Können Obst und Gemüse eine Erfindung sein?

Das Europäische Patentamt erteilte Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen / Dem ist ein Riegel vorgeschoben worden.  

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Ergebnis konventioneller Züchtung: Äpfel auf dem Markt.  | Foto: Michael Bamberger
Ergebnis konventioneller Züchtung: Äpfel auf dem Markt. Foto: Michael Bamberger
Europäische Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere dürfen nicht mehr erteilt werden. Das hat die Große Beschwerdekammer als höchste Rechtssprechungsinstanz des Europäischen Patentamts (EPA) entschieden. Die Kammer befand, dass Pflanzen und Tiere aus im Wesentlichen biologischen Züchtungsverfahren nicht geschützt werden dürfen. Ausgenommen sind Patentanträge, die vor dem 1. Juli 2017 eingereicht wurden.

Umweltgruppen hatten sich mehr als zehn Jahre für das Verbot eingesetzt und sprechen von einem Meilenstein. Zugleich fordern sie weitere Konkretisierungen durch den Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation (EPO) als Aufsichtsorgan des EPA. Strittig sei weiter, was genau konventionelle Verfahren sind. Schlupflöcher müssten geschlossen werden.

Seit Urzeiten züchten Menschen Pflanzen und Tiere mit nützlichen Eigenschaften. Ob Konzerne hierauf Patente bekommen dürfen, war lange umstritten. Größere Früchte, dickere Ähren, mehr Fleisch – es geht um Macht und Märkte. Werden konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere als "Erfindungen" patentiert, können sie ohne Erlaubnis des Patentinhabers nicht für die weitere Züchtung genutzt werden. Das schränke Züchter und gerade kleine Bauern weltweit ein und könne sie in den Ruin treiben, argumentierten Patentgegner.

Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) begrüßt das Patentierungsverbot, es sei ein zentraler Schritt, um Züchtungsfortschritt weiterhin zu sichern. Züchter müssten Zugang zu einer breiten genetischen Vielfalt haben und auf den Vorleistungen anderer Züchter aufbauen können, sagt BDP-Geschäftsführer Carl-Stephan Schäfer. Ein Wermutstropfen sei, dass das Verbot nicht für Patente aus der Zeit vor dem 1. Juli 2017 gelte. "Diese Ansprüche werden die Züchtungsarbeit weiterhin behindern", sagte Schäfer.

"Stellvertretend für große Teile der europäischen Öffentlichkeit, der Gärtnereien, der Landwirtschaft und der VerbraucherInnen begrüßen wir dieses Urteil", sagt Martha Mertens vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Katherine Dolan vom Verein Arche Noah sagt, es bestehe dennoch weiter das Risiko, dass Konzerne das Patentrecht missbrauchten, um Kontrolle über Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion zu erhalten. "Das Problem ist noch nicht gelöst. Weitere politische Entscheidungen sind notwendig, um die bestehenden Schlupflöcher zu schließen." Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner spricht von einer guten Nachricht für Züchter, Landwirte und Verbraucher.

Die höchste EPA-Instanz bestätige auch einen früheren Beschluss des Bundestages. Nun müsse die europäische Politik das Verbot "wasserdicht umsetzen". "Sonst werden die Versuche, das Verbot weiterhin mit Tricksereien zu umgehen, nicht abreißen." Die Bundesregierung solle ihren Ratsvorsitz in der EU nutzen, um diesen Prozess voranzutreiben.

Trotz eines grundsätzlichen Verbots durch den Verwaltungsrat im Jahr 2017 waren nach Recherchen von "Keine Patente auf Saatgut" Patente auf gezüchtete Melonen, Tomaten, Salat, Petersilie und sogar Gänseblümchen erteilt worden. Beispielsweise wurden Chemikalien oder Bestrahlung eingesetzt, um zufällige Mutationen im Erbgut zu erzeugen und anschließend günstige Varianten herauszupicken. Anmelder und EPA sahen darin früher einen teils technischen Vorgang, Kritiker hingegen betrachten das als herkömmliche Züchtung. "Die zufälligen Verfahren, wie sie seit mehr als einem halben Jahrhundert in der Pflanzenzucht genutzt werden, dürfen nicht patentiert werden", sagt Christoph Then von der Organisation "Keine Patente aus Saatgut".

Zuletzt seien rund 100 neue Patentanträge identifiziert worden, in denen unter anderem Patente auf Basilikum, Paprika, Cassava und Gerste beansprucht werden. Nun müsse rasch Klarheit geschaffen werden, wie die Verbote umzusetzen seien, sagte Then. Seit 2018 hatten entsprechende Anträge auf Eis gelegen.
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