Kuschel-Pop

Charmeur für die breite Masse: Wincent Weiss beim ZMF

Er erweicht selbst Betonherzen von Männern, die nur als Begleitschutz zum Konzert gekommen sind: Wincent Weiss ist beim ZMF in Freiburg aufgetreten.  

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Mann der Herzen: Wincent Weiss  | Foto: Wolfgang Grabherr
Mann der Herzen: Wincent Weiss Foto: Wolfgang Grabherr
Ein kleines Mädchen in silber glitzernden Sandalen lehnt sich an seine Mutter. Doch dann erklingt der erste Ton, 2700 junge Frauen im ausverkauften Zirkuszelt des ZMF kreischen – es geht los! Das Mädchen schaut auf, streckt sich und versucht mit aller Mühe über die Köpfe der Zuschauer zu blicken. Wincent Weiss kommt auf die Bühne. Er strahlt, seine Zähne sind so weiß wie seine Sneakers. Er schließt die Augen, umfasst mit seiner rechten Hand das Mikrofon – wie den Kopf der Liebsten, kurz vor einem Kuss. "Mein Herz war mit Zement bedeckt. Hast es befreit, wiederbelebt. Mein Betonherz bebt", singt Weiss. Ob er jedes Herz an diesem Abend zum Schmelzen bringt, ist fraglich. Ein paar der Zuschauer, in der Regel Begleitpersonen, scheinen wenig beeindruckt von der Gefühlsduselei des deutschen Popstars. Noch.

"Ich bin immer noch der Junge aus den alten Geschichten", so beschreibt sich Wincent Weiss selbst. Der heute 25-Jährige aus Schleswig-Holstein bewirbt sich 2013 bei der RTL-Gesangs-Castings-Show "Deutschland sucht den Superstar" – schafft es aber nur unter die Top 29. Doch zwei Jahre später werden die DJs Gestört aber Geil auf seine Coverversion des Liedes "Unter meiner Haut" von Elif Demirezer aufmerksam. Der Remix landet im Juli 2015 in den deutschen und wird sogar mit Platin ausgezeichnet.

Mittlerweile hat es Weiss geschafft, sich neben Sängern wie Clueso, Max Giesinger und Tim Bendzko im deutschen Pop zu etablieren. Dabei beweist er, dass das Erfolgsrezept manchmal ganz simpel sein kann: ein breites Lächeln, ein junges, glattrasiertes Gesicht, gefühlvolle Melodien und einfache Texte. "Feuerwerk", "Regenbogen", "Frische Luft" – mehr Wörter braucht es nicht, um die Refrains seines ersten Albums "Irgendwas gegen die Stille" mitsingen zu können.

Auch das Mädchen neben seiner Mama weiß genau, an welchen Stellen der Lieder es sein Smartphone zücken muss. "Ich habe das Konzert zu meinem Geburtstag bekommen. Im März bin ich zwölf geworden", sagt Joya. Sie ist nicht das einzige Kind, das seine Hände zum Herz geformt in die Höhe hält. Weiss hat ein sehr junges und überwiegend weibliches Publikum. Nur vereinzelt finden sich ein paar Männer.

Weiss versucht alles, um jeden Besucher im Zirkuszelt für sich zu gewinnen. So hält ihn niemand davon ab, bei "Mittendrin" in das Publikum zu steigen und sich einmal quer durch die Masse zu quetschen. Bei einem älteren Mann, die Arme verschränkt, bleibt er stehen – doch wer sich so viel Mühe gibt, die Töchter zu beeindrucken, hat auch die Väter früher oder später auf seiner Seite. Der Mann lächelt. Selbst die HipHop-Fans hat er nach dem Intro zu "Unter meiner Haut" mit der Melodie von Eminems "Till I Collapse" überzeugt.

Weiss, der Charmeur, spiegelt den Jungen wieder, in den man sich damals in der fünften Klasse so doll verknallt hat. Doch wie damals trägt man auch heute eine rosarote Brille: Feuerfontänen, Konfetti, weiße Ballons und Stroboskopblitze lenken von Fehlern ab: Hohe Töne klingen oftmals schräg und auch auf das Cover des Deutschrap-Track "Ahnma" der Beginner mit Straßenrapper Gzuz hätte er verzichten können.

Doch auch wenn man die Popballaden von Weiss kritisiert, weil sie wenig Vielfalt bieten, gibt es nichts an seinem Einsatz und der Show zu kritisieren. Auch Joya und ihrer Mutter scheinen begeistert zu sein. "War super!", sagt Joya – mit einem Grinsen über beide Wangen, bei der ihre Zahnspange hervor blitzt. Und spätestens jetzt scheint jedes Betonherz gebrochen.

Fotos vom Konzert gibt es unter http://mehr.bz/wincentzmf
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