Inflation
Die Politik will einkommensschwache Haushalte vor dramatischen Preissteigerungen schützen
Der Krieg in der Ukraine und ein möglicher russischer Lieferstopp durch die Pipeline Nord Stream 1 treiben den Gaspreis in die Höhe. Die Politik diskutiert, wie den Bürgern geholfen werden kann.
Mo, 11. Jul 2022, 21:05 Uhr
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So wie den zwölf Eigentümern in ihrem Haus in Berlin-Kreuzberg geht es jetzt vielen Immobilienbesitzern und Mietern. Die Verdoppelung des Gaspreises liegt im Trend. Darüber sind sich der Verband der Elekrizitätsversorger (BDEW) und das Preisvergleichsportal Check24 einig. Während der Bruttopreis pro Kilowattstunde Gas für Privathaushalte 2021 um die sieben Cent betrug, geht er jetzt in Richtung 14 Cent.
Laut Vergleichsportal Verivox betreffen solche Erhöhungen bisher jedoch nur etwa ein Drittel der Haushalte, sei es in Gestalt beträchtlicher Nachzahlungen für das vergangene oder höherer Abschläge für dieses Jahr. Wobei zusätzlich die Entlastungen zu berücksichtigen sind, die die Bundesregierung bereits beschlossen hat. Diesen decken bei Familien mit zwei erwerbstätigen Erwachsenen, zwei Kindern und einem monatlichen Nettoeinkommen von 2000 bis 2600 Euro gut die Hälfte der Zusatzkosten ab, errechnete die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung kürzlich.
Ein Rechenbeispiel: Kletterten die Gaspreise vom heutigen Niveau aus um weitere 50 Prozent, müssten die Familien in ihrem Berliner Wohnhaus bald 2400 Euro pro Wohnung und Jahr entrichten – dreimal so viel wie 2021. Das bedeutete rund 200 Euro im Monat statt früher 65 Euro. Und dies ist vielleicht noch nicht der höchste Punkt.
Bedrohlich wird das vor allem für das knappe Fünftel der Bevölkerung, das an der Armutsgrenze oder darunter lebt. Nicht ganz so hart, aber trotzdem gravierend ist die Lage für Durchschnittshaushalte, die um die 2200 Euro netto monatlich zur Verfügung haben. Für sie kosten Duschen und Heizen dann plötzlich ein Zehntel ihres Einkommens.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Millionen Bürger müssen sich über die steigenden Energiekosten keine wirklichen Sorgen machen. Haushalte mit 3000, 4000 oder mehr Euro verfügbaren Einkommens stecken die Preissprünge weg. Wahrscheinlich 40 Prozent der Bundesbevölkerung brauchen ihren Lebensstandard nicht einzuschränken.
Die Politik versucht nun durch die schwierige Lage zu manövrieren. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat einen neuen Mechanismus ins Energiesicherungsgesetz schreiben lassen. Im Notfall könnten große Preissprünge auf alle Gasverbraucher umgelegt werden. Einzelne, besonders betroffene Haushalte würden dann etwas geschont, alle bekämen eine durchschnittliche Kostenerhöhung. Teurer würde es in jedem Fall.
Eine zweite Variante bestünde darin, eine Obergrenze für den Gaspreis politisch festzulegen – einen Deckel. Allerdings müsste der Staat den Unternehmen dann wohl die Differenz zwischen dem niedrigen Deckel und dem hohem Einkaufspreis zuschießen, ein potenziell teures Unterfangen. Außerdem würden alle Haushalte unterstützt.
Umwelt- und Verbraucherministerin Steffi Lemke (Grüne) schlug drittens ein "Moratorium für Strom- und Gassperren" vor. Das heißt, arme Haushalte würden weiter Brennstoff geliefert bekommen, auch wenn sie nicht mehr bezahlen können. Bundeskanzler Olaf Scholz stellte grundsätzlich in Aussicht, dass zusätzliche Entlastungen kommen. Derweil überlegt die Stadtverwaltung von Tuttlingen in Baden-Württemberg schon, warme Räume in öffentlichen Gebäuden für diejenigen zur Verfügung zu stellen, die sich die Beheizung ihrer Wohnung nicht mehr leisten können.
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