Interview
Hebammen besorgt: "Der geburtshilflichen Versorgung in und um Freiburg drohen Zeiten maximaler Überforderung!"
Mit Eröffnung der neuen Kinderklinik sollte sich das Angebot für Mutter und Kind verbessern. Doch das Gegenteil ist der Fall. Hebamme Mel Sobotta erklärt, weshalb sie und ihre Kolleginnen sich in der Pflicht sehen, aufzuklären.
Di, 10. Sep 2024, 12:01 Uhr
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Was genau ist denn unter einer sanften und sicheren Geburt zu verstehen?
Zunächst einmal müssen natürlich alle "Harten Fakten" stimmen: Wie ist der Kreißsaal ausgestattet, welche Expertise bringen Ärzte, Hebammen und Pflegekräfte mit, bestehen die Möglichkeiten einer Notfallversorgung, wie ist die Versorgung bei Zwillingsgeburten oder Beckenendlagen und so weiter. Genauso wichtig ist den Familien unserer Erfahrung nach aber auch die Atmosphäre vor Ort. Die Eltern haben neben einem hohen Sicherheitsbedürfnis den Wunsch, ein richtiggehend "romantischen Geburtserlebnis" erleben zu dürfen. Dazu gehört die Möglichkeit der Selbstbestimmung ebenso wie eine intime Atmosphäre von Geborgenheit, die tatsächlich in sehr großen Betrieben oft schwer umzusetzen ist.
Ist diese Art der geburtshilflichen Versorgung aus Ihrer Sicht in Freiburg nach aktuellem Stand gegeben?
Bis vor ein paar Wochen war meine ganz klare Antwort: Ja! Nach dem aktuellen Stand muss ich die Frage jedoch eindeutig mit "Nein" beantworten. Denn in Freiburg gab es die Möglichkeit, zwischen zwei Kliniken mit angeschlossener kinderärztlicher Versorgung zu wählen – für die werdenden Eltern verständlicherweise ein sehr wichtiges Kriterium. Diese Wahlmöglichkeit wurde den werdenden Müttern nun durch die Schließung der Neonatologie im St. Josefskrankenhaus genommen, was dazu führt, dass nur noch 30 Prozent der Geburten in Freiburg in einer Klinik mit angeschlossener kinderärztlicher Betreuung stattfinden können.
Wie sehen Sie in ihrer Position als Hebamme das?
Ich bin wirklich fassungslos. Den Frauen wird gleichzeitig das Wahlrecht genommen, als auch die medizinische Qualität verschlechtert. Der Mittelbau, der die Geburten in Freiburg absichert, ist völlig weggebrochen. Wer für die Geburt seines Kindes höchste Sicherheit möchte, dem bleibt nur noch eine Möglichkeit. Wenn man wenigstes wüsste, dass die Uniklinik den Mehraufwand bewältigen könnte, wäre das schon ein wenig erleichternd. Doch mit nur vier Kreißsälen kann eine adäquate geburtshilfliche Versorgung hier einfach nicht aufrechterhalten werden. Wir laufen hier in Freiburg sehenden Auges in eine Situation absoluter Überforderung.
Welche Gefahren sehen Sie in der nun aktuellen Situation?
Ganz einfach: Dass Mütter von vorneherein entweder nicht so entbinden können, wie sie es sich wünschen oder – worst case – im Geburtsverlauf eine Situation auftritt, auf die nicht adäquat reagiert werden kann.
Ist das bereits vorgekommen?
Sofort! Schon innerhalb der ersten drei Wochen nach der Schließung der Neonatologie im St. Josefskrankenhaus kam es wie erwartet zu der Situation, dass Neugeborene, welche einer neonatologischen Versorgung bedurften, nicht direkt in der Uniklinik aufgenommen wurden konnten und unter anderem nach Offenburg verlegt werden mussten. Bei anderen Kindern wiederum wurden Mutter und Kind getrennt, da die Mütter nicht mitverlegt werden konnten oder die Neugeborenen auf eine andere Station verlegt werden mussten. Ich will mir als Mutter nicht vorstellen, wie schlimm dies sein muss. Von den Folgeschäden durch fehlendes Bonding und dem erschwerten Stillbeginn wollen wir gar nicht erst reden.
Was bedeutet das für Mutter und Kind?
Im schlimmsten Fall erleben die Mütter eine traumatische Geburtserfahrung – also genau das, was es zu vermeiden gilt. Stellen Sie sich vor, Sie sind von ihrem Neugeborenen getrennt, das im Zweifelsfall ja besondere medizinische und emotionale Zuwendung benötigt. Oder Sie fühlen sich schon während der Geburt verunsichert und würden gerne anders entbinden, haben aber Angst um die Sicherheit Ihres Babys, wie wir es gerade bei Beckenendlagen oft erleben – das zu verarbeiten, dauert lange! Davor sehen wir Hebammen uns in der Pflicht, "unsere" Mütter zu schützen.
Bemerken Sie denn Verunsicherung auf Seiten der Mütter?
Auch in meiner Tätigkeit als freiberufliche Hebamme erlebe ich oft Unsicherheiten in Bezug auf die bevorstehende Geburt und die fehlende Wahlfreiheit. Auch über die Sozialen Medien erreichen mich immer wieder Nachrichten von werdenden Müttern mit der Frage nach dem aktuellen Stand. Die Verunsicherung ist groß. Auch die Kommentare unter der Petition einer Freiburger Familie, die für die Wahlmöglichkeit werdender Mütter in und um Freiburg appelliert, zeigten, dass sogar Mitarbeitende der Uniklinik selbst große Bedenken bezüglich der nicht zu bewältigenden bevorstehenden Entbindungen haben. Bei einer Demonstration Ende Juli, bei der für den Erhalt der Neonatologie am St. Josefskrankenhaus demonstriert wurde, war die Präsenz werdender Mütter, aber auch solcher, die bereits im Josefs entbunden haben, sehr groß. Deswegen möchten wir am 11. September erneut auf die Straße gehen und auf diesen Missstand aufmerksam machen. Hierzu möchten wir alle herzlich einladen!
Was hoffen Sie, mit der Demonstration zu erreichen?
Wir Hebammen hoffen auf ein Umschwenken, damit der Erhalt der Neonatologie im St. Josefskrankenhaus doch noch ermöglicht wird. Wir möchten durch die Demonstration dem Thema der Wahlfreiheit die Priorität geben, die es verdient.
Sind Sie zuversichtlich?
Es muss einfach klappen! Es kann doch nicht sein, dass eine fantastische geburtshilfliche Versorgung so mir nichts dir nichts zum Schlechten verändert wird – das wäre genau das Gegenteil dessen, was man mit der neuen Kinderklinik ursprünglich bezwecken wollte.
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