den Hatfields und den McCoys, deren Fehde bereits Stoff für mehrere Hollywoodfilme bot. Man könnte sagen, dass die Hackneys die Zukunft in der Vergangenheit sehen.

Die Fahrt von Williamson nach Logan, rund fünfzig Kilometer, führt durch eine traumhaft schöne Landschaft. Links und rechts die herbstbunten Wälder der Appalachen, in den Dörfern postkartenschöne Kirchen, roter Backstein mit weißen, pfeilschlanken Türmchen. Hier und da Reklame nach der Zeile eines Country-Songs: "Almost Heaven, West Virginia." Nur telefonieren kann man nicht, denn irgendwo ist nach einem Sturm ein Kabel gerissen oder ein Mast umgestürzt, sodass die Kommunikation auf Tage zum Erliegen gekommen ist.

Die veraltete Infrastruktur: Danny Godby weiß, dass sie potenzielle Interessenten davon abhält, in der Stadt Logan zu investieren. Eine andere Barriere ist das Drogenproblem. Man kann nicht sicher sein, dass man genügend Arbeitskräfte findet, die einen Drogentest bestehen. Die Opioid-Epidemie ist zwar abgeflaut, dafür grassiert die Sucht nach Methamphetamin, einem kristallinen Pulver, das den Körper ausmergelt, Gehirnzellen zerstört, Halluzinationen und schwere Depressionen auslösen kann. Und weil Drogenbesitz mit Freiheitsentzug bestraft wird, ist die Zahl der Inhaftierten rasant angestiegen – aktuell die größte Sorge im Rathaus von Logan.

Godby, einst Baseballprofi, heute für den Etat zuständig, hatte zu Jahresbeginn noch 100 000 Dollar pro Monat dafür veranschlagt. Tatsächlich sind die Kosten auf mehr als 160 000 Dollar im Monat gestiegen, sodass er vor wenigen Tagen die Reißleine ziehen musste. Um die Gefängnisrechnung bezahlen zu können, hat Logan County einen Einstellungsstopp für öffentlich Bedienstete verhängt.

Jim Winkler, Besitzer eines auf Bergwerkspumpen spezialisierten Reparaturbetriebs, hat seinerzeit auf der Wahlkampfbühne direkt hinter Trump, dem Mann mit dem Helm, gestanden. Noch heute erzählt er davon voller Stolz. Der Präsident, lobt Winkler, tue, was er könne, an ihm liege es nicht. Er habe Umweltauflagen gelockert und alles aus dem Weg geräumt, was der Kohleindustrie das Leben schwer gemacht habe. Natürlich, sagt Winkler, wünsche auch er sich eine Wirtschaft, in der nicht alles von den Minen abhänge. Er sei ja kein Dinosaurier, er wisse um den Wert der Diversifizierung. "Aber im Augenblick ist die Kohle das, was wir hier haben. Wir können unmöglich auf sie verzichten."

HINTERGRUND

Öffentliche Anhörungen im Fall Trump

William Taylor, George Kent, Marie Yovanovitch: Es sind Namen, mit denen bis vor einigen Wochen nur Washington-Insider etwas anzufangen wussten. Von diesem Mittwoch an tritt das Trio ins Rampenlicht, wenn im US-Kongress die öffentliche Phase der Anhörungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump beginnt.

 Hinter verschlossenen Türen haben sie alle schon stundenlang auf Fragen geantwortet. Was sie jetzt vor laufenden Kameras zu sagen haben, dürfte sich kaum unterscheiden von dem, was sie bereits zu Protokoll gaben. Dennoch spricht die Opposition von einer Zäsur. Man wolle dem Volk die Möglichkeit geben, sich selber ein Urteil zu bilden, sagt Adam Schiff, der Abgeordnete aus Los Angeles, der den Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses leitet.

 Zwar hat Schiff längst freigegeben, was jene Zeugen bei nichtöffentlichen Vernehmungen, in einem abhörsicheren Raum im Keller des Kapitols, zu Protokoll gaben. Die Aussagen summieren sich auf mehr als 2500 Seiten, aus denen die großen Zeitungen des Landes ausführlich zitiert haben. Nur sei es eben, argumentieren die Demokraten, etwas anderes, wenn man das alles live im Fernsehen erlebe. Zwei Wochen, bis zum Thanksgiving-Fest Ende November, sollen die Hearings dauern.

 Ausgeleuchtet werden soll, was jenem Telefonat vorausging und folgte, in dem Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am 25. Juli um "einen Gefallen" bat, um die Aufnahme von Ermittlungen gegen den Demokraten Joe Biden und dessen Sohn Hunter, der im Aufsichtsrat des Gasunternehmens Burisma gesessen hatte. Mit anderen Worten, um Wahlkampfhilfe gegen einen potenziellen Rivalen im kommenden Präsidentschaftswahlkampf.

 Nach allem, was man bisher weiß, gab Mick Mulvaney, der Stabschef des Weißen Hauses, eine Woche vor Trumps Gespräch mit Selenskyj die Anweisung, 391 Millionen Dollar Militärhilfe für die Ukraine zurückzuhalten. Warum, daran hat der Zeuge Taylor, ein 72-jähriger Diplomat, hinter schalldichten Türen nicht den geringsten Zweifel gelassen: Das Geld sollte erst fließen, wenn Selenskyj Nachforschungen gegen die Bidens zugesagt hatte. Dennoch bleiben Fragen: Kam die Order, die Auszahlung der Hilfe zu blockieren, von Trump? Oder handelte Mulvaney auf eigene Faust, womöglich in vorauseilendem Gehorsam?
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