Premiere
Herbolzheim feiert Buchvorstellung über regionales Handwerk
Die Stadt Herbolzheim hat den dritten Band von Geschichte und Geschichten vorgestellt. Erlebte Geschichte wird darin lebendig, zur Premiere gibt es Zeitzeugenberichte und Musik.
Di, 12. Aug 2025, 7:30 Uhr
Herbolzheim
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Mehr als 60 Gäste kamen zur Vorstellung des dritten Bandes der städtischen Buchreihe Geschichte & Geschichten, die sich diesmal dem regionalen Handwerk widmet.
Bürgermeister Thomas Gedemer betonte, jeder sei Träger von Geschichte: "Was könnten Sie, die Besucher heute Abend, alles erzählen mit Ihrer ganzen Lebenserfahrung." Die Broschüren Geschichte & Geschichten setzen genau hier an – beim Erinnern und Festhalten erlebter Erfahrungen. "Bei vielem, was im neuen Heft steht, war der Anfang eine Begegnung bei Jubiläen oder an Geburtstagen", so Gedemer. Die Mitglieder des ehrenamtlichen Arbeitskreises griffen diese Geschichten auf, um sie für die Nachwelt zu dokumentieren. Gedemer freute sich über die jüngste Verstärkung des Teams: Seit 1. Juli unterstützt der neue Archivar Uwe Schellinger die Arbeit, vor allem aber pflegt er die Archive von Herbolzheim, Denzlingen, Reute und Vörstetten.
Die neue Ausgabe rückt das Handwerk in den Mittelpunkt. Einen historischen Einstieg bietet der Beitrag von Dieter Schlenker, gebürtiger Herbolzheimer und heute Direktor des Archivs der Europäischen Union. Er schildert die Anfänge der Herbolzheimer Zünfte, die sich einst im Gasthaus Sonne trafen. Auch der Blick in die Ortsteile lohnt sich. So wurden in Broggingen bis 1950 ganze 322 Handwerker gezählt – viele davon in Berufen, die heute längst verschwunden oder stark verändert sind.
Nicht immer wurde der Beruf frei gewählt
Ein Herzstück des neuen Bandes ist die Geschichte von Hannelore und Georg Hochholdinger, die jahrzehntelang das Gesicht des Herbolzheimer Stadtcafés waren. Mit viel Leidenschaft betrieben sie das Konditorhandwerk – zunächst belächelt, weil sie ausgerechnet in Herbolzheim ein Café eröffneten. Doch der Erfolg gab ihnen recht. Ihr Sohn erinnerte sich mit Dankbarkeit an die Kindheit im Café: "Es war immer jemand daheim, und es gab immer etwas zu essen."
Friedhelm Bury berichtete mit großer Begeisterung über seine Arbeit in der mechanischen Küferei Bury in Broggingen – einem heute ausgestorbenen Handwerk in der Region. Der 93-jährige Karl Ruf, gelernter Uhrmacher- und Optikermeister, beeindruckte das Publikum mit seiner Fachkenntnis. "Er wäre ein Kandidat für ‚Wetten dass?‘ gewesen", so Gedemer, "denn er erkennt Uhrentypen allein am Geräusch des Pendels und der Mechanik." Karl Ruf hatte das Glück, seinen Beruf frei wählen zu dürfen – eine Seltenheit in seiner Generation.
Walter Winkler (90) hatte keine freie Berufswahl – sein Vater bestimmte: "Du wirst Sattler." Später wechselte Winkler in die Raumausstatter-Branche und stattete Kinos in ganz Deutschland mit Vorhängen und Dekoration aus. Oft wurde noch genäht, während das Premierenpublikum bereits den Saal betrat. In seinen Lehrjahren verdiente er drei Mark in der Woche. "Wenn wir Geld sparen wollten, haben wir hinter der Bühne auf den Vorhängen geschlafen", so Winkler.
Irma Hämmerle war eine Pionierin im Landkreis
Irma Hämmerle, besser bekannt als 's Becke Irma, war eine Pionierin: Nach dem frühen Tod ihres Vaters unterstützte sie ihre Mutter in der Bäckerei und legte als erste Frau im Kreis Emmendingen die Gesellenprüfung ab. Sie heiratete 1950 den Bäcker Josef Dörr. Ihr Sohn Martin Dörr trat später in ihre Fußstapfen und erinnerte sich an die früher verbreiteten Brotmärkle. Landwirte brachten ihr Mehl in die Mühle und dann in die Bäckerei – bezahlt wurde dann nur noch der Backlohn und die Märkle. "Aus dem Froster kam bei uns nichts", sagte Dörr.
Wolfgang Kirner wusste schon früh, was er werden wollte. Bereits mit 13 bastelte er an elektronischen Geräten. Sein Vater weckte seine Begeisterung für Technik. Nach der Ausbildung bei Kaiser Radio in Kenzingen war er als Fernsehtechniker bis zum Bodensee unterwegs, reparierte später sogar elektronische Kirchenorgeln.
Nach den Interviews dankte Gedemer allen, die bereit waren, einen Blick in ihr Leben zu geben für das neue Heft. Claudia Bühler vom Arbeitskreis Geschichte & Geschichten gab Einblick in die ehrenamtliche Arbeit. Der Abend wurde musikalisch umrahmt von den Geschwistern Felix und Clara Müller an Geige und Cello.
Die Hefte Geschichte & Geschichten sind für fünf Euro erhältlich beim Tourismusbüro, in den Bürgerbüros und im Bücherwurm. Auch über den Buchhandel kann das Heft bezogen werden.