Öffentlicher Dienst

Der Alltag in der Rechtsmedizin – anders als im Film

Verlagsthema Die Arbeit von Rechtsmedizinern ist vielen aus Filmen bekannt. Aber wie viel hat die Darstellung eigentlich mit der Realität zu tun? Eine Rechtsmedizinerin klärt auf.  

Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
Zur Obduktion gehört nicht nur die Unt...ich zum Beispiel auch um Gewebeproben.  | Foto: Kirsten Neumann (dpa)
Zur Obduktion gehört nicht nur die Untersuchung von Leichen. Rechtsmedizinerinnen wie Stefanie Ritz kümmern sich zum Beispiel auch um Gewebeproben. Foto: Kirsten Neumann (dpa)
Ein Todesfall ist ungeklärt, jetzt müssen Polizei und Justiz ermitteln. Ihnen zur Seite stehen oft Rechtsmedizinerinnen und -mediziner. Wobei deren Beruf, anders als in vielen Serien dargestellt, nicht nur aus Obduktionen besteht. Rechtsmedizinerin Professorin Stefanie Ritz arbeitet am Universitätsklinikum Düsseldorf und ist Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin. Im Job-Protokoll erzählt sie aus ihrem Berufsalltag:

Mein Weg in den Beruf
Ich habe Humanmedizin studiert. Über meine Promotion bin ich zur Rechtsmedizin gekommen. Eigentlich wollte ich Allgemeinmedizinerin werden, weil ich nah an den Menschen und deren Leben sein wollte. Letztlich bin ich dann in der Rechtsmedizin hängengeblieben – auch in diesem Fach ist man nah an vielen Facetten des menschlichen Lebens. Außerdem gefällt mir, dass die Fragen, die wir bearbeiten, so vielfältig sind und sich manchmal nur durch wissenschaftliches Arbeiten beantworten lassen.

Nach dem Studium habe ich eine fünfjährige Weiterbildung zur Fachärztin absolviert. Diese Weiterbildung umfasst einen umfangreichen Katalog von rechtsmedizinischen Tätigkeiten. Dazu gehört, Obduktionen und weiterführende Untersuchungen durchzuführen oder lebende Geschädigte nach Gewalttaten (etwa nach Vergewaltigung oder Kindesmisshandlung) rechtsmedizinisch zu versorgen oder schriftliche wie mündliche Gutachten zu unterschiedlichen Fragen zu erstellen.

Zur Weiterbildung gehören auch externe Weiterbildungszeiten in der Pathologie und in der Psychiatrie, um auch Dinge wie feingewebliche Untersuchungen oder die Beurteilung der Schuldfähigkeit einer Täterin oder eines Täters zu erlernen.

Ich war und bin begeistert von diesem Fach – es war für mich schnell klar, dass ich dauerhaft hier tätig sein wollte. Ich habe dann die akademische Karriere eingeschlagen und mich nach der Promotion habilitiert. Inzwischen bin ich Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Düsseldorf .

Die Aufgaben von Rechtsmedizinern
Rechtsmedizin findet in Deutschland ganz überwiegend an Unis statt. Hier bestehen die Aufgaben in Forschung, Lehre und Dienstleistungen. In Filmen kümmern sich Rechtsmediziner fast immer nur um Leichen.

Sicher ist ein wichtiger Teil unserer Aufgaben, Polizei und Justiz darin zu unterstützen, Todesfälle zu klären. Und natürlich sind Obduktionen zentral in unserem Fach. Es geht dabei darum, die Todesursache zu klären und um die Frage, ob der Tod möglicherweise einem anderen Menschen angelastet werden kann. Wir klären das durch eine akribische äußere Leichenschau und die innere Leichenschau, bei der wir die Organe untersuchen.

Leider sind die Aufgaben rund um die Obduktion in Filmen nur sehr verkürzt dargestellt. Ich habe noch nie gesehen, dass die Protagonisten am Mikroskop sitzen und Gewebeproben untersuchen oder wissenschaftliche Literatur wälzen, um eine schwierige Frage zu klären.

Ähnlich ist es mit unseren Aufgaben am Leichenfundort. In Filmen ist das ein kurzer, großer Auftritt am Tatort – und es ist nicht zu sehen, dass, um eine Todeszeit zu schätzen oder ein Blutspurenmuster zu beurteilen, nicht selten umfangreiche und wissenschaftlich komplexe Gutachten am Schreibtisch zu verfassen sind, an dem wir übrigens auch viel Zeit verbringen.

Wir stehen nicht nur im Obduktionssaal und kümmern uns um Verstorbene, sondern verbringen zunehmend viel Zeit in unseren Ambulanzen. Dort dokumentieren und bewerten wir nach Gewalttaten bei Überlebenden Verletzungen gerichtsfest, etwa wenn es um die Frage geht, ob eine Kindesmisshandlung vorliegt oder nicht. Zudem beraten wir Geschädigte zu der Frage, wo sie Anlaufstellen für die vielfältigen Fragen und Probleme finden, die sie nach der erlittenen Gewalttat oft haben.
Auch theoretische Gutachten spielen eine große Rolle. Hier beurteilen wir Sachverhalte, ohne die Person, um die es geht, gesehen zu haben. Ein gutes Beispiel dafür sind verkehrsmedizinische Gutachten, bei denen es sehr oft um die Frage geht, ob jemand bei einer bestimmten nachgewiesenen Blutalkoholkonzentration oder dem Nachweis von Drogen im Blut noch in der Lage war, ein Fahrzeug sicher im Straßenverkehr zu führen.

Das Spektrum der Rechtsmedizin
In den universitären Instituten für Rechtsmedizin arbeiten nicht nur Ärztinnen und Ärzte, sondern auch Naturwissenschaftler und Naturwissenschaftlerinnen. In sogenannten forensisch-toxikologischen Laboren untersuchen sie Vergiftungsfälle, aber auch Blutproben von Verkehrssündern auf Alkohol, Drogen oder Medikamente. In unseren forensisch-molekulargenetischen Laboren untersuchen Fachleute Spuren (etwa Spermaspuren nach Vergewaltigungen) und führen auch Vaterschaftsuntersuchungen durch.

Von jeder Rechtsmedizinerin und jedem Rechtsmediziner in universitären Instituten wird erwartet, dass sie oder er forscht. Fragestellungen gibt es sicher genug – man muss aber bereit sein, sich mit immer neuen Inhalten und Methoden zu beschäftigen. Seine wissenschaftlichen Ergebnisse publiziert man in Fachzeitschriften und hält dazu Vorträge. Zu einer Tätigkeit an der Uni gehört auch die Lehre. Wir unterrichten Studierende insbesondere zu den Themen Leichenschau und Versorgung von überlebenden Menschen nach Gewalttaten.

Was meinen Beruf so besonders macht

Ich begegne als Ärztin in meinem Beruf Verstorbenen und Lebenden, die Opfer von Gewalt geworden sind. Durch meine Tätigkeit kann ich einen Beitrag dazu leisten, Gewalttaten aufzuklären. Den Verstorbenen erweisen wir einen letzten ärztlichen Dienst. Die Überlebenden unterstützen wir und tragen dazu bei, dass sie zu ihrem Recht kommen. Durch unsere Forschung machen wir die Welt ein bisschen besser.
Schlagworte: Stefanie Ritz

Weitere Artikel