Russlands Invasionskrieg
Europäer, USA und Ukraine stellen Waffenruhe-Ultimatum – Putin reagiert mit Gegenvorschlag
Vier mächtige Europäer sind am Montag nach Kiew gereist, um von dort eine klare Botschaft an Moskau zu senden - und ein Ultimatum zu stellen. In der Nacht antwortete Russlands Präsident Putin.
dpa
Sa, 10. Mai 2025, 23:22 Uhr
Ausland
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen

Nach dem Ultimatum aus Kiew zu einer längeren Waffenruhe ab Montag hat Russlands Präsident Wladimir Putin der Ukraine die Wiederaufnahme direkter Friedensgespräche in der Türkei angeboten. Diese sollen nach Putins Willen bereits am kommenden Donnerstag (15.5.) in Istanbul beginnen, wie der Kremlchef in der Nacht sagte. Es gehe um eine Wiederaufnahme direkter Gespräche "ohne Vorbedingungen", betonte Putin vor Journalisten in Moskau. "Diejenigen, die wirklich Frieden wollen, können nicht dagegen sein." Auf die ukrainische Forderung nach einer 30-tägigen Waffenruhe ging Putin nicht direkt ein.
Der Kremlchef kündigte ein Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für den heutigen Sonntag an. Er hoffe, dass Erdogan seine Bereitschaft bestätigen werde, zu einer Friedenslösung im Konflikt mit der Ukraine beizutragen. Der türkische Präsident hatte sein Land in der Vergangenheit als idealen Ort für mögliche Friedensverhandlungen bezeichnet. Aus Kiew gab es in der Nacht zunächst keine Reaktion auf Putins Gegenvorschlag.
Europäer und Ukraine stellen Putin Waffenruhe-Ultimatum – mit den USA im Boot
Die vier wichtigsten europäischen Verbündeten der Ukraine hatten zuvor mit Unterstützung der USA erstmals eine größere diplomatische Initiative gestartet, um den russischen Angriffskrieg zu beenden. Bundeskanzler Friedrich Merz, der französische Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer und der polnische Regierungschef Donald Tusk reisten nach Kiew, um Russland von dort aus ultimativ zu einem bedingungslosen Waffenstillstand aufzufordern.

Er soll am Montag beginnen, mindestens 30 Tage dauern und ernsthafte Friedensverhandlungen zum Ziel haben. Sollte Russland sich weigern, wollen die Europäer das Land mit Finanz- und Energiesanktionen belegen und die Waffenlieferungen an die Ukraine ausweiten.
Kreml schließt Verlängerung der dreitägigen Waffenruhe aus
Putin warf der ukrainischen Seite wiederum vor, mehrere Anläufe für eine Feuerpause sabotiert zu haben. Gleichzeitig schloss er eine Verlängerung der dreitägigen Waffenruhe, die von ihm um den 9. Mai herum ausgerufen worden war, nicht komplett aus. Diese Waffenruhe war um Mitternacht Ortszeit (23.00 Uhr MESZ) ausgelaufen.
Kremlsprecher Dmitri Peskow bestätigte laut der russischen Staatsagentur Tass indes, dass die dreitägige Waffenruhe nicht mehr gelte. "Natürlich ist sie vorbei", sagte Peskow demnach. Es habe von der Gegenseite zahlreiche Verletzungen der Vereinbarungen gegeben und somit "keine ernsthafte Feuerpause".
Beide Kriegsparteien hatten sich auch nach Beginn der einseitig verkündeten Waffenruhe am Donnerstag gegenseitig Angriffe vorgeworfen. Selenskyj warf Putin vor, die Feuerpause der vergangenen Tage nur vorgetäuscht zu haben, um den 80. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion gegen Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg ungestört feiern zu können. "Die Angriffe an der Frontlinie gehen weiter", sagte der Staatschef bei einem Treffen der aus verbündeten Staaten bestehenden "Koalition der Willigen" in Kiew.
Merz kündigt weitere Unterstützung für Ukraine an - falls Russland nicht zustimmt
"Es muss klar sein: Wenn Russland sich diesem Waffenstillstand verweigert, ein Waffenstillstand, der die Grundlage für sofort beginnende Verhandlungen sein kann, dann werden wir die Ukraine weiter verteidigen, und wir werden den Druck auf Russland weiter erhöhen", sagte Merz (CDU). Im ZDF ergänzte er: "Dies ist die größte diplomatische Initiative, die es in den letzten Monaten, wenn nicht Jahren gegeben hat, um den Krieg in der Ukraine zu beenden."
"Wir wissen, dass uns die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen."Wolodymyr Selenskyj
Gemeinsam mit Macron und Starmer war Merz per Zug zum Gipfeltreffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in dessen Hauptstadt gereist. Nach einer Videoschalte mit der "Koalition der Willigen" telefonierten die Spitzenpolitiker mit US-Präsident Donald Trump.
"Wir wissen, dass uns die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen", sagte Selenskyj. Sein Kanzleichef Andrij Jermak verbreitete ein Foto der Gruppe und schrieb von "historischen Momenten". Auch Merz verwies auf die Geschlossenheit der Verbündeten. Trump hatte zuletzt bereits seine Forderung nach einer Waffenruhe bekräftigt und andernfalls mit neuen Sanktionen gegen Russland gedroht. Erstmals seit seinem Amtsantritt scheinen die USA und Europa bei den Bemühungen um ein Ende des Krieges gemeinsam und abgestimmt zu handeln.
Merz sieht "eine kleine Chance"
Putin müsse wissen, dass er den Westen nicht auseinanderdividieren könne, sagte Merz, der mit Trump am vergangenen Donnerstag telefoniert hatte. Aus den USA, die Friedensgespräche mit Russland in den vergangenen Wochen an Europa und teilweise auch der Ukraine vorbei geführt hatten, kam zunächst keine Reaktion auf das Gipfeltreffen in Kiew.
Details zu möglichen neuen Sanktionen blieben am Samstag offen. Selenskyj sagte, die verschärften Maßnahmen sollten den Energiesektor und das Bankensystem betreffen. Bislang hat Moskau für eine längere Waffenruhe immer Bedingungen gestellt - insbesondere den Stopp der westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine.
Merz gibt sich offen für Telefongespräch mit Putin
"Dieser Krieg muss aufhören. Und ich glaube, es gibt jetzt eine kleine Chance. Aber es gibt diese Chance", sagte Merz in der ARD. Putin müsse verstehen, dass er den Ukraine-Krieg mit militärischen Mitteln nicht gewinnen könne, sagte der Kanzler auch dem Sender ntv. "Diesem Punkt nähern wir uns möglicherweise."

