Brückenbauer
Vom faszinierten Bub in Heitersheim bis zu beeindruckenden Einsätzen im Europa-Park und im Ahrtal: Patrick Winterhalter ist Teil des Technischen Hilfswerks THW.
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Zum Technischen Hilfswerk kam er durch einen großen Knall und die Wehrpflicht. Sein Vater hatte einen Baustoffhandel in einer alten Ziegelei in Heitersheim, und der große Kamin musste weg, erzählt er. "Da kam das THW ins Spiel." Ein Sprengmeister hat die Sache erledigt, und das war wohl spektakulär.
"Jawoll", bestätigt Winterhalter und lächelt. Damals war er etwa acht Jahre alt. Und als die Bundeswehrzeit anstand, verpflichtete er sich für acht Jahre Ersatzdienst beim THW – damals ein Klassiker. Der Heitersheimer konnte gleich sein Architektur-Studium aufnehmen. Beim THW Müllheim war nur alle 14 Tage Dienst. "Und dann bin ich hängen geblieben." Das lag auch an einer Katastrophe: das Elbe-Hochwasser 2002. Der THW-Ortsverband Müllheim fuhr ins Überschwemmungsgebiet, auch Feuerwehrleute waren in Glashütte. Brücken und Häuser waren weggerissen, erinnert sich Winterhalter. Das THW errichtete eine Behelfsbrücke. Dafür sind die Müllheimer Spezialisten.
Dem Einsatzteam gehören etwa 65 Männer und Frauen an, darunter ein Versicherungsvertreter, ein Ingenieur und eine Erzieherin, wobei Fiona Mager Gruppenführerin im Brückenbau ist. Das THW bildet seine Ehrenamtlichen spezifisch aus. Winterhalter hat den Kran- und den Lkw-Führerschein und teilt mit vielen die Faszination für schweres Gerät: "Klar, das ist Spielen für Erwachsene." Der Architekt ist seit 2007 als Ortsbeauftragter der Chef des THW Müllheim, mag die Einsätze und weniger die Bürokratie.
Das THW ist eine Organisation für Zivil- und Katastrophenschutz. Es wird diesen August 75 Jahre alt und besteht aus 88.000 Ehrenamtlichen, 2200 Hauptamtlichen und 800 Bufdis. Es ist gefragt, wenn es technisch aufwendig wird: Naturkatastrophen, großflächige Stromausfälle, Unglücke. Die Helfer und Helferinnen retten, organisieren und reparieren. Das THW hat bundesweit Spezialteams für jeden Krisenfall – beispielsweise für das Bergen, die Trinkwasserversorgung oder 16 Brückenbau-Fachgruppen. Jede Einzelne war 2021 im Ahrtal.
"Ein Wahnsinnseinsatz", erinnert sich Winterhalter. Das THW hat 28 Behelfsbrücken gebaut, an zehn waren die Müllheimer beteiligt. Sie waren gleich nach dem Hochwasser in Bad Neuenahr-Ahrweiler, die am schlimmsten betroffene Stadt, vorneweg die Zugführer Fiona Mager und Marc Wiencke, Patrick Winterhalter und sein Vize Patrick Weisser. Das Material kommt meist aus dem Lager des Bundesverkehrsministers.
Winterhalter, der die bundesweite Fach-AG Brückenbau des THWs leitet, war als Fachberater tätig. Im Schnelldurchgang wurden Brücken geplant und Absprachen mit Behörden getroffen. Als Fachberater ist der Heitersheimer auch Teil von Führungsgruppen, wie sie bei größeren Lagen mit Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst gebildet werden. Zudem ist er als Baufachberater im Einsatz – der größte war der Brand von "Piraten in Batavia" 2018 im Europa-Park. 500 Kräfte waren damals im Einsatz, der THW-Berater klärte zum Beispiel, ob Feuerwehrleute zum Löschen das Dach des Fahrgeschäfts betreten können.
Der Einsatz im Ahrtal war tragisch, aber auch toll, sagt Patrick Winterhalter. "Wenn man sieht, was man bewegen kann. Wenn jemand vor einem steht, und einfach danke sagt." Auch in der Region ist die Brückenbau-Einheit des THW Müllheim im Einsatz, etwa um die Zufahrt zur Schule zu sichern oder Umwege zu verhindern, wenn eine Brücke saniert wird – in Hofstetten zum Beispiel, im Wiesental oder 2015 bei Freiburgs Kronenbrücke. Auch im Ausland war sie schon tätig, etwa in Somalia. Die größte Brücke, die sie bisher gebaut hat: 120 Meter lang, sechs Meter breit für zwei Autospuren und Schwerverkehr in Vaihingen an der Enz.
Die THW-Kräfte haben im Jahr zehn bis 15 Einsätze, viele davon sind klein. Oft beginnen sie, wenn die Feuerwehr abrückt, übernehmen die Beleuchtung oder sichern die Statik von Gebäuden. Manchmal aber müssen sie schnell an den Einsatzort, dann machen sich die zunehmenden Tempo-30-Zonen bemerkbar. "Lieblingsblitzer Hügelheim", meint Winterhalter. In dem Dorf an der B3 steht einer der wenigen Starenkästen im Raum Müllheim.
Im Frühling zeichnete das deutsche THW Patrick Winterhalter mit dem Ehrenzeichen in Silber aus, das gibt es nicht oft. Vize-Präsident Dierk Hansen hob nicht nur seine fachlichen Kompetenzen und Führungsqualitäten hervor, sondern auch Menschlichkeit und Teamgeist. "Gemeinsam macht das Ehrenamt viel mehr Spaß", hat Winterhalter dazu gesagt: "Ich bin keine One-Man-Show."
Der 46-Jährige ist im Beruf Geschäftsführer einer Bad Krozinger Wohnbaugesellschaft und für Projektmanagement und Bauabwicklung zuständig. Er ist ledig und hat keine Kinder, aber eine große Familie. Für das THW engagiert er sich 300 bis 350 Stunden im Jahr. Schwer vorstellbar: Er hat noch andere Hobbys. Winterhalter wandert und fährt Ski, er ist in Heitersheims Historischer Gesellschaft und reist gerne nach Afrika, erzählt er: "Viel vom Leben normaler Leute mitbekommen, viele Tiere sehen."
Sein nächster Weg führt ihn nur über den Hof zum dunkelblauen THW-Fuhrpark. Das Kranfahrzeug steht wieder in der Halle, 36 Tonnen schwer und wie neu. Er war Teil eines kuriosen Einsatzes: Der neue, 850.000 Euro teure Mobilkran war bewegt worden, damit er nicht zu lange steht, und landete versehentlich im Graben. Der Fahrer war unverletzt. "Das Wichtigste", meint Winterhalter.
Der Clou: Das THW hat sich selbst geborgen. Kranfirmen boten ihre Hilfe an, Patrick Weisser hatte die Leitung der – natürlich – spektakulären Aktion: Zwei Mobilkräne haben den havarierten Riesen hochgehoben, in der Luft gedreht und auf die Räder gestellt. Der Kranarm war beschädigt, das Führerhaus kaputt, das Ganze nicht versichert: Normalerweise sind Schäden an THW-Fahrzeugen billiger als die Versicherung. Die Kosten für die Reparatur kennt Patrick Winterhalter noch nicht, aber er konnte sicherstellen, dass die THW-Familie beisteht. Diesmal braucht der Ortsverband selbst Hilfe.