Veranstaltung
"Die Kinder aus Korntal": Filmvorführung und Gespräch mit Kirchenmitarbeiter in Offenburg
Der Film "Die Kinder aus Korntal", der einen der größten Missbrauchsskandale der evangelischen Kirche in Deutschland, thematisiert, war in Offenburg zu sehen. Dabei ging es auch um Aufarbeitung.
Fr, 21. Nov 2025, 13:32 Uhr
Offenburg
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Schwere körperliche, seelische und sexualisierte Gewalt mussten Kinder und Jugendliche zwischen 1949 bis in die 1980er-Jahre im evangelikalen Kinderheim der Brüdergemeinde in Korntal nahe Stuttgart erleben. Die Opfer wurden jahrzehntelang mit ihrem Leid alleingelassen. In dem Dokumentarfilm "Die Kinder aus Korntal" von Julia Charakter mit der Musik des Offenburger Komponisten Leonard Küßner berichten ehemalige Heimkinder von ihren Erlebnissen und von ihrem Ringen um Anerkennung und Gerechtigkeit.
Die wiederkehrenden Bilder eines grau bewölkten Himmels und die Details des strengen kirchlichen Milieus transportieren in dem Film eindrücklich die trostlose Atmosphäre der Verlassenheit und der Gewalt, der die Kinder damals ausgesetzt waren. Auch die Filmmusik des Offenburger Komponisten geht unter die Haut und unterstreicht die Aussagen der Protagonisten von zerstörten Kinderseelen, Gleichgültigkeit und Aussichtslosigkeit. Korntal wurde zum Schauplatz einer der größten Missbrauchsskandale der evangelischen Kirche in Deutschland. 2013 wurde der Skandal öffentlich.
Bei der Veranstaltung der evangelischen Erwachsenenbildung in Kooperation mit der VHS und dem Bildungszentrum wurde die kalte Atmosphäre der 1950er- und 1960er-Jahre im Kinderheim spürbar. Die Zuschauerinnen und Zuschauer waren mit schier unglaublichen Erinnerungen konfrontiert, zum Beispiel an angedrohte Höllenstrafen, an Kinder, die mit dem Kopf an die Wand gestoßen oder im Keller eingesperrt wurden, oder an einen Lehrer, der eine Elfjährige missbrauchte. Und an die große Machtlosigkeit der Opfer, die oft keinen Kontakt zu ihren Eltern und keine Fürsprecher hatten. 2013 wurde der Skandal öffentlich. Mehr als 150 ehemalige Heimkinder haben inzwischen ihr Schweigen gebrochen. Die Evangelische Brüdergemeinde leitete einen Aufarbeitungsprozess ein und bekannte sich zu ihrer Verantwortung. "Dass solch massives Unrecht auch noch in einem christlichen Umfeld geschehen konnte, erfüllt uns umso mehr mit Scham. Wir stehen zu unserer Schuld, die in unseren Einrichtungen geschehen ist", heißt es in einer Stellungnahme. Die Opfer leiden bis heute unter den Folgen der ihnen zugefügten Gewalt.
Laut Bernd Lange ist das Dunkelfeld sehr groß
Im Gespräch im Anschluss an die Filmvorführung schilderte Bernd Lange, Leiter der Stabsstelle Schutz vor sexualisierter Gewalt beim Oberkirchenrat Karlsruhe, wie die Evangelische Landeskirche Fälle von Gewalt aufarbeiten und Präventionsmaßnahmen ausbauen wolle. "Wir stehen Betroffenen zur Verfügung, die ihre Geschichte erzählen wollen", sagte er. "Das Erste ist zuhören, ernst nehmen und eine enge Begleitung." Natürlich gebe es ein großes Interesse, die Beschuldigten zur Verantwortung zu ziehen, so Lange, viele seien jedoch inzwischen verstorben.
Seit der bundesweiten Forum-Studie (Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie), meldeten sich immer mehr Betroffene. "In Baden wissen wir derzeit von 235 Fällen in Gemeinden und im Diakonischen Kontext. Das Dunkelfeld ist jedoch sehr groß", so Lange. Neu sei eine Aufarbeitungskommission in der evangelischen Kirche zusammen mit den Diakonischen Werken, wo die Aufarbeitung auf regionaler Ebene in unabhängigen Gremien mit zwei Betroffenen, zwei Kirchenvertretern und drei Vertretern der Landesregierung vorangebracht werden solle. Daneben gebe es eine Anerkennungskommission, bei der es darum gehe, betroffenen Personen eine Geldleistung nach einheitlichen Anerkennungsrichtlinien zukommen zu lassen. Wichtig sei auch, dass alle Gemeinden ein Schutzkonzept erarbeiten. Das Bewusstsein für das Thema Missbrauch müsse verstärkt in die Gemeinden und die diakonischen Einrichtungen getragen werden.
Die Zentrale Anlaufstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie (kostenlos und anonym) ist montags von 16.30 bis 17.30 Uhr und dienstags bis donnerstags von 10 bis 12 Uhr erreichbar, Telefon 0800/5040112, E-Mail: [email protected].