Merz zeigte sich offen für ein Telefongespräch mit Putin. "Das ist eine Option, selbstverständlich." Er würde dies aber nur in Abstimmung mit den europäischen Partnern und den USA tun. "Dann werden alle davon wissen - vorher und nachher."
"Freie Welt wirklich geeint"
Merz' polnischer Amtskollege Tusk sagte: "Zum ersten Mal seit langer Zeit haben wir das Gefühl, dass die gesamte freie Welt wirklich geeint ist". Die Idee einer Waffenruhe ab Montag und der sofortigen Aufnahme von Friedensgesprächen werde gemeinsam von Trump, der Ukraine und der gesamten Koalition der Länder getragen, die das Land in seinem Kampf um territoriale Integrität, Unabhängigkeit und Freiheit unterstützten, sagte er.
Frankreichs Präsident Macron stellte zudem robuste Sicherheitsgarantien für die Ukraine in Aussicht. "Über all das konnten wir soeben mit allen Staats- und Regierungschefs sprechen, die sich uns bei der "Koalition der Willigen" angeschlossen haben." Großbritanniens Premier Starmer betonte, es sei jetzt an Putin, zu zeigen, dass er es erst meine mit den Friedensbemühungen.
Russland nennt Bedingungen für Waffenruhe
Vor dem Ultimatum aus Kiew hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow betont, dass ein Ende der westlichen Waffenlieferungen eine Bedingung für eine Waffenruhe sei. "Andernfalls wird es einen Vorteil für die Ukraine geben", sagte Peskow im Interview des US-Senders ABC. Die Ukraine würde eine Waffenruhe dazu nutzen, um ihre "totale Mobilmachung" fortzusetzen und neue Truppen an die Front zu bringen, um neues Personal auszubilden und den derzeitigen Kämpfern eine Atempause zu verschaffen, sagte Peskow.
"Warum sollten wir der Ukraine solch einen Vorteil verschaffen?", fragte Peskow die US-Journalistin. Russland selbst komme gerade bei seiner Offensive in der Ukraine voran und habe die Initiative, betonte er.
Beide Kriegsparteien bezichtigen sich immer wieder gegenseitig, kein echtes Interesse an einem Ende der Kampfhandlungen zu haben. Aktuell gilt noch bis Mitternacht (23.00 Uhr MESZ) eine einseitig von Russland verhängte, dreitägige Waffenruhe anlässlich der Feiern zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs. Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig Verstöße gegen die Feuerpause vor.