Handwerk in der Region
"Bodenständiges mit Zukunft"
Verlagsthema Interview über die Lage und Herausforderungen des Handwerks im Kreis Lörrach
Di, 13. Mai 2025, 11:11 Uhr
Verlagsthema
Thema: Handwerk in der Region
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Für die Belange der rund 400 Mitgliedsbetriebe der Kreishandwerkerschaft Lörrach setzen sich Kreishandwerksmeister Martin Ranz und Geschäftsführer Daniel P. Herkommer ein – und besprechen mit Anita Fertl die Ergebnisse der aktuellen Januar-Umfrage.
Martin Ranz: Hundertprozentig auch so. Wir müssen jedoch unterscheiden: Das Handwerk hat viele Facetten, wir haben mehr als 130 Berufe. Und nicht jeder Beruf steht natürlich gleich gut da. Aber es geht klar aus unserer Umfrage hervor: Sehr gut ausgelastet sind 20 Prozent der Betriebe, als gut bewerten die Auftragssituation rund 39 Prozent und als befriedigend 31 Prozent.
Daniel P. Herkommer: Die angezogene Handbremse kommt daher, dass wir Unsicherheiten bei politischen Rahmenbedingungen haben, wenn etwa unklar ist, ob Fördergelder wieder zurückgenommen werden. Das bewirkt in der Bevölkerung natürlich eine Zurückhaltung bei der Investitionsbereitschaft.
Ranz: Und die Wahl, die ganze Unsicherheitssituation auch bei den Koalitionsverhandlungen, die strahlt ins ganze Frühjahr hinein.
BZ: Gerade was die Fachkräfte von morgen angeht, gibt es positive Signale: Knapp 86 Prozent der Betriebe bilden aus und laut der Auszubildendenstatistik konnten Sie auch ein Plus von 4,1 Prozent einfahren.
Herkommer: Es freut uns, dass wir nach Corona die Zahlen nach oben bringen konnten – was wirklich wichtig ist, da die Schulabgänger weniger werden und auch nicht alle eine Lehre anfangen. Das heißt, die Zahlen sind doppelt gut sozusagen – ganz generell ist das Handwerk einer der größten Ausbilder.
Ranz: Langsam kommt an, dass das Handwerk goldenen Boden hat. Zum einen sieht die Bevölkerung, dass das Handwerk immer noch positiv dasteht. Jetzt mal von der Bauwirtschaft abgesehen, das hat andere Gründe. Aber beim Handwerk hat man etwas Bodenständiges mit Zukunft, das ist angekommen bei der Bevölkerung.
BZ: Der Bau schwächelt. Andere, wie etwa das SHK-Gewerk, sind die Gewinner. Wie könnten Lösungen jenseits der Politik aussehen?
Ranz: Ein Beispiel ist einer unserer Kollegen, der zu seinem Bauunternehmen eine Zimmerei mit dazugenommen hat. Jetzt kann er die Holzbauweise komplett umsetzen. Das ist auch in anderen Bereichen so, dass teilweise Gewerke zusammenschmelzen. Ein Beispiel ist die Solarbranche. Dort kommt zuerst ein Zimmermann, dann ein Dachdecker und ein Elektriker schließt alles an. Ebenso beim Heizungsbau: Die Wärmepumpe macht der Elektriker, ein SHK-Fachmann schließt sie an.
Herkommer: Es gibt auch immer mehr Betriebe bei uns, die Leute von anderen Gewerken einstellen. Ein SHK-Betrieb hat einen Elektroniker und umgekehrt. Oder Zimmerleute einen Maler. So kann man das Angebot besser an den Bedarf anpassen.
BZ: Ein Thema der Befragung war, mit welchen Belastungen die Betriebe auch von staatlicher Seite aus zu kämpfen haben.
Ranz: Da steht die Bürokratie an erster Stelle. Selbst die Gemeinden und Städte haben mit ihr Probleme.
Herkommer: Ich glaube auch nicht wirklich ernsthaft, dass da ein großer Wurf gelingt. Weil die Bürokratie in der Mentalität der Deutschen verankert ist. Ein Beispiel: Wir haben einen Kfz-Betrieb, der vom Gewerbeaufsichtsamt eine Kontrolle hatte, nachdem die Berufsgenossenschaft da war. Das waren beide Male Fragen zum Umgang mit dem Personal und mit der Sicherheit. Zweimal dasselbe. Und das bindet dann Kapazitäten im Betrieb. Das haben wir aber auch angesprochen bei unseren Gesprächen mit Landrätin oder Bürgermeistern, und hoffen, dass sich künftig etwas bewegt.
BZ: In Sachen Bürokratie gab es auch Probleme bei Migranten, die Sie als Azubis einstellen wollten.
Ranz: Wir haben bei der Agentur für Arbeit Gespräche gehabt und bekommen jetzt nur diejenigen vermittelt, mit denen wir wirklich arbeiten können. Jetzt hoffen wir, dass wir noch einige im Handwerk unterbringen können.
Herkommer: Das sind halt verschiedene Institutionen involviert, die Agentur für Arbeit, die Ausländerbehörde, der Jugendschutz. Bisher war es so, dass Flüchtlinge, die als Auszubildende beschäftigt waren, während der Ausbildung hätte abgeholt werden können. Das gibt es nicht mehr. Und auch zwei Jahre danach nicht. Das heißt, die Investition, die man in so einen jungen Menschen macht, ist nachhaltiger. Man kann ihn aufbauen und auch für das Unternehmen binden.
Die Interviewpartner:
Martin Ranz (62) ist seit 2019 Kreishandwerksmeister im Kreis Lörrach und führt eine Schreinerei in Weil am Rhein.
Daniel P. Herkommer (55) ist als gelernter Industriekaufmann und Bilanzbuchhalter ebenfalls seit 2019 Geschäftsführer.