Es reicht schon, hier oben aufs Klo zu gehen

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Der Aufzug bringt mich nach oben. Die Stadt wird immer kleiner, mein bisheriges Leben bleibt unten. Im 17. Stock trete ich aus der Tür in den Club, in mein neues Leben, bestehend aus ovalen Ledersesseln, weißen Sofas und großen Panoramafenstern. Cremefarben leuchtet es mir entgegen, stilvoll eingerichtet, aber etwas zu viel dunkles Holz ist zu sehen, denke ich kurz, bis leise R-'n'-B-Musik mich umspült und mich das alles vergessen lässt. Ich fühle mich etwas unwohl, so ohne Jacke einen Club zu betreten, aber die musste ich unten abgeben, an der Garderobe zurücklassen wie mein altes Leben. Im Kagan im Freiburger Bahnhofsturm ist an diesem Donnerstag Studententag.

Ich gehe erst mal zur Bar, bestelle einen großen Drink - die sind alle groß hier oben und stark. Am größten und stärksten ist der Long Island Ice Tea, und so einen bestelle ich mir. Weil es Donnerstag ist und noch vor neun Uhr abends, bekomme ich netterweise gleich zwei Drinks zum Preis von einem. Als der schwarz gekleidete Barkeeper die riesigen Gläser vor mir auf den Tisch stellt, ist mir schon klar, dass ich diesen Abend nicht unbeschadet überstehen werde. Noch ist nicht viel los. Aus dem Hintergrund klingt der Jackie-Brown-Soundtrack. Gepflegt unterhält man sich über die wesentlichen Dinge im Leben, über die Zukunft. Alles scheint klar und deutlich und gar nicht so schwer und ungewiss wie gerade noch unten auf der Straße. Hier oben hat man ja Abstand. Ich schaue aus den großen Fenstern hinab, sehe die Straßen rund um den Bahnhof, vereinzelt gehen kleine Menschen, Taxis fahren vorbei. Ich sehe den Schlossberg, das Münster, die Innenstadt. Alles sieht ein bisschen anders aus von hier oben. Als ob man mit dem, was da unten passiert, gar nichts zu tun hätte.

Es reicht schon, hier oben aufs Klo zu gehen

Irgendwann viel später, mein Zeitgefühl haben mir die Long Island Ice Teas geraubt, gehe ich noch weiter nach oben, in die zweite Etage des Kagan, wo die Tanzfläche liegt. Es ist voll. Zur Black Music kann man sich kaum bewegen, aber das muss ja auch nicht sein. Ich schaue lieber all den schönen, gestylten, coolen Menschen zu, die sich vor mir auf der Tanzfläche drängen. Ich kann sie gut erkennen, denn es ist gar nicht dunkel: die Fliesenlegertöchter, die BWL-Studenten. Sie haben ihren Spaß - und ich auch. Es reicht schon, hier oben aufs Klo zu gehen, dabei die Straßen unter sich zu beobachten und danach die Hände zu waschen und mit den Samttüchern aus den Spendern zu trocknen.

Ich steige in den Aufzug und komme unten wieder in der Realität an. Ich nehme meine Jacke und bemerke, dass es angefangen hat zu regnen. Trotzdem zittern am Einlass immer noch die Wartenden in der Kälte. Sie wollen auch mal nach oben in das schöne, cremefarbene Kagan mit den schönen Menschen, zu denen ich zumindest diese Nacht auch gehörte.

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