Untersuchungsstelle für Gewaltopfer

Freiburger Rechtsmedizinerin: "Dokumentation als Ausgangsbasis für eine mögliche Strafverfolgung"

Opfer von Gewalt sollten auf jeden Fall die Spuren an ihrem Körper sichern lassen. Das geht kostenlos in der Freiburger Rechtsmedizin, erklärt Oberärztin Ulrike Schmidt im Interview.  

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Im Institut für Rechtsmedizin des Frei...ngsstelle für Gewaltbetroffene wenden.  | Foto: Michael Bamberger
Im Institut für Rechtsmedizin des Freiburger Universitätsklinikums werden Gewaltopfer nicht nur im Auftrag der Ermittlungsbehörden untersucht, sondern auch, wenn Privatpersonen sich an die dortige Untersuchungsstelle für Gewaltbetroffene wenden. Foto: Michael Bamberger

BZ: An wen richtet sich die Untersuchungsstelle für Gewaltbetroffene (USG)?

Letztlich an alle Personen, die körperliche Gewalt erfahren. Verfahrensunabhängige Spurensicherung bedeutet, dass man Spuren sichern lassen kann nach einem Gewaltereignis, ohne dass man notwendigerweise die Polizei vorher informieren und involvieren muss.

BZ: Der übliche Weg ist, dass man sich als Opfer an die Polizei wendet, die dann die Rechtsmedizin einschaltet.

Ja genau, das ist der wesentliche Unterschied. Inhaltlich ist die Arbeit für die Rechtsmedizin dieselbe. Wenn wir für Ermittlungsbehörden tätig sind, dann sind wir als sachverständige Untersucher beauftragt und müssen natürlich das, was wir bei unserer Untersuchung feststellen, auch an den Auftraggeber zurückmelden. Bei der verfahrensunabhängigen Spurensicherung arbeiten wir unter der ärztlichen Schweigepflicht. Was mit unserer Dokumentation passiert – ob da überhaupt irgendetwas mit passiert –, ist aufgrund der Schweigepflicht allein Sache der untersuchten Person. Selbst wenn sich die Polizei nach Anzeigeerstattung bei uns meldet und gerne die Unterlagen hätte, muss sie uns eine Schweigepflichtentbindung vorlegen, die von der geschädigten Person unterzeichnet worden ist.

BZ: Es kann also sein, dass am Ende gar nichts mit dem Untersuchungsergebnis geschieht, wenn das Gewaltopfer sich entscheidet, gegen den Täter oder die Täterin nicht vorzugehen?

Genau. Spuren sind flüchtig, aber viele Personen brauchen einfach ein bisschen Zeit, sich darüber klar zu werden, ob eine Strafanzeige bei der Polizei für sie ein gangbarer und richtiger Weg ist.

BZ: Warum wurden in Baden-Württemberg die vier Untersuchungsstellen geschaffen, die in Freiburg gibt es seit 2021?

Anfang 2020 wurde ins Sozialgesetzbuch V mit aufgenommen, dass Leistungen im Rahmen einer sogenannten vertraulichen Spurensicherung zur Krankenbehandlung gehören. Sprich: Man hat seitdem einen rechtlichen Anspruch auf eine adäquate Spurensicherung. Die Istanbul-Konvention (ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, die Red.) sieht zum Beispiel eine Verbesserung der Versorgung nach Gewalttaten vor. Die Einrichtung der Untersuchungsstelle ist eine Umsetzung des Rechts auf Landesebene.

Rechtsmedizinerin Ulrike Schmidt  | Foto: Universitätsklinkum Freiburg
Rechtsmedizinerin Ulrike Schmidt Foto: Universitätsklinkum Freiburg

BZ: Wie ist denn Ihrer Erfahrung nach die Anzeigebereitschaft?

Bei den akuten Sexualdelikten scheint sie mir deutlich höher als zum Beispiel bei häuslicher Gewalt, Sexualdelikte werden in der Mehrzahl eher schnell, innerhalb der ersten zwei Wochen, angezeigt.

