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Lebensmittel

Gurken werden schneller schlecht, wenn sie nicht in Plastik verpackt sind

Hanna Gersmann
  • Do, 14. November 2019, 18:21 Uhr
    Wirtschaft

Nach den Debatten um Plastikmüll verzichtet der Einzelhandel häufiger auf Plastikfolien. Jetzt verderben die Gurken allerdings schneller.

Lange Wege schaden der wässrigen Gurke.   | Foto: Sakoodter Stocker  (stock.adobe.com)
Lange Wege schaden der wässrigen Gurke. Foto: Sakoodter Stocker  (stock.adobe.com)
Derzeit landen mehr Gurken als üblich im Müll, weil sie ohne Plastikfolie den Transport aus Spanien oft nicht heil überstehen. Ist es besser, eingeschweißtes Obst und Gemüse zu kaufen?

Selbst Schnee fällt nicht mehr rein vom Himmel: Es schneit Mikroplastik. Das haben Forscher des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven gezeigt, auf Helgoland, in Bayern, in Bremen, in den Schweizer Alpen, auch in der Arktis. Mittlerweile findet sich Plastik allerorten wieder.

Weg vom Feld zum Supermarkt dauert länger als im Sommer

Als Paradebeispiel für den Verbrauch im Übermaß gilt vielen die in Folie eingeschweißte Gurke aus dem Supermarkt – hat sie doch schon selbst eine Schale. So hat in den letzten Monaten eine Lebensmittelkette nach der anderen reagiert – und die Folien verbannt. Nur gibt es jetzt ein neues Problem: Die Früchte verderben schneller. Derzeit kommen die Gurken vor allem aus Spanien. Der Weg vom Feld zum Supermarktregal dauert länger als im Juli oder August, wenn die Gurken in Deutschland Saison haben. Und das bei den Deutschen beliebte Gemüse ist von Natur aus sensibler, als man denkt. Hitze, Stöße, all das verträgt sie nicht, da sie zu 96 Prozent aus Wasser besteht.

So landen nun tonnenweise spanische Salatgurken auf dem Müll – und die Händler klagen über große Verluste. "Die Abschriften haben sich verdoppelt", erklärt Christian Böttcher vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels. Die Gurken schrumpelten, würden gelblich, ließen sich nicht mehr verkaufen. Konkrete Zahlen behalten die Unternehmen für sich. Dem Fachblatt Lebensmittelzeitung erklärte unlängst ein Branchenexperte nur, es entstehe pro Lkw-Ladung ein Schaden von 25.000 Euro.

Von Anfang an hätten Händler Probleme befürchtet, sagt Böttcher, jetzt bewahrheiteten sie sich. Und nun? Henning Wilts leitet die Abteilung Kreislaufwirtschaft am Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie. Er sagt: "Nur auf das Plastik zu verzichten, das reicht nicht, Kühlketten müssen umgestellt, Transportzeiten verringert, Zwischenlager minimiert werden." Daran arbeiteten einige Ketten bereits. Es gehe.

Die Lösung heißt saisonaler Einkauf

Edeka zum Beispiel erklärte, bei ihnen gebe es mit unverpackten spanischen Gurken "keinerlei Qualitätsprobleme", dafür gebe es eine "enge Zusammenarbeit mit den Produzenten vor Ort sowie effiziente Prozesse und Transportwege in der Logistik".

Doch andernorts stecken "die Kunden in einem Dilemma", sagt Sonia Grimminger, Expertin für Verpackungen im Umweltbundesamt. Für Händler gebe es nach wie vor zwei Gründe, warum sie nicht auf eine Verpackung verzichten wollten: Die Lebensmittel hielten länger frisch, weil die Verpackung Sauerstoff, Licht, Reifegase abhielten. Außerdem argumentierten sie, dass sich mit ihnen Bioprodukte von herkömmlichen unterscheiden ließen.

Wenn es also eine Verpackung sein soll? Entscheidend sei dann: "Sie muss recycelbar sein", sagt Grimminger. Die Verpackungsingenieure sind gut beschäftigt, entwickeln Idee um Idee, um vom vielen Plastik wegzukommen. Längst können mit einem Laser Bio-Siegel auf die äußerte Schicht etwa einer Süßkartoffel oder Avocado gebrannt werden. Rewe testet derzeit "rein intern", so eine Sprecherin, das sogenannte Coating: Limetten, Avocados, Mangos werden mit einer dünnen Schicht, einer essbaren Verpackung aus den Resten der Zuckerherstellung, überzogen. Zur Frage, wie stark dies die Zähne angreife, verweist Rewe auf den britischen Hersteller Agricoat Naturseal, der sein Produkt natürlich preist. Er verspricht: "Der Überzug ist essbar und gut verträglich."

Tiefkühlhersteller Frosta ersetzt derweil Plastik durch Papier. Das Unternehmen aus Bremerhaven will spätestens Ende 2020 seine Produkte nur noch im Papierbeutel einpacken. Die könnten Kunden in die Altpapiertonne werfen, heißt es dort, sie seien "besonders leicht zu recyceln". Nur: Papier? In der Ökobilanz schneide es oft schlechter ab als Plastik, sagt Expertin Grimminger: "Für die Herstellung wird mehr Energie und Wasser verwendet als bei Plastik."

Aus Umweltsicht sei es immer am sinnvollsten, Gurken – und jedes andere Gemüse – nur zu kaufen, wenn es Saison hat, sagt sie. Dann müssten die Früchte nicht weit transportiert werden. Und die Gurke aus dem nahen Gewächshaus? Sei nicht die beste Alternative, sie werde energieaufwendig gepäppelt, lässt Grimminger die Regionalität nur begrenzt gelten.

Ressort: Wirtschaft

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 15. November 2019: PDF-Version herunterladen

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