Interview
"Das Mindeste ist ein Notruf": Experte erklärt, worauf es bei der Ersten Hilfe ankommt
Im Notfall zählt jede Sekunde. Doch viele zögern, Erste Hilfe zu leisten. Gottfried Moser aus Forchheim gibt ehrenamtlich Kurse bei den Maltesern. Er erklärt, was wirklich wichtig ist.
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BZ: Herr Moser, haben Sie auch den Eindruck, dass sich viele heute nicht mehr trauen, richtig loszulegen, wenn es um Erste Hilfe geht?
Ja, ich habe den Eindruck, dass es da Hemmungen gibt. Mittlerweile gibt es leider auch die Tendenz zu gaffen, zu fotografieren oder zu filmen, anstatt zu helfen. Das berichten auch immer wieder die Kollegen aus dem Rettungsdienst.
BZ: Woran liegt das?
Die, die helfen wollen, sind oft gut ausgebildet oder helfen intuitiv. Aber bei vielen liegt der Erste-Hilfe-Kurs auch schon sehr weit zurück. Und es ändert sich im Laufe der Zeit schon einiges. Ich kann jedem nur empfehlen, ein Update zu machen.
BZ: Sie bieten erst seit kurzem Erste-Hilfe-Kurse für die Malteser Nördlicher Breisgau an. Wie kam es dazu?
Die Malteser Nördlicher Breisgau sind eine noch recht junge Gliederung der Malteser. Uns gibt es erst seit 2022. Wir fangen jetzt mit den Kursen an. Die Hürden für die Ausbilder sind sehr hoch. Die Berufsgenossenschaften haben genaue Vorstellungen, wie die Ausbildung zum Erste-Hilfe-Ausbilder aussehen soll. Das kann jemand, der berufstätig ist, fast nicht nebenher machen. Daher hat es ein bisschen gedauert, bis ich fertig war. Es sind jetzt noch weitere Kollegen in der Ausbildung. Ich habe schon ehrenamtlich Kurse bei anderen Gliederungen gegeben, man hilft sich da gegenseitig. Unsere eigenen Kurse starten am 20. September.
BZ: Für wen sind die Erste-Hilfe-Kurse gedacht?
Die sind grundsätzlich für alle gedacht, für die klassischen Führerscheinanwärter wie auch für Firmen, die ihre Betriebshelfer schulen wollen, oder für Trainer in Vereinen oder Mitarbeiter von Bildungseinrichtungen wie Schulen. Ab dem kommenden Jahr können wir auch Erste Hilfe am Kind anbieten, das brauchen zum Beispiel Mitarbeitende von Kindergärten.
BZ: Wie oft sollte man einen Erste-Hilfe-Kurs auffrischen?
Ich würde sagen mindestens alle zehn Jahre. Aber besser irgendwann als gar nicht. Zu alt ist man dafür auch nie. Und man kann sich auch schon als Kind oder Jugendlicher mit Erster Hilfe beschäftigen. Es gibt keine Altersober- oder -untergrenze. Gut ist meiner Meinung nach ab 14 Jahren. Da haben die Jugendlichen in der Schule schon etwas zu Herz und Lunge gelernt. Wir haben vor kurzem auch eine kleine Schulung für die Landfrauen in Forchheim angeboten und da war das Altersspektrum von 35 bis 85 Jahren. Die älteren Damen waren begeistert dabei. So ein Kurs kann auch Spaß machen.

BZ: Gibt es genügend Angebote in der Region?
Die Nachfrage ist auf jeden Fall da. Das DRK bietet Kurse an und die Malteser in Freiburg und Offenburg auch. Dass wir in Forchheim auch Kurse anbieten, muss sich erst noch herumsprechen.
BZ: Finden Sie, dass es eine Pflicht geben sollte, dass man die Kenntnisse in regelmäßigen Abständen auffrischt?
Das wäre schön, aber das ist schwer durchsetzbar. Das müsste ja dann so etwas beinhalten wie einen Führerschein auf Zeit. Nur so würde man kontrollieren können, dass die Menschen eine Nachschulung und einen Erste-Hilfe-Kurs machen. In Firmen und für Betriebshelfer gibt es diese Pflicht ja schon. Jeder muss laut den Berufsgenossenschaften eine gewisse Anzahl ausgebildeter Betriebshelfer haben und die Ausbildung auch auffrischen. Solche Kurse bieten wir auch an, die rechnen wir dann direkt mit den Berufsgenossenschaften ab.
BZ: Wie haben sich die Kurse im Laufe der Zeit verändert?
Als ich damals meinen ersten Kurs gemacht habe, da lag der Schwerpunkt ganz klar auf Verkehrsunfällen. Also wie man jemanden aus dem Auto zieht oder einen Verband macht und die Unfallstelle absichert. Das ist heute etwas in den Hintergrund gerückt. Man lernt natürlich noch, wie man Blutungen stoppt oder Verbände macht. Mittlerweile sind aber mehr die internistischen Krankheiten Thema, also Herzinfarkt und Schlaganfall.
BZ: Was ist das Wichtigste für einen Ersthelfer?
Man sollte nach bestem Wissen und Gewissen handeln und einfach machen. Das Schlimmste, was man tun kann, ist nichts zu tun. Das Mindeste ist ein Notruf oder auf sich aufmerksam zu machen und laut nach Hilfe zu rufen. Irgendwer wird in der Nähe sein und kommen. Nur stumm daneben zu sitzen, hilft niemandem.
