Jugend und BEruf
Ein Job, der unter die Haut geht
Verlagsthema Tattoos sind Kunstwerke, die dauerhaft die Haut zieren. Dafür braucht es Feingefühl – und gute Hygieneregeln. Warum dem Beruf dennoch ein Rockstar-Image anhaftet.
Sabine Meuter
Di, 19. Sep 2023, 9:30 Uhr
Verlagsthema
Thema: Jugend und Beruf
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"Ursprünglich bin ich gelernter Siebdrucker. Ende der 1980er Jahre zog es mich dann zu einer Tattoo-Convention in England, bei der Tattoo-Künstler ihr Können zeigten. Diese Veranstaltung hat mein Leben verändert. Ich beschloss, Tätowierer zu werden.
Eine gesetzlich geregelte Ausbildung gibt es nicht. Aber ich wollte das Handwerk von der Pike auf lernen und mich von einem Profi einweisen lassen. Mein Tattoo-Meister war ein Engländer, den ich auf der Tattoo-Convention kennengelernt hatte. Er lebte hundert Kilometer entfernt. Ich bin jeden Tag zu ihm hingefahren und habe mir alles beibringen lassen, was man als Tätowierer können muss.
In erster Linie ging es natürlich ums Zeichnen, Zeichnen und nochmals Zeichnen. Sowohl freihändig als auch nach Schablonen. Es ist etwa unglaublich zeitaufwendig, einen Adler eins zu eins abzuzeichnen. Aber auch Hygieneregeln muss man kennen und peinlich genau umsetzen – ob es nun ums Desinfizieren oder Sterilisieren von Nadeln und Arbeitsgeräten oder ganz allgemein ums Saubermachen geht. Meine Ausbildung war teuer, ich musste für Material 15.000 Mark investieren – damals gab es ja noch keinen Euro.
Nach der Ausbildung habe ich den Gewerbeschein erworben und mich selbstständig gemacht. Mein Tattoo- und Piercing-Studio betreibe ich seit über 30 Jahren.
Mir macht das alles immer noch viel Freude – der Kontakt mit den Kunden, das Zeichnen. Man sitzt zusammen und macht sich eine gute Zeit. Kunden äußern Wünsche in Sachen Tattoo oder ich berate sie, was zu ihnen passt. Ich gucke mir genau an, ob die Haut an der gewünschten Körperstelle gesund und intakt genug fürs Tätowieren ist. Ich erkundige mich bei Kunden auch, ob sie auf irgendetwas allergisch reagieren. Das ist wichtig zu wissen. Oft kommt es vor, dass Leute mir vor einer Sitzung Fotos von Motiven vorbeibringen, die sie sich als Körperschmuck wünschen. Anhand dieser Fotos fertige ich dann eine Zeichnung an. Bei größeren Motiven brauche ich etwa vier bis sechs Stunden und mitunter mehrere Sitzungen, bei kleineren Motiven ist das Tattoo oft schon nach etwa zwei Stunden fertig. Manchmal dauert eine kleine Tätowierung auch nur ein paar Minuten.
Heute kommen Leute aus allen Schichten und Altersgruppen. Ich hatte auch schon Kunden, die um die 70 waren. Der Anteil von Frauen und Männern ist etwa gleich. Etwa ab 1950 bis Mitte der 1990er waren Tattoos aber alles andere als Mainstream. Es waren vor allem Rocker und Punker, die sich tätowieren ließen. Das hat sich komplett gewandelt. Nur noch ganz selten kommt ein Rocker oder Punker vorbei.
Manchmal lehne ich es auch ab, jemandem ein Tattoo zu stechen. Zum Beispiel, wenn junge Leute um die Zwanzig zu mir kommen, die beruflich noch nicht fest im Sattel sitzen und sich eine sehr augenfällige Stelle am Körper tätowieren lassen wollen. Der Grund: Es gibt heutzutage leider immer noch Arbeitgeber, für die ein Tattoo ein Einstellungshindernis ist.
Man muss fast jeden Vorgang penibel dokumentieren und aufbewahren. Früher waren Tätowierer mit eigenem Studio wie Piraten auf hoher See, die Behörden hatten uns nicht auf dem Schirm. Heute ist viel Bürokratie dazugekommen.
Dass dieser Selbst-Hype von manchen in meiner Branche über die sozialen Medien nachlässt und jeder ein bisschen mehr Demut an den Tag legt. Und dann würde ich mir wünschen, dass der Trend zu großflächigeren Tattoos zurückkehrt. Kleine Tattoos verwischen sich mit zunehmendem Alter. Also lieber gleich etwas ordentliches Großflächiges, das auch noch in 30 Jahren gut aussieht."
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