Leserbrief: "Not tun Investitionen in die Infrastruktur"

Edith Sitzmann, frühere Landtagsabgeordnete und Finanzministerin a. D.

Von Edith Sitzmann, frühere Landtagsabgeordnete und Finanzministerin a. D. (Freiburg)

Di, 07. Februar 2023

Schallstadt

AUSBAU RHEINTALBAHN
Leserzuschrift zum Bericht "Häuser stehen der Rheintalbahn im Weg" vom 27. Januar:
Wie in der Badischen Zeitung zu lesen ist, hat die Bahn große Pläne. Ein ICE soll künftig laut Fahrplan in 22 statt bislang circa 30 Minuten Basel von Freiburg aus erreichen. Dafür sind allein zwischen Freiburg und Bad Krozingen Begradigungen der Strecke und ein zweispuriger Tunnel mit 1,35 Kilometern Länge geplant sowie eine Vielzahl von Brücken und Durchlässen. Selbst als gelegentliche Bahnfahrerin reibe ich mir verwundert die Augen. Ist es doch heutzutage ein Glücksfall, wenn man bei einer Zugreise einigermaßen pünktlich am Zielort ankommt.

Pendler*innen können ein trauriges Lied davon singen, denn Zugverspätungen, das Verpassen von Anschlüssen bis hin zu Zugausfällen sind mittlerweile leider nicht mehr die Ausnahme, sondern Normalität.

Das Wagenmaterial ist veraltet, die Infrastruktur marode, und der Personalmangel verschärft die Probleme. Es ist ein Trauerspiel, dass notwendige Sanierungen in den vergangenen Jahrzehnten unter anderem zugunsten einiger weniger fragwürdiger Großprojekte (wie Stuttgart 21) vernachlässigt wurden. Bahnfahren ist heute weniger attraktiv und verlässlich als vor zehn oder 20 Jahren.

Das ist die fatale Konsequenz einer seit Jahrzehnten von diversen Bundesverkehrsministern verfehlten Bahnpolitik. Was also Not tut, sind Investitionen in die Infrastruktur, in neue Züge, akzeptable oder attraktive Arbeitsbedingen für die Beschäftigten sowie Verlässlichkeit und guter Service für die Kunden und Kundinnen der Bahn. Nur so kann die Verkehrswende, die für mehr Klimaschutz unerlässlich ist, Schritt für Schritt gelingen.

Wenn die Bahn stattdessen Unsummen für eine Erhöhung der Streckengeschwindigkeit auf 200 Stundenkilometer zur rein theoretischen (!) Verkürzung der Fahrzeiten ausgibt, werden weiterhin die falschen Prioritäten gesetzt.

Hinzu kommen die Belastungen für Schallstadt, für die Anwohner*innen, für Hausbesitzer*innen, die angeblich enteignet werden müssen, und die ganze Region.

Der Bundesverkehrsminister sollte die Vorgabe, die Streckengeschwindigkeit auf 200 Stundenkilometer zu erhöhen, schnellstens kassieren. Wer die Bahn wieder attraktiv machen will, muss die Mittel umwidmen für den Abbau des Sanierungsstaus, für die Ertüchtigung der Infrastruktur, für neues Wagenmaterial und vieles mehr, damit Bahnfahren wieder eine pünktliche, verlässliche und umweltverträgliche Alternative zum Autofahren werden kann.

Edith Sitzmann, frühere

Landtagsabgeordnete und

Finanzministerin a. D., Freiburg