Fußball

Fußballerinnen haben ein erhöhtes Risiko für Kreuzbandrisse

Nach dem erneuten Kreuzbandriss von Lena Oberdorf wird über diese Art der Verletzung intensiv diskutiert. Auch in anderen Sportarten sind Frauen häufiger von Kreuzbandrissen betroffen als Männer.  

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Im Juli 2024 erlitt Lena Oberdorf einen Kreuzbandriss  | Foto: Sebastian Christoph Gollnow (dpa)
Im Juli 2024 erlitt Lena Oberdorf einen Kreuzbandriss Foto: Sebastian Christoph Gollnow (dpa) 

Vor allem die Nationalspielerinnen leiden mit Lena Oberdorf. "Was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen", schreibt DFB-Kapitänin Giulia Gwinn auf Instagram unter ein Foto, welches das Duo vom FC Bayern eng umarmt zeigt. Oberdorfs zweiter Kreuzbandriss innerhalb von 15 Monaten wirft wieder einmal die Frage auf: Warum passiert diese Knieverletzung bei Fußballerinnen öfter als bei ihren männlichen Kollegen? Und: Wird genug dagegen getan? Auch in anderen Sportarten (zum Beispiel Basketball und Ski alpin) erleiden Frauen – statistisch betrachtet und auf die Anzahl der diese Sportart Betreibenden hochgerechnet – mehr Kreuzbandrisse als Männer.

Sie könne nur appellieren, "weiter dranzubleiben, zu forschen und dann zu schauen, was man möglicherweise präventiv noch mehr dagegen tun kann", sagte Nia Künzer am Rande einer DFB-Trainingseinheit in Düsseldorf. Die Sportdirektorin des Deutschen Fußball-Bundes und ehemalige Weltmeisterin hatte in ihrer Karriere selbst viermal einen Kreuzbandriss.

Die anderen Nationen haben dasselbe Problem

Bundestrainer Christian Wück schlägt Alarm. Der 52-Jährige sprach kürzlich mit seinem französischen Kollegen Laurent Bonadei. Der habe alleine in den vergangenen drei Monaten drei Kreuzbandrisse bei seinen Spielerinnen erlebt. "Das ist ein Thema, worüber wir uns Gedanken machen müssen", sagte Wück vor dem Halbfinal-Hinspiel der deutschen Fußballerinnen gegen Frankreich am Freitag (17.45 Uhr/ARD) in Düsseldorf – und schon vor der folgenschweren Verletzung Oberdorfs.

Künzer verweist darauf, dass sich die Bedingungen seit ihrer aktiven Zeit "enorm verbessert" hätten: "Wir haben im medizinischen, im athletischen, im Physio-Bereich wahnsinnige Fortschritte gemacht", sagte die 45-Jährige. "Trotzdem müssen wir feststellen, dass es die Verletzung immer noch in einer bestimmten Häufigkeit gibt."

Mehr als ein Dutzend Fälle in der Bundesliga

Laut des Portals "Soccerdonna" fehlen derzeit bei den 14 Bundesliga-Teams insgesamt 16 Spielerinnen wegen eines "Ligamentum cruciatum", so der lateinische Begriff. Prominenteste Ausfälle neben Oberdorf und Giovanna Hoffmann (Leipzig/ehemals SC Freiburg) sind Bayern-Stammspielerin Sarah Zadrazil und Frankfurts Torhüterin Sophia Winkler.

"Frauen haben aus verschiedenen Gründen ein deutlich erhöhtes Risiko, im Sport und gerade im Fußball an Kreuzbandverletzungen zu leiden", sagte Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln. "Die Wissenschaft geht mindestens von einem doppelt so hohen Risiko aus. Einige Quellen sprechen sogar von einem fünf bis sechs Mal so hohen Risiko." Die bisher erforschten Ursachen fasst Froböse so zusammen: "Anatomische Gründe wie eine Neigung zu leichten x-Beinen bei Frauen, eine engere knöcherne Führung des Kreuzbandes, weniger Muskelmasse, schwächeres Bindegewebe."

So sei das Kreuzband meist dünner bei Frauen, hormonelle Einflüsse wie bei der Menstruation würden es zusätzlich schwächen. Oft gebe es eine etwas andere Bewegung, Mechanik und Abläufe aufgrund der gegebenen anatomischen und physiologischen Struktur als bei Männern – "was auch erhöhte Belastung des Kreuzbandes bedingt".

Das alles hat sich natürlich bis zu den Verbänden herumgesprochen. Der DFB registrierte in der Saison 2023/24 insgesamt 26 Kreuzbandrisse in der ersten und zweiten Frauen-Bundesliga. Die Auswertung erfolgt über ein zentrales Verletzungsregister, das unter der wissenschaftlichen Leitung des Universitätsklinikums Regensburg steht. Die Zahlen zur Spielzeit 2024/2025 stehen noch aus. Analysiert würden unabhängig davon aber sämtliche Verletzungssituationen und Muster, teilte der DFB mit.

Die Europäische Fußball-Union (Uefa) hat die Forschung der Ursachen – geschlechterübergreifend – zur obersten Priorität ihrer Abteilung Medizinisches und Antidoping erklärt. Sie unterstützt das Projekt "Give the Voice Back" ("Eine Stimme geben"). Dabei können betroffene Spielerinnen und Spieler ihre persönlichen Geschichten teilen. So könnten neue Erkenntnisse gewonnen werden.

Zyklus orientiertes Training soll vorbeugen

Derweil finanziert der Weltverband (Fifa) an der englischen Universität Kingston eine Studie zum Einfluss des Menstruationszyklus auf Verletzungsrisiken im Spitzensport. Auch der DFB setzt sich für Zyklus orientiertes Training ein, das in vielen Vereinen bereits angewendet wird. Doch die Fußballerinnen erleiden nicht nur häufiger einen Kreuzbandriss, sondern brauchen auch länger als männliche Profis, bis sie wieder spielfähig sind. So kehrte auch Oberdorf erst über ein Jahr nach ihrer ersten schweren Knieverletzung zurück.

Schlagworte: Lena Oberdorf, Christian Wück, Nia Künzer

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