Regenwälder
"Indigene Gruppen schützen Regenwälder": Brasilien-Referent von Caritas international im Interview
Caritas international stellt auf der Weltklimakonferenz in Brasilien ein neues Projekt zum Schutz indigener Völker und des Regenwaldes vor. Ein Interview mit Manuel Brettschneider von der Hilfsorganisation.
So, 16. Nov 2025, 7:00 Uhr
Ausland
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BZ: Herr Brettschneider, was erhoffen Sie sich von der COP30?
Die aktuelle geopolitische Lage ist komplex. Umso mehr wünschen wir uns, dass der Kurs in Richtung Klimaschutz gehalten und es tatsächlich eine Klimakonferenz der Umsetzung sein wird, die die Wälder und die Menschen in den Mittelpunkt stellt. Sie findet ja im Amazonasgebiet statt und es wäre uns ein großes Anliegen, dass man die lokalen Gemeinschaften effektiv beteiligt, die in diesen Wäldern leben.
BZ: Sie haben in einem Beitrag auf der Webseite von Caritas international geschrieben, diese Gruppen seien einerseits Betroffene der Klimakrise und gleichzeitig Experten "mit umfassendem Erfahrungswissen im Umwelt- und Klimaschutzbereich".
Man kann empirisch gut zeigen, dass die indigenen Gruppen und traditionellen Lebensgemeinschaften einen großen Beitrag dazu leisten, die Wälder zu schützen und die Biodiversität dort zu erhalten. Ihre traditionellen Praktiken ermöglichen es ihnen, im Einklang mit der Natur zu leben. Aber sie entwickeln auch ganz innovative Ansätze zur Wiederherstellung von geschädigten Ökosystemen. Um naturbasierte Lösungen für den Waldschutz zu entwickeln, die wirklich wirksam sind, ist es vielversprechend, traditionelles Wissen zusammenzubringen mit wissenschaftlichen Ansätzen, so wie wir sie kennen.
"Über die ökonomische Wertschöpfung wird dazu beigetragen, Bäume zu erhalten."Manuel Brettschneider
BZ: Also geht es nicht nur darum, Indigene in Brasilien vor der Vertreibung aus ihren Lebensräumen zu schützen, sondern gleichzeitig darum, das Potenzial zu heben, was sie für das Überleben und das Wiederherstellen der Regenwälder leisten können?
Ja, und dafür dann auch ökonomische Alternativen zu entwickeln, die genau auf die Bedürfnisse und Potenziale dieser lokalen Gemeinschaften eingehen. Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Eine der Wertschöpfungsketten, die gefördert werden soll, bezieht sich auf die Baru-Nuss. Sie wird von den Indigenen und traditionellen Gemeinschaften in den Wäldern gesammelt, weiterverarbeitet und verkauft. Zugleich spielt der Baru-Baum eine ganz wichtige Rolle im Ökosystem. Über die ökonomische Wertschöpfung wird dazu beigetragen, diese Bäume zu erhalten, den Gemeinschaften eine wirtschaftliche Perspektive in ihren Gebieten zu ermöglichen und zugleich den Wald zu schützen.
BZ: Wie wird die Nuss verkauft?
Über lokale, aber zunehmend auch nationale und internationale Märkte. Seit kurzem ist sie auch für den Export in die EU zugelassen.
BZ: Und so fließt dann Geld in die indigenen Gemeinschaften?
Oft ist das große Problem, dass diese Gemeinschaften, die historisch immer an den Rand gedrückt wurden, wenig Zugang zu Finanzmitteln haben. Zugleich ist es immer ein heikles Thema, wenn plötzlich Gelder fließen, weil man dadurch ja auch die kulturellen Praktiken verändern kann. Deswegen ist es wichtig, dass solche Vorhaben in enger Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen und den betroffenen Gemeinschaften entwickelt werden.
" Wir wollen indigene Völker, traditionelle Gemeinschaften, kleine Landwirte und insbesondere Frauen stärken."Manuel Brettschneider
BZ: Die Vermarktung der Baru-Nuss gehört zum Projekt "Networks4conservation", das Caritas internatonal jetzt auf der COP30 in Belém vorstellt.
Das Projektkonzept wurde von der Internationalen Klimaschutzinitiative der Bundesregierung, der IKI, 2024 ausgewählt. Seit März dieses Jahres arbeiten wir es mit unseren Partnerorganisationen aus und geplant ist, dass es im Dezember beginnt. Die Partner sind zwei große zivilgesellschaftliche Netzwerke aus Brasilien, ASA und Rede Cerrado, sowie das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen. Wir wollen indigene Völker, traditionelle Gemeinschaften, kleine Landwirte und insbesondere Frauen stärken, um so die brasilianischen Pläne zur Kontrolle der Entwaldung zu unterstützen.
BZ: Wie viel Wissen und Koordination fließt denn von hier aus in solche Projekte?
Im Rahmen von "Networks4conservation" ist die Koordinationsaufgabe von Caritas international sehr groß. Zu den beiden beteiligten großen zivilgesellschaftlichen Netzwerken gehören hunderte von Mitgliedsorganisationen. Das Projektgebiet ist ungefähr zwölfmal so groß wie Deutschland. Uns kommt also eine wichtige Rolle zu, um die verschiedenen Kompetenzen der Organisationen zusammenzubringen, die Interessen zu bündeln und die Wirksamkeit bei der Umsetzung zu gewährleisten.
BZ: Die Lage der Indigenen in Brasilien ist seit Jahrzehnten prekär, weil sie oft durch illegalen Landraub der Agrarfirmen von ihren Ländereien vertrieben werden. Hat sich das unter Präsident Lula jetzt wieder gebessert?
Die Bilanz fällt da eher negativ aus. Präsident Lula, der jetzt zum dritten Mal amtiert, koaliert mit Akteuren, die der indigenen Bewegung entgegenstehen. Der brasilianische Nationalkongress wird extrem dominiert von Agrobusiness- und Bergbauinteressen. Deren Akteure wirken sehr stark darauf hin, dass Rechte und Gesetze aufgeweicht werden, die indigene Völker und traditionelle Gemeinschaften schützen.
BZ: Das bereitet dann auch für so ein Projekt wie "Networks4conservation" Schwierigkeiten?
Definitiv. Sehr positiv ist aber im Moment, dass gerade im Umweltministerium, mit dem wir eng kooperieren, progressive Akteure in den Schlüsselpositionen sind, beginnend mit der Umweltministerin Marina Silva selbst, die sich schon sehr lange mit der Thematik befasst und selbst einen entsprechenden biographischen Hintergrund hat. Daher gibt es für das Projekt im Moment viel Rückenwind. Aber es bleibt abzuwarten, was passiert, wenn nächstes Jahr wieder Wahlen sind.
Manuel Brettschneider ist seit sieben Jahren bei Caritas international Referent für Brasilien.
Die Hilfsorganisation Caritas international, die ihren Sitz in Freiburg hat, ist seit langem an Projekten in Brasilien beteiligt, in denen indigene Völker unterstützt werden. Das dient auch dem Schutz der Regenwälder. Brasilien richtet derzeit die Weltklimakonferenz COP30 aus. Präsident Lula hat die Regenwälder am Amazonas in den Fokus der Konferenz gestellt, weil sie für den Kampf gegen den Klimawandel von großer Bedeutung sind.
tst
