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Die Sportartikelmesse Ispo beginnt

Die Outdoor-Branche will umweltfreundlich werden

  • Mo, 27. Januar 2020, 18:41 Uhr
    Wirtschaft

Die Sportartikelhersteller versprechen, ihr Produkte umweltschonender und nachhaltiger herzustellen. Bisher dominiert hier der Kunststoff.

Nein, das ist keine Schlange am Skilif...puppen auf der Sportartikelmesse Ispo.  | Foto: Tobias Hase (dpa)
Nein, das ist keine Schlange am Skilift. Das sind Schaufensterpuppen auf der Sportartikelmesse Ispo. Foto: Tobias Hase (dpa)
Nachhaltigkeitsversprechen in Wirtschaft und Unternehmen haben Konjunktur. Getrieben von Outdoorfirmen will nun die Sportartikelbranche nachhaltig werden.

Nicht viele Messen sind älter als die Ispo in München. Seit 1970 und damit einem halben Jahrhundert wird dort nach den neuesten Trends bei Sportartikeln gefahndet. Wenn es nach Messechef Klaus Dittrich und einigen Pionieren der Branche geht, ist der Trend für die nächsten Jahre gefunden. "Wir sind am Beginn einer Veränderung", sagt Dittrich und denkt dabei an Menschheitsprobleme wie Klimawandel und Nachhaltigkeit.

Mark Held pflichtet ihm bei. "Sportartikler verkaufen nicht mehr nur Sportartikel, sie müssen auch Verantwortung für unsere Umwelt und ihre Lieferketten übernehmen", fordert der Chef des europäischen Outdoor-Branchenverbands. In der Tat gibt es dieses Jahr kaum einen Ispo-Messestand, an dem nicht mit nachhaltiger Ware oder Produktionsweise geworben wird.

Recycling ohne Qualitätsverlust

Viele der 2850 Aussteller preisen Bahnbrechendes in Sachen Umwelt- und Klimaschutz an. Beim einen ist es eine als Öko-Booster beworbene komplett kompostierbare Daunenjacke, die garantiert binnen drei Monaten biologisch abgebaut sei. Andere geben sich mit einem nachhaltigen Rückenprotektor für waghalsige Sportler aus 100 Prozent Schafwolle zufrieden. Der Dritte verspricht, sein Produktionsabwasser so mittels Algen zu reinigen, dass man es danach trinken kann. Auch eine Funktionsjacke aus recycelten Alttextilien und Plastikflaschen wird als Weltneuheit angepriesen.

"Der ganz große Trend liegt in biopolymeren Werkstoffen und Materialien", glaubt Veit Senner. Dabei gehe es darum, die vielen Kunststoffe, die bei Sportartikeln immer noch eingesetzt werden, durch nachhaltige Rohstoffe auf pflanzlicher Basis wie Rizinusöl oder Mais zu ersetzen, erklärt der Professor für Sportgeräte und Sportmaterialien an der Technischen Universität München. Der Wissenschaftler denkt dabei über die Sportartikelbranche hinaus. Sport eigne sich wegen seiner Breitenwirkung ideal zur Vermittlung von Werten. "Sport muss künftig als emotionales trojanisches Pferd genutzt werden", fordert Senner.

Als ausgewiesener Nachhaltigkeitspionier der Branche gilt der Membranhersteller Sympatex. Der Mittelständler aus Unterföhring bei München trommelt schon seit Jahren für die Kreislaufwirtschaft im Outdoor-Segment mit seinen oft wasser- wie winddichten Funktionstextilien. Ab diesem Jahr will Sympatex erste Laminate aus Alttextilmaterial anbieten und dabei alle Funktionsqualitäten erhalten. Statt verbrannt und weggeworfen zu werden, soll aus einer alten Outdoorjacke wieder Material zur Beschichtung neuer Jacken werden.

"Wir setzen alles daran, den Textilkreislauf vollständig und zügig mit Altkleidern zu schließen", verspricht Sympatex-Chef Rüdiger Fox. Binnen fünf Jahren wolle Sympatex mindestens die Hälfte des eigenen Rohmaterials aus dem Textilkreislauf entnehmen. 2030 sollen es dann 100 Prozent sein. Noch immer sei die Bekleidungsindustrie eine der schmutzigsten in der Welt, sagt Fox selbstkritisch. Nur durch Wiederverwertung könne die Branche der weltweit wachsenden Müllberge wirklich Herr werden.

Die Outdoor-Branche sieht sich schon länger als Treiber des Nachhaltigkeitsgedankens, werben dort tätige Unternehmen doch besonders mit heiler und unverbrauchter Natur. Schon 1999 haben Unternehmen aus ihrer Mitte die Fair Wear Foundation (FWF) gegründet, zu der Marken wie Jack Wolfskin und Vaude, Hessnatur oder Engelbert Strauss zählen. Diese Firmen haben sich verpflichtet, faire Löhne in der gesamten Lieferkette zu zahlen sowie umweltschonend zu produzieren. Sie lassen sich von unabhängigen Dritten kontrollieren.

Auf ihrem Weg begleitet hat die FWF Arbeitsrechtler Maik Pflaum von der Christlichen Initiative Romero (CIR). Keine zweite Branche sei in Sachen Nachhaltigkeit so weit, unterstreicht er. Rund 100 Firmen seien mittlerweile FWF-Mitglieder. Dennoch bleibe es in Relation zu einer vierstelligen Zahl relevanter Unternehmen in der Branche damit weiter eine Nische. Einen echten Durchbruch werde es auf Basis von Freiwilligkeit allein kaum geben, schätzt der Aktivist. Den könne nur ein Lieferkettengesetz erzwingen, für das er und Mitstreiter bei der Politik werben, und das in der Bundespolitik in der Diskussion ist. "Wir brauchen gesetzlichen Druck", sagt Pflaum.

In der Pflicht sieht er aber auch die Verbraucher. Es gebe zwar eine stetig wachsende Zahl von Kunden, die gezielt nachhaltig produzierte Textilien kauften. Aber der Großteil schiele immer noch auf Schnäppchen. Je billiger Hemden und Jacken jedoch produziert werden, desto größer sei die Gefahr, dass dabei die Umwelt geschädigt oder Hungerlöhne gezahlt würden.

Ressort: Wirtschaft

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 28. Januar 2020: PDF-Version herunterladen

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