BZ: Generell ist es sicherlich ratsam, nach einer Tat schnell zu Ihnen zu kommen.

Ja, bei akuten Sexualdelikten ist die Sicherung von biologischen Spuren wichtig und deutlich zeitabhängig. Das gilt auch für Blut- und Urinproben zum Nachweis körperfremder Substanzen. Zeitkritisch sind zudem Fälle von Strangulation etwa nach Würgeangriffen oder Drosselungen, wenn es darum geht, möglichst früh festzustellen, ob eine wirksame Strangulation vorliegt. Bei Sexualdelikten brauchen wir das gynäkologische Setting der Universitätsfrauenklinik, deshalb untersuchen wir in diesen Fällen idealerweise im Tandem. Wir haben zudem häufig auch die Beratungsstelle Frauenhorizonte mit dabei, die sich um die psychischen Problematiken kümmert.

BZ: Wie kann man mit der Untersuchungsstelle in Kontakt treten?

Das geht in akuten Fällen über die Uniklinik oder die Beratungsstelle Frauenhorizonte, die ohnehin rund um die Uhr erreichbar sind, sie kontaktieren uns dann. Ansonsten sind wir zu den üblichen Zeiten erreichbar, eine telefonische Terminvereinbarung ist vorab aber erforderlich. Man bekommt in jedem Fall zeitnah einen Termin, denn Verletzungen ändern sich schnell. Wir lehnen eine Untersuchung aber nicht ab, wenn jemand sich erst zeitverzögert entscheidet, zu uns zu kommen. Man muss sich nur darüber im Klaren sein, dass, je mehr Zeitabstand zum Ereignis verstreicht, desto ungenauer ist im Nachgang die Rekonstruktion oder Bewertung. Das sind dann oft Punkte, bei denen im späteren Strafverfahren eingehakt wird, dass das ja auch nach dem angegebenen Vorfall noch habe passieren können.

BZ: K.o.-Tropfen und andere Mittel sind ja nur sehr kurze Zeit nachweisbar.

Wenn man den Verdacht hat, irgendetwas eingeflößt bekommen oder getrunken zu haben, ohne es mitzubekommen, ist es am besten, den ersten Urin in einem sauberen, leeren Marmeladenglas aufzufangen, den Deckel zu verschließen und das Glas in den Kühlschrank zu stellen und dann gleich die Toxikologie anzurufen. Wenn man nämlich schon dreimal auf der Toilette war und uns dann erst kontaktiert, ist es in der Regel zu spät.

BZ: Manche Geschädigte haben nicht das Geld für eine Untersuchung.

Die rechtsmedizinische Untersuchung per se kostet für die Betroffenen nichts. Durch die finanzielle Unterstützung des Sozialministeriums sind die Kosten für diese Untersuchungen abgedeckt. Seit August beteiligen sich die gesetzlichen Krankenkassen an der Finanzierung.

BZ: Heißt das, dass man als gesetzlich Versicherter seine Versichertenkarte vorlegt?

Ja, wir fragen aber lediglich die Versicherung bei den Personen ab, die die USG aufsuchen, das geschieht aber anonymisiert, wir lesen dafür keine Krankenkassenkarte ein. Es wird dann, quartalsweise aufgeschlüsselt, mit den jeweiligen Kassen nur die Fallzahl abgerechnet. Es war ganz wesentlich für das Sozialministerium und die Krankenkassen, dass die Anonymität auch im Rahmen der Abrechnung gewahrt bleiben muss und keine persönlichen Daten an die Kassen weitergereicht werden dürfen.

Ulrike Schmidt, 55 Jahre, ist Oberärztin und Laborleiterin Spurenkunde am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg und leitet die Untersuchungsstelle für Gewaltbetroffene. Diese ist erreichbar Montag bis Freitag 8 bis 16.30 Uhr (außer an Feiertagen) unter der Telefonnummer 0761 / 270 81 889.

Schlagworte: Ulrike Schmidt, Laborleiterin Spurenkunde
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