Nachtmützen und Bademantel

"Der kleine Häwelmann" als inszeniertes Konzert auf der Bühne

Das Kind rappelt am Bettgitter, will nicht schlafen, schreit ständig „mehr, mehr!“. Was tun? TV, Tablet-Computer oder Ritalin? So etwas stand dem Nordfriesen Theodor Storm im Jahr 1849 für den Umgang mit kleinen Häwelmännern – plattdeutsch für Nervzwerge mit Hyperaktivitätsstörung – nicht zur Verfügung.  

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Szene aus „Der kleine Häwelmann“   | Foto: Maurice Korbel
Szene aus „Der kleine Häwelmann“ Foto: Maurice Korbel
Also machte er das draus, was er als Schriftsteller am besten konnte, eine Geschichte, und schickte den Kleinen statt zum Kinderpsychiater auf den Schwingen des Erzählens im Gitterbettchen zum Mond. Als 77 Jahre später die Illustratorin Else Wenz-Viëtor kongeniale Bilder dafür fand, war der bis heute beliebte Kinderbuchklassiker fertig.

Den jungen Duisburger Komponisten Hauke Berheide (Jahrgang 1980) hat Storms "Kleiner Häwelmann" dem Vernehmen nach schon als Neunjähriger so fasziniert, dass er daraus eine Oper machen wollte. Rund 23 Jahre später ist immerhin ein inszeniertes Konzert daraus geworden, das 2012 in Düsseldorf uraufgeführt wurde und zurzeit im Freiburger Theater zu Gast ist.

Da stehen Mutter (Franziska Gündert) und Häwelmann (Annette Bieker) mit Ratz-und-Rübe-Perücken nun am Rand der Großen Bühne, neben dem Orchester. Unter Nachtmützen und Bettlaken herrscht bei den Philharmonikern eine charmante Unbeholfenheit, die von Regisseur Frank Schulz, der in Düsseldorf das Theater Kontra-Punkt leitet, nach Freiburg mitgebrachte Inszenierungsidee umzusetzen. Das sorgt für die ersten Lacher, bevor noch Repetitor Norbert Kleinschmidt im Bademantel gleich doppelt zum Dirigentenpult schreitet, wo sich dann sein Zwilling, Schauspieler Božidar Kocevski, von ihm löst und sich als Erzähler zu diversen Klanggeräten am andern Bühnenrand gesellt. Damit sind dann alle Akteure auf der Bühne, um aus Storms Zehnminutenerzählung ein einstündiges Bühnenerlebnis zu machen.

Das Spiel

mit der Perspektive

Bei so einer zeitlichen Streckung ist klar, dass vor allem Häwelmanns Unterwegssein gut ausgekostet werden muss, damit die Komposition Zeit hat, sich zu entfalten. Schön umgesetzt ist dabei das Spiel mit der Perspektive, bei der die Häwelmanngröße von der Ganzkörperschauspielerin über die Kopfmaske mit angehängtem Puppenkörper bis zur Handpuppe und zurück variiert. So kann das Kind zunächst leibhaftig am Bettchen rütteln, kurz drauf als Halbpuppe vor einer Videoprojektion mit dem Bettchen durch die Stadt rollen und schließlich als Puppe auf einem Stab Sterne jagen und dem projizierten Mond die Nase rammen.

Musikalisch wird die Szenerie in eine Art gefällige, perkussiv-expressiv aufgemischte Postromantik eingebettet, die nicht auf Mitsingen oder anbiedernden Motivik zielt und sich so angenehm den Fallstricken von Kompositionen "für Kinder" entzieht. Dass die Mutter in ihrem Gesang schlicht unverständlich ist, kommt dementsprechend auch nicht als Rücksichtslosigkeit rüber, sondern korrespondiert dem Unwillen Häwelmanns, die Wünsche der Erwachsenen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.

Das junge Publikum zeigte sich dann auch durchaus geneigt, die kompositorischen Einfälle mitzumachen. Dass am Ende eher so eine "war ganz nett"-Stimmung vorherrschte, statt begeistertem Applaus, lag an der szenischen Umsetzung. Die hat doch deutlich Luft nach oben. Das lag nicht nur an gelegentlichen Ungenauigkeiten oder einem falschen Videoanlauf. Es gibt auch wirklich überzeugende Einfälle wie die umherschwebende Riesenpfeifenreinigerkatze mit Blinkaugen. Insgesamt fehlte der Bühnenmagie jedoch der richtige Clou, um auch das Auge auf eine gelungene Ohrenreise mitzunehmen.

Nächste Aufführung: 8. November,
16 Uhr, Theater Freiburg, Gr. Haus. Ab 5.

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