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Auschwitz-Gedenken

Die Vorurteile sind auch jetzt noch da

  • Fr, 28. Januar 2022, 21:00 Uhr
    Freiburg

In der städtischen Gedenkveranstaltung zum Holocaust-Gedenktag am Donnerstagabend ging es um die Nazi-Kategorien "Asoziale" und "Zigeuner". Begriffe, die noch immer als Schimpfworte benutzt werden.

Der Historiker Heiko Haumann spricht über die Verfolgung von Sinti und Roma.  | Foto: Thomas Kunz
Der Historiker Heiko Haumann spricht über die Verfolgung von Sinti und Roma. Foto: Thomas Kunz
Die Begriffe gibt es nach wie vor – als Schimpfworte: "Asoziale", "Zigeuner". Das zeigt, wie tief verankert auch nach dem Nationalsozialismus die alten Feindbilder geblieben sind. Die Verfolgung derjenigen, die aus rassistischen Gründen oder wegen ihres Lebensstils als unangepasst und "gemeinschaftsfremd" galten, war Thema der städtischen Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am Donnerstagabend im mit 90 Plätzen wegen Corona nur spärlich belegten Bürgerhaus am Seepark.

Die Übergänge sind fließend bei diesem Thema. Das zeigt sich häufig bei der diesjährigen Gedenkveranstaltung. Jahr für Jahr setzt das Kulturamt immer wieder andere Schwerpunkte, in Kooperation mit inzwischen mehr als einem Dutzend Gruppen und Initiativen.

Diesmal übernimmt der Historiker Heiko Haumann den Blick auf die Lage der Roma und Sinti während des Nationalsozialismus, und Tomas Wald, der Leiter vom Freiburger Roma-Büro, rückt diejenigen in den Mittelpunkt, die aus irgendwelchen Gründen als "asozial" eingeordnet wurden. Darunter fielen unter anderem Bettler, Wohnungslose, Wanderarbeiter, Prostituierte, aber auch Kriminelle. Und genau wie die Roma und Sinti standen all diese Menschen als Opfergruppen bei der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus lange wenig in der Öffentlichkeit, betont der Sozial- und Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach. Diejenigen, die als "Asoziale" galten, und die "Zigeuner" gehörten in der nationalsozialistschen Sicht – aber darüber hinausgehend auch in den Feindbildern der Nachkriegszeit – eng zusammen. Das zeigt unter anderem das Beispiel des Herbolzheimer Sinti-Jugendlichen Friedrich Spindler, der im KZ Auschwitz ermordet wurde.

Auch sprachlich wurden Menschen als "minderwertig" aussortiert

Als er Ende Januar 1943 nach einer NS-kritischen Bemerkung festgenommen wurde, stufte ihn ein Psychiater als "moralisch haltlos" ein und beurteilte seine angebliche Neigung zum "Vagabundentum" als angeboren und "nicht änderbar", bilanziert Heiko Haumann. Zusätzlich zu den rassistischen Kriterien, nach denen Sinti und Roma ähnlich wie jüdische Menschen als "minderwertig" aussortiert wurden, kam bei ihm und anderen die Kategorie "asozial" dazu. Bei solchen Gleichsetzungen sei es nach 1945 geblieben. Im Alemannischen werde der abwertende Begriff "Zigeuner" nach wie vor in ähnlicher Weise wie der ebenfalls negative Begriff "Herumtreiber" gebraucht. Das gilt, wie Tomas Wald betont, ebenso für die Schimpfwörter "asozial" oder "assi". Dazu, wie es den als "Asozialen" eingestuften Menschen im Nationalsozialismus ging, gebe es wenig Quellen, sagt Tomas Wald. In Freiburg sei ab 1935 auf dem Platz an er Opfinger Straße, wo vorher Sinti-Wohnwagen standen, eine "Asozialen-Siedlung" entstanden, nachdem die Sinti vertrieben worden waren. Und auch nach dem Kriegsende landeten dort die "Problemfamilien". Später kam es zur Gründung der damals als Modellprojekt geltenden Sinti-Siedlung am Auggener Weg.

Im Nationalsozialismus wurden die Freiburger Sinti Ende März 1943 ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert, sagt Heiko Haumann. Er erwähnt das Beispiel der Sintezza – nicht aus Freiburg – Zilli Reichmann, deren Anträge auf Entschädigung abgelehnt wurden. Die Begründung war, dass der KZ-Erlass nur für "Zigeunermischlinge" gegolten habe. "Reinrassige" Sinti wie sie seien – wie die "Asozialen" – daher quasi "zu Recht", nämlich wegen ihres Verhaltens, deportiert worden,

Ressort: Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 29. Januar 2022: PDF-Version herunterladen

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