Interview
Lahr hat einen neuen Pfarrer auf Probe
Seit dem 1. März betreut Pfarrer Grzegorz Kujawa die Auferstehungsgemeinde Lahr im Probedienst. Im Interview erzählt er von seiner Arbeit und erklärt, warum er politische Predigten wichtig findet.
Karin Kindle (Dekanat)
Di, 22. Jul 2025, 17:09 Uhr
Lahr
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BZ: Sie können auf viele Stationen zurückblicken, auf interessante Orte und Tätigkeiten vor allem in größeren Städten. Was hat Sie nach Lahr geführt?
Warum Baden? Vielleicht war es ein Zufall. Die Zielrichtung entstand durch herzliche Bekanntschaften, die aus dem Kreis des Friedensgebetes in Kehl, wo ich wohne, erwuchsen. Und die Mentalität in Baden kommt mir entgegen, das Essen, der Genuss, die Offenheit.
BZ: Sie haben zunächst Germanistik studiert, bevor Sie sich der Theologie widmeten. Wie kam es zu diesem Entschluss?
Beim Studium der Germanistik liest man zwangsläufig auch theologische Texte. Das hat mich begeistert, auch vor dem Hintergrund für mein Interesse an alten Sprachen. Eine entscheidende Rolle hat die Theologin und Dichterin Dorothee Sölle gespielt. Die Idee der Geschwisterschaft ist sehr wichtig für mich, so wie sie von Dorothee Sölle beschrieben wird: Mit Jesus kam ein neuer Geist in die Welt, der verfeindete Menschen miteinander sprechen lehrt und zeigt, dass wir alle Geschwister sind.
BZ: Wie beschreiben Sie Ihre theologische Ausrichtung, was hat Sie geprägt?
Theologisch hat mich die Erinnerung an das Schicksal der Flüchtlingsgemeinde mit deutscher, französischer, niederländischer und italienischer Herkunft in London geprägt, deren Gründer der polnische Reformator Johannes a Lasco war. Während des Studiums habe ich mich mit dem sonst wenig bekannten Reformator aus dem 16. Jahrhundert intensiv beschäftigt. Er betonte unter anderem die Verantwortung und Fürsorge gegenüber dem Fremden und Anderen, die sich aus dem Teilen von Brot und Wein beim Abendmahl ergeben. Schwerpunkt in der Gemeindearbeit ist für mich der Leitsatz "Keiner lebt alleine". Es liegt mir sehr am Herzen, dass der Gottesdienst keinen Event-Charakter hat, sondern als spirituelle Kraft- und Inspirationsquelle gepflegt wird, wo um Sehnsüchte, Deutungen und Visionen gerungen wird.
BZ: Sie sind erst seit kurzem in Lahr. Wie sind sie in Ihrer neuen Gemeinde angekommen, die sich mitten im Umstellungsprozess "Ekiba 2032" der Badischen Landeskirche befindet?
Es ist eine schöne Herausforderung, ich mag Herausforderungen. In der Ortenau wurden bereits viele Forderungen der Landeskirche umgesetzt, beispielsweise mit der Bildung der Kooperationsräume im evangelischen Kirchenbezirk Ortenau. Ich schaue gerne über den Tellerrand hinaus und blicke in alle vier Himmelsrichtungen. Wir können so viel lernen von unseren Schwesterkirchen. In Skandinavien steht Teamarbeit über allem. Die christlichen Kirchen in Mittelosteuropa haben uns gelehrt, wie man ein totalitäres Regime ins Wanken bringen kann. In vielen Gemeinden in Frankreich oder Italien kochen und essen Gemeindeglieder häufig gemeinsam. Die Briten und Amerikaner bereichern ihre Gottesdienste mit Humor. Von den Juden können wir lernen, dass religiöse Identität nicht über Bord geworfen werden muss, und von den Muslimen können wir uns einiges abschauen bezüglich der Gastfreundschaft und Gebetspraxis.
BZ: Kann die evangelische Kirche weiterhin in der Gesellschaft bestehen?
Wir werden überstehen, denn in allen Zeiten haben die Menschen je nach Weltlage Kirche gesucht und dort Halt gefunden. Politische Predigten gehören zur Kirche, so wie Jesus auch politisch gepredigt hat. Ich denke, Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, haben häufig ein veraltetes Bild von Kirche. Biblische Traditionen und religiöse Fragen sollten so übersetzt werden, dass Menschen sie verstehen. Mein Wunsch ist, dass Gemeinschaften wachsen, denn diese braucht man zum Christsein. Und ich bin der festen Überzeugung, dass Kirche es schaffen kann – sonst wäre ich nicht hier. Um Hoffnung muss gerungen werden, wir müssen Zeichen setzten, aufmerksam und bedächtig sein, anders reden als die Masse.
Grzegorz Kujawa (50 Jahre) stammt aus Westpolen und Berlin. Der Germanist studierte später in Warschau, Berlin und Straßburg Theologie. Vor der Station in Lahr war er als Vikar in Straßburg tätig. Er beschreibt sich als Theologe, Germanist, Ehemann, Vater, Freund und Fürsprecher für den ökumenischen und interreligiösen Dialog.