Künstliche Intelligenz

KI entziffert Sylter Flaschenpost aus England, die eine Lahrer Familie fand

Eine Familie aus Lahr findet 2018 eine Flaschenpost in Hörnum. Sieben Jahre lang bleibt der Inhalt des Briefes verborgen. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz konnte die Post jetzt entziffert werden.  

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Ein Flaschenpost liegt in einem Korb.  | Foto: Malte C. Bayer (dpa)
Ein Flaschenpost liegt in einem Korb. Foto: Malte C. Bayer (dpa)

Bei einem Spaziergang am Strand an der Hörnumer Odde hatten Malte Bayer und seine Familie aus dem Schwarzwald die kleine Flasche mit dem Brief entdeckt. "Die Flasche ist eher eine Mini-Flasche und war zerkratzt und vom Meer angeschliffen", sagte Bayer der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Mit einem Korken sei sie so fest verschlossen gewesen, dass kein Wasser eingedrungen war. Zu lesen war der damals noch geheime und verwitterte Brief – dekoriert mit bunten Fischen, Seepferdchen, Boot und Rettungsring – im Inneren aber dennoch kaum.

Nach sieben Jahren noch mal aus der Flasche geholt

Erste Versuche auf Sylt scheitern. "Ich habe damals schon Zeit damit verbracht, herauszufinden, was dort steht, aber ich konnte nur England lesen und eine Stadt." Die Flasche wird zu Hause im Schwarzwald zunächst zu einem besonderen Erinnerungsstück an Sylt und liegt in einem Korb mit Muscheln und Treibholz. Die Familie aus Baden-Württemberg ist eng mit der Insel verbunden und mehrmals im Jahr hier.

Erst ein weiterer Blick seiner Frau habe sein Interesse erneut entfacht, sonst hätte er die Flaschenpost gar nicht mehr angefasst, sagt der 56-Jährige. "Sie hat gesagt: Mensch, da liegt die Flaschenpost und der Brief ist völlig verblasst – den hätten wir konservieren sollen."

Malte Bayer (56), Finder einer Flaschenpost auf Sylt, blickt in die Kamera.  | Foto: M. Bayer (dpa)
Malte Bayer (56), Finder einer Flaschenpost auf Sylt, blickt in die Kamera. Foto: M. Bayer (dpa)

Beruflich hat Bayer viel mit KI zu tun. Und als Inhaber einer Marketing-Agentur auch Zugriff auf die entsprechenden Techniken dafür. "Angetrieben hat mich dabei, dass das Ding da liegt und eine Besonderheit ist – und wir das nicht lesen können." Drei bis vier verschiedene Tools habe er benutzt. Chat-GPT hatte schon einiges herausbekommen, mit anderen Programmen habe er die Ergebnisse dann verfeinert. Er habe gewusst, dass die KI auch Hieroglyphen entziffern kann und daher den Versuch mit den verschwommenen und vergilbten Buchstaben aus seiner Flaschenpost gewagt. "Das war nachts und das hat mich nicht mehr losgelassen – und dann kam plötzlich das Ergebnis." Zwei Wochen sei das her.

Jetzt ist für ihn klar, dass die Absenderin der Flaschenpost Linda heißt und die Glasflasche am 20. Oktober 2007 auf ihre Reise ging. "Die damalige Adresse der Absenderin lautete: 5 Roslyn Crescent, Reading, England", teilt Bayer mit. Aufspüren konnte er sie bisher aber nicht: "In dem Haus, das Linda als Adresse angegeben hat, befindet sich heute eine Firma, die aber wohl nichts mit der Absenderin oder ihrer Familie zu tun hat." Aufgrund der Handschrift sowie aufgrund bestimmter Redewendungen sei die Absenderin laut KI-Analyse zum Zeitpunkt des Abschickens zwischen 11 und 16 Jahren alt gewesen.

KI berechnete auch die mögliche Reiseroute

Seine KI habe auch die Reiseroute der Flaschenpost berechnet: Laut Bayer könnte sie ursprünglich an der englischen Küste ins Meer oder in die Themse geworfen worden sein und von dort über die Themse-Mündung in die Nordsee getrieben sowie schließlich von Strömungen bis an die deutsche Nordseeküste in den Süden Sylts getragen worden sein.

Seine Recherche zur "Familien-Flaschenpost" und der Absenderin wolle er jetzt fortsetzen, sagt Bayer. Und damit das Geheimnis rund um seinen Fund weiter entschlüsseln.

Neue KI-Tools können Lücken schließen

Eingescannt oder mit einem Handyfoto werden heute Dokumente häufiger der KI zugänglich gemacht, sagt Michael Hanisch, AWS Head of Technology für Deutschland. Mit einer einfachen Bildbearbeitung könne das Bild zum Beispiel über die Kontraste besser lesbar gemacht werden. Neuere sogenannte Large Language Model (LLM) haben im Gegensatz zu älteren Texterkennungssystemen – die nur einzelne Ziffern und Zeichen erkennen konnten – mehr Kontextverständnis. Sie erkennen Adressen und Formen, Bilder und Texte als einzelnes Element. Je mehr Kontextwissen aus dem großen Textkorpus die KI hat, desto genauer wird das Ergebnis, weil sie daraus weitere Schlüsse ziehen kann. Die KI sei zudem in der Lage, mögliche unleserliche Text-Lücken im Dokument aufzufüllen, sagt der KI-Experte.

"Wenn die KI schon einmal eine Flaschenpost oder einen ähnlichen Brief gesehen hat, kann sie das daraus ableiten." Auch Schriftpassagen und Adressen könnten dann erkannt werden. Dieses intelligente Dokumenten-Verarbeitungsmodell kommt laut Hanisch in einigen Bereichen regelmäßig zum Einsatz. "Generell werden die LLM-Modelle überall dort eingesetzt, wo viele Dokumente vorkommen – zum Beispiel in der Logistik, im Einzelhandel oder im Kundensupport."

Bei Versicherungen kann diese neuere KI-Technologie unter anderem komplexere Dokumente mit vielen Tabellen, wie Vertragsentwürfe, aber auch bei Briefen unterstützen, "weil die dann häufig eine freie Form haben, eventuell auch handgeschrieben sind, zum Beispiel bei einer schriftlichen Schadensmeldung", sagt der KI-Experte.

Schlagworte: Malte Bayer, Michael Hanisch

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