Interview

Claire Boucher alias Grimes: "Ich war ein absoluter Dilettant“

BZ-INTERVIEW mit Popsängerin Claire Boucher alias Grimes.  

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Grimes mit schlagendem Argument  | Foto: 4AD/Beggars Group
Grimes mit schlagendem Argument Foto: 4AD/Beggars Group

Das Zeit-Magazin hat sie gerade zur neuen Madonna ausgerufen, andere Meinungsmacher raunen von der neuen Björk: Die Sängerin Grimes steht mit ihrem vierten Album "Art Angels" vor dem Schritt vom Hipster-Liebling zum Star für die Massen. Dafür hat Claire Boucher, die hinter der Kunstfigur Grimes steht, ihren experimentellen Elektro-Pop teils geglättet und eingängig gemacht. Marcel Anders hat die 27-jährige Kanadierin in Paris getroffen.

BZ: "Art Angels" weist einen deutlich besseren Sound als seine Vorgänger auf – würden Sie sagen, dass es sich um Ihr erstes professionelles Album handelt?
Boucher: Es ist definitiv das erste Album, das ich als Musikerin gemacht habe. Davor habe ich nur wild herumexperimentiert. Es war ein reines Hobby und ich hatte keine Ahnung, was ich tue. Nach dem Motto: "Ich probiere einfach mal dies oder das." Aber dieses Album bin ich ganz anders angegangen. Zunächst einmal habe ich gelernt, wie man Gitarre spielt und seinen Gesang arrangiert. Solche Sachen. Und deshalb ist es auch witzig, dass mich jetzt jeder fragt: "Warum hat das so lange gedauert?" Na, weil ich zunächst einmal Musik lernen musste. Als die ersten Alben erschienen, konnte ich kein einziges Instrument spielen und hatte keine Ahnung von der Technik. Ich war ein absoluter Dilettant.
BZ: Wie ist es, wenn Sie sich Ihr Frühwerk anhören? Ist das eine Tortur oder bringt es Sie zum Lachen?
Boucher: Ich habe inzwischen meinen Frieden damit geschlossen. Im Sinne von: Ich schäme ich nicht mehr so in Grund und Boden, wie ich es früher getan habe, sondern ich stehe dazu. Trotzdem finde ich einige Sachen wie den Gesang immer noch unerträglich. Da liege ich wirklich oft daneben. Und obwohl ich weiß, dass ich keine gute Sängerin bin, so gibt es doch Stellen, an denen mir klar ist: Das hätte ich besser hinkriegen können. Und zwar ohne große Mühe. Aber gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass die Naivität dieser Alben etwas Wunderbares ist.
BZ: Das neue Album zerfällt in zwei Hälften, eine eingängige und eine experimentelle.
Boucher: Die ursprüngliche Idee war: Pop und Nicht-Pop. Aber jetzt weist die eine Seite mehr Gitarren auf, die sich von extrem aggressiv bis fast poppig bewegen. Und die andere rokokomäßige Electronica, die auch mal richtig verrückt wird.
BZ: Warum dieser Brückenschlag? Ist es so schwer, Ihr Publikum zu befriedigen?
Boucher: Es hat ein bisschen was davon. Also zuerst wollte ich ein reines Gitarrenalbum machen, aber kurz vor Ende – als ich etliche Stücke fertig hatte – war mir das zu eindimensional, und ich habe wieder das Keyboard herausgeholt und angefangen, sie zu verändern. Einfach, weil das in meiner Natur liegt – für mich ist das der leichteste Groove, den es gibt. Und die Stücke, die sich leicht fühlen, sind auch die besten.
BZ: Wenn Sie von verrückten Songs sprechen – wie verrückt wird es dabei?
Boucher: Was die Texte betrifft, ist das extremste mit Sicherheit "Kill V Maim". Es ist aus der Perspektive von Al Pacino in "Der Pate II" geschrieben – wobei er in diesem Fall ein Vampir ist, der sein Geschlecht verändern und durch Zeit und Raum reisen kann. Verrückter wird es eigentlich nicht.
BZ: Ihr großes Ziel besteht angeblich darin, irgendwann nur noch als Produzentin zu arbeiten und den ganzen Tag im Pyjama vor dem Computer zu sitzen.
Boucher: Mein Vertrag umfasst noch ein weiteres Album, und dann bin ich fertig. Ich habe nicht vor, noch weiter zu touren und ich werde auch keine TV-Auftritte oder Foto-Sessions mehr absolvieren. Einfach, weil mir das schon jetzt zu viel ist. Wenn ich also erst einmal genug Geld verdient habe, werde ich es wie Kate Bush machen. Ich werde nach meinem eigenen Tempo arbeiten und nichts mehr mit diesem Boulevard-Kram zu tun haben.
BZ: Was halten Ihre Eltern von Ihrer Karriere?
Boucher: Sie haben mehrfach deutlich gemacht, dass sie mit meinem Lebenswandel und meiner Kunst nichts anfangen können und beides ablehnen. Einfach, weil sie so engstirnig und verbohrt sind, und weil sie Sachen wie Blogs und den Erfolg im Internet gar nicht verstehen. Wobei ich bei meinem Vater sogar das Gefühl habe, dass es ihm lieber wäre, wenn ich keinen Erfolg hätte – einfach, weil ihm mein Auftreten und Aussehen peinlich ist.
BZ: Das klingt sehr traurig.
Boucher: Ist es auch. Aber: Ich werde mich nicht seinen Ansichten und Werten unterordnen, um ihn zufriedenzustellen. Das gilt für alles, was ich tue: Ich will mich nicht anpassen und anbiedern. Ich will einfach nur ich sein und keinem gehören: Keinem Genre, keinen Fans, keinem Label, keinem Produzenten. Ich bin mein eigenes Ding.

Grimes: Art Angels (4AD), als Download von sofort an, als CD und LP ab 11. Dezember.

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