BZ: Auch wenn jemand gerade erst einen Kurs gemacht hat und man Bescheid weiß, wenn da ein echter Mensch liegt, hat der eine oder andere doch bestimmt trotzdem Hemmungen oder?
Ja, das kann passieren. Und so geht es auch einigen. Es hängt mit der eigenen Persönlichkeit zusammen, wie man da rangeht und wie man sich traut. Denn man handelt ja auch eventuell vor Publikum oder muss den anderen Anweisungen geben. Man muss auch sagen können, dass man Hilfe braucht oder jemand anders den Notruf wählen soll. Ist man eher schüchtern, dann braucht man vielleicht jemanden, der als Vorreiter fungiert.
Auf die Sicherheit achten
Gewährleisten Sie vor Ort Ihre eigene Sicherheit und die aller Beteiligten, indem Sie die Unfallstelle absichern und sich selbst vor Gefahren schützen.
Atmung und Bewusstsein kontrollieren
Sprechen Sie die verletzte Person an, rütteln Sie leicht an ihren Schultern und prüfen Sie dann mit den Augen, dem Gehör und der Hand die Atmung für maximal zehn Sekunden.
Notruf wählen
Wenn die Person nicht normal atmet, rufen Sie den Notruf 112 oder bitten Sie jemanden der Anwesenden anzurufen. Beantworten Sie die Fragen der Leitstelle genau: Wo ist der Unfallort? Was ist passiert? Wer ruft an? Wie viele Verletzte sind es? Warten Sie auf Rückfragen der Leitstelle.
Lebensrettende Sofortmaßnahmen
Atmet die verletzte Person nicht, sofort mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung (30 Mal drücken, zweimal beatmen) beginnen. Ungeschulte Helfer können sich auf die Herzdruckmassage konzentrieren.
Blutungen stillen
Leisten Sie direkten Druck auf die Wunde, um starke Blutungen zu stoppen.
Schock bekämpfen
Sorgen Sie für eine ruhige Umgebung, wärmen Sie die Person und legen Sie sie in die Schocklage, um Kreislaufprobleme zu lindern.
Stabile Seitenlage anwenden
Wenn die Person bewusstlos ist, aber noch normal atmet, bringen Sie sie in die stabile Seitenlage, um die Atemwege freizuhalten.
Info: Die nächsten Erste-Hilfe-Kurse der Malteser Nördlicher Breisgau sind am 20. September und am 15. November von 8.30 bis 16.30 Uhr im Gemeindezentrum Forchheim. Die Kurse eignen sich für Führerscheinanwärter und alle Interessierten. Infos unter: [email protected]. Anmeldung unter: www.malteser.de/erste-hilfe.html. Für Firmen und Vereine gibt es ab zwölf Teilnehmenden Kurse vor Ort.
afs
BZ: Was raten Sie, damit man sich mehr zutraut?
Man kann die Hemmungen ablegen, indem man öfter für den Ernstfall übt. Wenn Menschen alle zwei Jahre im Betrieb so einen Kurs machen müssen, dann gehen sie da ganz anders ran. Sie haben weniger Angst überhaupt anzufangen als jemand, der das das letzte Mal vor 20 Jahren gehört hat.
BZ: An vielen öffentlichen Plätzen gibt es für diese Notfälle einen Defibrillator. Kann die einfach so jeder bedienen?
Wer vor zehn oder 15 Jahren seinen Führerschein gemacht hat, der hat den Umgang mit einem Defibrillator nicht gelernt. Das ist erst seit einigen Jahren Teil der Erste-Hilfe-Kurse. Das ist sehr sinnvoll. Denn die Geräte sind für jedermann zugänglich. Und es ist gut, einmal gesehen zu haben, wie sie funktionieren.
BZ: Und wenn ich die Geräte noch nicht kenne?
Grundsätzlich sind die Geräte so konzipiert, dass sie jeder bedienen kann. Zum einen haben sie auf der Außenseite Piktogramme, die erklären wie man anfängt, und wenn man das Gerät einschaltet, dann sagt es einem auch, was man tun soll. Die Frage ist aber, ob man sich überhaupt traut, das Gerät zu holen und es einzuschalten. Dazu muss man auch wissen, wo der Nächste ist. Außerdem macht es auch nur Sinn das Gerät zu holen, wenn währenddessen jemand die Herzdruckmassage übernimmt und beatmet. Das muss immer laufen. Der Defibrillator ist die Zugabe. Man braucht also mindestens drei Ersthelfer.
BZ: Gibt es auch Fälle, in denen man lieber auf Erste Hilfe verzichten sollte?
Ja, wenn man sich selbst gefährden würde. Wenn jemand nicht gut zugänglich ist und man selbst abstürzen könnte, wenn man zu ihm gelangen will. Oder wenn jemand in einem Silo liegt und eine CO2-Vergiftung hat, dann riskiere ich ebenfalls eine Vergiftung, wenn ich da reingehe. Andere Beispiele wären Explosionsgefahr oder Starkstrom. Da muss erst der Strom weg sein, bevor ich mich zu der Person begeben kann. Selbstschutz geht immer vor. Es macht aber natürlich einen großen Unterschied, ob da ein Fremder liegt oder ein Angehöriger, für den ich alles riskieren würde.
Gottfried Moser (63) wohnt in Forchheim und ist Fachpflegekraft für Innere Medizin und Intensivmedizin. Bei den Maltesern leitet er die Gliederung Nördlicher Breisgau, ist Mitglied der Helfer-vor-Ort-Gruppe, Leiter der Einsatzdienste und Ausbildungsleiter.